Gleich mehrere Rekorde verzeichnete der balearische Energie-Sektor am Samstag vergangener Woche. Einerseits wurden 178 Megawatt Strom aus erneuerbaren Energien produziert. Der bisherige Höchstwert lag bei 170 Megawatt. Außerdem betrug der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix zeitweilig nahezu 30 Prozent – das sind fast fünf Prozentpunkte mehr als der bisherige Rekord. Zu guter Letzt lag der Anteil des Solarstroms vier Stunden lang über 25 Prozent.
Ein Zufall ist das alles nicht. In kaum einem anderen Bereich auf Mallorca hat sich in den vergangenen acht Jahren – seit in Palma der Linkspakt regiert – derart viel getan, wie im Bereich der erneuerbaren Energien. Millionenschwere Förderprogramme, Erleichterungen im Genehmigungsverfahren und Gesetzesreformen haben dazu geführt, dass der Sektor einen Boom ohnegleichen erlebt. Vor allem die Zahl der Solaranlagen zur Selbstversorgung schoss regelrecht in die Höhe. Allein im vergangenen Jahr kamen 5670 dazu, sodass es balearenweit mittlerweile mehr als 10.000 gibt, wie das balearische Energie-Ministerium Ende des Jahres meldete.
Die Balearen-Regierung verfolgt bei der Förderung der erneuerbaren Energien nicht nur das Ziel, deren Anteil am Strommix zu erhöhen, sondern will gleichzeitig auch die „Demokratisierung” der Stromproduktion vorantreiben. Statt diese in den Händen von Großkonzernen zu konzentrieren, soll vor allem die Selbstversorgung gestärkt werden. Daher gibt es nun auch erstmals die Möglichkeit, dass sich mehrere Konsumenten zusammentun und gemeinsam eine Solaranlage nutzen.
Der Hintergrund ist, dass der Bau großer Solarparks auf Mallorca – einer Insel, auf der Grund und Boden naturgemäß begrenzt und immer knapper sind – nicht unumstritten ist. Zumal dadurch auch potenziell für die Landwirtschaft nutzbare Fläche verloren geht. Daher setzt die Balearen-Regierung bei der Installation von Fotovoltaikanlagen verstärkt auf die Nutzung bereits überbauter Flächen, wie etwa Parkplätze oder Lagerhallen. Klar ist aber auch: Ganz ohne neue Solarparks wird die Energiewende auf der Insel nicht gelingen. Und so wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche neue Großanlagen eingeweiht. Die installierte Leistung in diesem Bereich stieg im Laufe des vergangenen Jahres von 152,7 auf 220,5 Megawatt – ein Plus von 56,6 Prozent.
Dass sich in diesem Bereich gehörig etwas tun muss, ist seit langem klar. Nachdem der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch lange Zeit im unteren einstelligen Prozentbereich herumdümpelte, lag er im vergangenen Jahr nun immerhin bei neun Prozent. Noch immer wenig, bedenkt man, dass erneuerbare Energien der aktuellesten Statistik des Netzbetreibers Red Eléctrica Española zufolge auf dem spanischen Festland im Jahr 2021 fast die Hälfte des Bedarfs deckten.
Zumindest auf 30 Prozent soll der Anteil erneuerbarer Energien bis 2025 steigen, so die Balearen-Regierung. Dabei könnte dann auch die Windkraft eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Bislang gibt es ausschließlich auf Menorca eine entsprechende Anlage. Die Balearen-Regierung prüft die Möglichkeit, weitere Windräder zu installieren. Allerdings nicht auf der Insel, sondern im Meer, in bis zu 20 Kilometern Entfernung.
Die Menge des grünen Wasserstoffs, der im Rahmen des Projektes Power to Green Hydrogen der Konzerne Enagás und Acciona jährlich in der alten Zementfabrik in Lloseta hergestellt wird – rund 300 Tonnen –, nimmt sich im Vergleich zur Gesamtmenge, die Spanien bis zum Jahr 2030 pro Jahr produzieren will – drei Millionen Tonnen – zwar gering aus, dennoch gelang der Balearen-Regierung mit der Inbetriebnahme der Anlage im März vergangenen Jahres ein Erfolg: Es war die erste ihrer Art im ganzen Land. Es wurden eigens zwei Solarparks errichtet, um den Strom herzustellen, der bei der Produktion des Wasserstoffs benötigt wird. Selbst EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lobte das Vorhaben damals öffentlich als „vorbildlich”. Die Stadt Palma wird demnächst die ersten wasserstoffbetriebenen Busse in Betrieb nehmen. Aber auch andere Nutzungen sind geplant, darunter das direkte Einspeisen ins Erdgasnetz.
Der Inselrat wiederum treibt die Produktion von Biogas voran. Derzeit wird für 7,5 Millionen Euro eine neue – die mittlerweile dritte – Anlage auf der Insel errichtet. Im vergangenen Jahr landeten bereits mehr als 37.000 Tonnen Biomüll in der Biogas-Gewinnung. 2019 waren es noch weniger als 30.000 Tonnen. Der Anstieg ist in erster Linie auf die verbesserte Mülltrennung zurückzuführen. Während Bioabfall den Großteil des Hausmülls ausmacht, war die Recycling-Quote hier lange Zeit sehr niedrig. Mittlerweile aber werden organische Abfälle in 46 der 53 Städte und Gemeinden auf Mallorca getrennt abgeholt. Seit einiger Zeit auch in der Inselhauptstadt Palma, wo mit mehr als 400.000 Menschen knapp die Hälfte der Inselbewohner lebt. Das Biogas wird direkt vor Ort zur Stromgewinnung genutzt und deckt einen Teil des Energiebedarfs des Entsorgungsunternehmens Tirme.
Ein seit Jahren umstrittenes Thema ist der Kreuzfahrttourismus in Palma. Anwohnerverbände kritisieren zum einen die Massifizierung der Innenstadt an den Tagen, an denen Kreuzfahrtschiffe im Hafen festmachen, zum anderen die Luftverschmutzung durch die Abgase. Während die Stadt Palma die Urlauberströme durch die Ausweisung neuer Busparkplätze umzuleiten versuchte, hat die Balearen-Regierung eine Einigung mit den Reedereien erreicht, derzufolge die Zahl der Kreuzfahrtschiffe, die zeitgleich in Palma festmachen, auf drei reduziert wurde. Nur eines dieser Schiffe darf eine Kapazität von mehr als 5000 Passagieren haben. Das Abkommen mit dem internationalen Kreuzfahrtverband CLIA trat Anfang 2022 in Kraft. Nachdem es im ersten Jahr noch eine ganze Reihe von Ausnahmen gab – Tage, an denen mehr als drei Schiffe in Palmas Hafen lagen –, gilt das vereinbarte Limit nun das ganze Jahr über. Der Deal könnte gar Vorbildwirkung haben: In Barcelona etwa, wo es ebenfalls seit Jahren heftige Kritik am Kreuzfahrttourismus gibt, signalisierte das Rathaus bereits Interesse an einer ähnlichen Lösung.
Um Verkehrschaos und Gedränge in der Hochsaison an besonders überlaufenen Stellen der Insel zu verhindern, haben Gemeinden, Inselrat und Balearen-Regierung dort Zufahrtskontrollen und -beschränkungen eingeführt. Paradebeispiel ist die Formentor-Halbinsel. Seit 2018 ist die Zufahrt zu Mallorcas nördlichstem Punkt – dem Formentor-Leuchtturm – in den Sommermonaten streng reguliert. Tagsüber kommt man nur per Bus dorthin, nicht mehr per Pkw. Auch in Sa Calobra gibt es mittlerweile Zufahrtskontrollen. Am Es-Trenc-Naturstrand gab es zeitweilig einen Shuttle-Bus, der den neu eingerichteten Parkplatz mit der Küste verband.
Der Nahverkehr gehört zweifelsohne zu den Bereichen, in denen Mallorca in den zurückliegenden Jahren deutlich nachhaltiger geworden ist. Einen großen Schritt nach vorne etwa bedeutete die komplette Neustrukturierung des Überlandbusnetzes, inklusive des Tarifsystems. Bereits zuvor hatte die Balearen-Regierung erstmals Buslinien eingerichtet, die vom Flughafen direkt in einige der wichtigsten Urlauberorte fahren. Noch in der Planung ist dagegen der Bau der Straßenbahnlinie, die in Zukunft die Innenstadt Palmas mit dem Flughafen und in einer zweiten Phase auch mit der Playa de Palma verbinden soll. Immerhin hat sich die Zentralregierung in Madrid dazu bewegen lassen, die Finanzierung des Projektes zu übernehmen. Die ersten Millionen sind bereits im Haushalt dieses Jahres eingeplant. Ebenfalls einen Fortschritt in Richtung umweltfreundlicherer Nahverkehr bedeutet die Elektrifizierung des mallorquinischen Eisenbahnnetzes, die mittlerweile abgeschlossen wurde. Seit Jahresbeginn ist die Nutzung des ÖPNV auf der Insel zudem gratis – eine der Maßnahmen zur Entlastung der Bürger angesichts der jüngsten Rekord-Inflation.
Neben der Förderung des öffentlichen Nahverkehrs setzen die politisch Verantwortlichen auf eine Abkehr von der bisherigen autofreundlichen Politik. Die Einrichtung verkehrsberuhigter Zonen in Palma und vielen anderen Städten und Gemeinden der Insel, ist ein Beispiel dafür. Derzeit wird etwa der Passeig Marítim in der Inselhauptstadt – die bislang vielbefahrene Uferstraße – völlig umgestaltet. Künftig wird es dort deutlich mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer geben. Gegen vielfältige Widerstände setzten die Stadt Palma und der Inselrat zudem Geschwindigkeitsbeschränkungen durch.
Auf der Stadtautobahn Vía de Cintura etwa gilt seit einiger Zeit Tempo 80 als Höchstgeschwindigkeit. Ganz Palma ist derweil Tempo-30-Stadt – auf besonders vielbefahrenen Verkehrsachsen gelten allerdings weiterhin Ausnahmen. Völliges Neuland betrat der Inselrat, als er kürzlich auf der Flughafenautobahn eine Spezialspur einrichtete, die fortan für den öffentlichen Nahverkehr, Taxen und Pkw mit mindestens zwei Insassen reserviert ist. Die Idee dahinter: Das Autofahren soll an Attraktivität verlieren und die Menschen zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr animiert werden.
In Palma geht derweil der Ausbau des Radwegenetzes weiter, das mittlerweile mehr als 100 Kilometer umfasst – 2010 waren es noch 42 Kilometer. Außerdem ist die Stadt dabei, das öffentliche Leihfahrradsystem Bicipalma massiv auszubauen. Aus den bisher 37 werden künftig 85 Stationen im gesamten Stadtgebiet, an denen nahezu 1000 Fahrräder zur Verfügung stehen – nun erstmals auch elektrische.
Eine der folgenreichsten Entscheidungen der aktuellen Balearen-Regierung war die Verabschiedung des sogenannten Klimawandelgesetzes, das im Februar 2019 in Kraft trat und zahlreiche Maßnahmen insbesondere zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes vorsieht. Einige Regelungen sorgten weit über die Insel hinaus für Aufsehen. So beinhaltet das Gesetz etwa ein schrittweises Verbot von Verbrenner-Motoren. Ab 2025 werden auf den Inseln keine Diesel-Fahrzeuge mehr neu zugelassen, ab 2035 betrifft dieses Verbot dann auch „Benziner”. 2050 sollen nur noch E-Fahrzeuge auf der Insel unterwegs sein. Galt das Gesetz zunächst noch als forsches Vorpreschen, hat das EU-Parlament mittlerweile nachgezogen: Kürzlich beschlossen auch die dortigen Parlamentarier das Aus für den Verbrennermotor im Jahr 2035.
Ebenfalls folgenreich war die Verabschiedung des neuen balearischen Abfallgesetzes, das stufenweise bis Frühjahr 2021 in Kraft trat und unter anderem ein sehr weitreichendes Verbot von Einwegplastik beinhaltete. Betroffen davon waren unter anderem die Gratis-Plastiktüten, die es auf Mallorca bis dahin noch immer bei jedem noch so kleinen Einkauf dazu gab. Mittlerweile findet man nun beispielsweise in Obst- und Gemüseläden wieder die gute alte Papiertüte. Auch Einwegfeuerzeuge und Plastikgeschirr sind seither aus dem Sortiment der Supermärkte verschwunden. Eine Übergangsfrist bis 2025 gilt beispielsweise noch für Wegwerfrasierer.
Auch die Wiederverwertung des Abfalls ist ein Thema, das man auf Mallorca in den vergangenen Jahren verstärkt angegangen ist. Der Anteil von Verpackungen, Papier, Glas und organischen Abfällen an der Gesamtmüllmenge ist seit 2015 von 17 auf 27 Prozent angestiegen. Die Menge Restmüll pro Kopf und Jahr dagegen von 422 auf 339 Kilo gesunken. Dennoch bleibt in diesem Bereich noch immer viel zu tun. Im Umweltdezernat des Inselrats räumt man ein, dass es sich bei etwa zehn Prozent des Abfalls, der letztendlich in der Verbrennungsanlage landet, um Verpackungsmüll handelt, der bei besserer Mülltrennung wiederverwertet werden könnte. Auch ein Pfandsystem, das die Menge der Plastikflaschen auf der Müllkippe reduzieren würde, gehört zu den bislang unerledigten Aufgaben. Zwar hat es bereits mehrere Testläufe gegeben, eine echte Lösung aber ist weiterhin nicht in Sicht.
Ein Thema, das seit vielen Jahren auf der Agenda der Regional-Politiker weit oben steht, ist die Organisation des Wasserzyklus. Vor dem Hintergrund des chronischen Wassermangels auf der Insel fällt es immer schwerer, die Tatsache zu rechtfertigen, dass mehr als ein Viertel des Trinkwassers im Boden versickert, weil das Leitungsnetz marode ist. In manchen Gemeinden liegt der Anteil gar bei mehr als 60 Prozent. Ein weiteres Problem ist die unzureichende Wiederverwertung des Klärwassers. Dieses fließt allzu oft noch immer ungenutzt ins Meer, anstatt beispielsweise in der Landwirtschaft Verwendung zu finden. Auch hier ist das marode Leitungsnetz das Hauptproblem, weil dadurch vielerorts Salzwasser in den Kreislauf eindringt. Zumindest die Stadt Palma ist hier in den vergangenen Jahren sehr aktiv gewesen und hat viele Millionen Euro in die Modernisierung der Kanalisation und ein neues Rückhaltebecken investiert. Auf diese Weise soll auch verhindert werden, dass Dreckwasser bei starken Regenfällen ungefiltert ins Meer gelangt – mit negativen Folgen für das dortige Ökosystem.
Zum besseren Schutz der Umwelt hat die Balearen-Regierung in den vergangenen Jahren mehrere Naturparks geschaffen und erweitert, Es Trenc im Süden der Insel, das Albufera-Feuchtgebiet im Norden und den Parc de Llevant bei Artà. Einher ging das jeweils auch mit neuen, strengeren Nutzungsregeln, was vor allem im Falle des vielbesuchten Naturstrandes Es Trenc für reichlich Polemik sorgte. So ist dort die Zahl der Strandbuden reduziert worden, um die Erosion zu bremsen. Vor allem die Dünenlandschaft, die eine wichtige Rolle für den Erhalt des Strandes spielt, soll so besser geschützt werden.
Zu guter Letzt unternimmt auch die Privatwirtschaft Anstrengungen, die Nachhaltigkeit ihrer Unternehmen zu verbessern. Die Hotels etwa setzen mittlerweile verstärkt auf die Kreislaufwirtschaft. Auch das von der Balearen-Regierung im Frühjahr 2022 verabschiedete neue Tourismusgesetz macht hier verschiedene Vorgaben, die unter anderem den Energie-Verbrauch, aber auch die Nutzung lokaler Produkte und die Arbeitsbedingungen der in der Branche Beschäftigten betreffen. Außerdem sieht das Gesetz ein auf vier Jahre angelegtes Moratorium vor: Die touristische Bettenbörse bleibt in diesem Zeitraum eingefroren.