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„Er saß am Klavier und begann zu spielen. Da waren einzelne Klavierstücke, noch dazu von einer ganz eigentümlichen Schönheit, deren Gesang man mit vollen Tönen vernahm. Überall schien es wie Ströme, die sich in reicher Fülle ergossen. Und dann war es ein Spiel, wie wir es lange nicht gehört hatten, so voll von Erfindung, so voll von Kraft und zugleich so poetisch.« - Das schrieb Robert Schumann in seinem berühmten Aufsatz „Neue Bahnen« am 28. Oktober 1853 über den jungen Johannes Brahms, den er dann als „Berufenen«, als „jungen Adler« der Musikwelt ankündigte. Und man darf mutmaßen, dass er sich, hätte er den Auftritt David Khrikulis im letzten der vier Herbstkonzerte bei Macia Batle am gestrigen Sonntag erlebt, nicht weniger enthusiastisch ausgedrückt haben würde.
Khrikuli, der seine Polen-Tournee für diesen Auftritt unterbrochen hatte, spielte die vier Scherzi von Frédéric Chopin, die er auch in der Finalrunde des Warschauer Chopin-Wettbewerbs 2025 im Programm hatte. Und man verstand den Unmut des Publikums darüber, dass ihn die Jury bei der Preisverleihung leer ausgehen ließ. Ivo Pogorelich fällt einem ein, den die Jury 1980, ebenfalls in Warschau, mehrheitlich bereits in der dritten Runde aus dem Rennen kickte, obwohl einige Juroren ihn zuvor als Genie bezeichnet hatten. Martha Argerich hatte damals aus Protest die Jury verlassen und für einen handfesten Skandal gesorgt. Der allerdings beflügelte den kometenhaften Aufstieg des jungen Kroaten. Und natürlich wünscht man Khrikuli einen ebensolchen Karriereverlauf.
Chopin hatte mit seinen vier Scherzi die Gattung neu erfunden, ihr den serenadenhaften Ton genommen, jegliche Beiläufigkeit ausgetrieben und sie zu Bekenntnismusik gemacht, die auch dem Tragischen, bisweilen sogar Dämonischen Ausdruck verleiht. Khrikuli spielte sie mit atemberaubender, unfehlbarer Virtuosität, jeder Ton hatte Gewicht; einzig im vierten, dem einzigen in Dur, ließ er heitere Verspieltheit zu. Dabei vernachlässigte er keineswegs die Schönheit, die diese Werke bei aller Dämonie ausstrahlen. Das unterscheidet ihn von Pogorelich, der in seiner Aufnahme von 1995 den Schönklang seiner exzentrischen, exzesiv gespenstischen , und bisweilen allzu extrem-dämonischen Lesart opferte. Khrikuli gelang ein Balanceakt zwischen Klangschönheit und aufgewühlter Schroffheit. Damit schlug er die Brücke in die Herzen des Publikums.
Mit dem Klaviertrio Nummer 1 (in d-moll) von Felix Mendelssohn erklang ein weiteres Schlüsselwerk der Romantik. Mendelssohn hatte die Gattung, die sich bis dahin fast ausschließlich in mehr oder weniger geistreicher Unterhaltungsmusik, in Divertisements manifestierte, aus ihrer Randständigkeit befreit und ihr den Atem tiefer Gefühle eingehaucht. Nina Heidenreich an der Violine und Raquel Rivera am Cello spielten Mendelssohns Opus 49 bei aller emotionalen Tiefe mit hinreißendem Charme, von David Khrikuli nobel zurückhaltend am Flügel begleitet. Raquel Ribera zeigte spätestens im brillant-virtuosen Finalsatz, dass sie zu den Großen ihrer Zunft gehört. Sie ist mit bedeutenden Orchestern (unter anderen mit dem Sinfonieorchester der Balearen) aufgetreten. Seit Juli 2025 ist sie festes Mitglied des Sinfonieorchesters von Cordoba. Nina Heidenreich bewies einmal mehr ihre Klasse als Kammermusikerin von hohen Graden. Die Darbietung des Trios wurde mit stürmischem Applaus belohnt.