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Wie vor zwölf Jahren Jil Sander und Raixa doch nicht zusammenkamen

Der geplatzte Traum und seine Folgen

Modeunternehmerin Jil Sander wollte aus Raixa einen internationalen Treffpunkt von Kultur, Wirtschaft und Politik machen. | Foto: Ultima Hora

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Der Kaufvertrag ist - vor ziemlich genau zwölf Jahren, am 23. November 2001 - bereits unterzeichnet. Für 1,4 Milliarden Peseten (8,414 Millionen Euro) hat Jil Sander Mallorcas emblematischstes Landgut Raixa erworben. Eine Anzahlung über 500 Millionen Peseten hat die deutsche Modedesignerin, die an diesem 27. November 70 Jahre alt geworden ist, für das 1993 unter Denkmalschutz gestellte Anwesen auch schon hinterlegt - und weitere, auch aus heutiger Sicht, fast unglaubliche Zugeständnisse gemacht. Nur: Jil Sander hat nicht mit Maria Antònia Munar gerechnet.

Konnte sie auch nicht. Was die damalige Inselratspräsidentin von der Unió Mallorquina (UM) auffuhr, um den deutschen Millionen-Deal um "Mallorcas Vorzeige-Finca" zu kippen, macht auch heute noch fast sprachlos. Der spanischdeutsche Rechtsanwalt Rafael Barber-Llorente - Partner der internationalen Kanzlei Buse Heberer Fromm mit Sitz unter anderem in Palma und Hamburg -, der die Hanseatin damals vertritt, nimmt beim MM-Gespräch denn auch nicht länger ein Blatt vor den Mund: "Nun, Frau Munar ist schließlich eine Verbrecherin - wie fast die ganze Spitze der UM, die heute einsitzt."

Noch einmal der Reihe nach: Nachdem das 520.000 Quadratmeter große Landgut mit den fruchtbaren Feldern und berühmten Renaissance-Gärten fast ein Jahrzehnt "von den zwölf bis 14 Eigentümern", so Barber-Llorente, vergebens zum Verkauf angeboten worden war, ist es für Mallorca sicher ein Glücksfall, dass sich um die Jahrtausendwende die millionenschwere Mode-Unternehmerin dafür nicht nur interessiert, nein, begeistert: "Jil Sander war auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Objekt, mit dem sie sich kreativ und künstlerisch realisieren konnte." Was ihr das Anwesen - vor allem ideell - bedeutet, erzählt sie in ihrem ersten Mallorca-Interview einer Inselzeitung am 24. November 2001: "Raixa ist mein Schicksal, eine Passion, die zehn Jahre auf mich gewartet hat", sagt sie und betont erneut, dass sie "keinerlei kommerzielle Interessen mit dem Kauf" verfolge.

Recht zügig seien er und die Anwälte der Erbengemeinschaft sich damals einig geworden, so Rafael Barber-Llorente: Jil Sander hat das Anwesen mit einem Team von Architekten und Spezialisten bereits mehrfach gründlich inspiziert, die Anzahlung ist auch hinterlegt. Was damals weniger bekannt ist: Mit ihrem Kauf-angebot ist die Deutsche - sozusagen "freiwillig" - 3,5 Millionen (damals) Mark über den geforderten Preis von 13 Millionen Mark hinausgegangen. Denn: Da bekannt ist, dass der Inselrat über ein - auf zwei Monate befristetes - Vorkaufsrecht verfügt, hat Barber-Llorente seiner Mandantin geraten "noch eine Schippe draufzulegen": "Wenn sie es für 13 Millionen zuvor schon nicht haben wollten - warum sollten sie es jetzt?"

Er soll sich irren. Plötzlich, so Barber-Llorente habe sich eine - sich langsam zuspitzende - öffentliche Diskussion über das ursprünglich aus der Araber-Zeit stammende, "emblematische Inselgut" erhoben, das nun in die Hände "ausländischer Investoren" fallen sollte. So seien etwa Fragen zu "öffentlichen Wander- und Passierwegen" rund um das Anwesen aufgeworfen worden: "Dabei hatte Frau Sander bereits im Vorfeld zugestimmt, sowohl die Gärten als auch das Gebäude - bis auf ihre Privatwohnräume natürlich - zu bestimmten Zeiten für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen."

Auf einmal geht es nicht nur um Prestige, es geht um Macht - und Geld. Inselratspräsidentin Munar (UM) hält eisern am "Widerstand gegen die Transaktion" fest. Für medialen Rummel sorgt kurz darauf ihre gemeinsame Ankündigung mit Jaume Matas, damals Vorsitzender der Balearen-PP und spanischer Umweltminister in Madrid, das kulturhistorische Herrenhaus vor weiterem Verfall bewahren und "allen Mallorquinern zugute" kommen lassen zu wollen: "Raixa (wird) unser", titelt damals die Inselzeitung "Ultima Hora". Den Kaufpreis für Raixa will Matas aus dem Budget des Umweltministeriums aufbringen: In dem Anwesen soll künftig die spanische (dem Umweltministerium unterstellte) Nationalpark-Stiftung ihren Sitz erhalten. Der Inselrat - mit Vorkaufsrecht auf den denkmalgeschützten Herrensitz - kündigt an, 200 Millionen Peseten beizutragen und sich die Nutzung mit dem Umweltministerium zu teilen.

Soweit der Plan. Von den Ankündigungen Matas' sei man damals "total überrascht" worden, so Jil Sander-Anwalt Rafael Barber-Llorente. Gemeinsam mit Munar geht der PP-Führer öffentlich in die Offensive. Aufgrund des "guten Geschäfts für die Mallorquiner", so Munar, werde Raixa weiterhin "der Öffentlichkeit zugänglich bleiben", und Matas fügt hinzu: "Jetzt wird Raixa allen Mallorquinern gehören." Jil Sander gibt - immer noch nicht! - auf und schlägt der Inselratspräsidentin vor, gemeinsam eine gemeinnützige Raixa-Stiftung zu gründen: "Das Gebäude sollte nach dem Ableben von Frau Sander wieder in den Besitz der Stiftung übergehen - und Frau Munar lebenslang die Präsidentin dieser Stiftung werden", so Anwalt Barber-Llorente. Aber: Auch auf diesen Vorschlag zur Güte sei nicht einmal eine Antwort gekommen: "Die Entscheidung war längst gefallen", sagt er heute.

Munar und Matas treiben die Summe auf, die Jil Sander zuvor geboten hat, um vom "Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand" Gebrauch zu machen: Für rund 8,4 Millionen Euro erwerben Umweltministerium und Mallorcas Inselrat das Landgut mit den berühmten Gärten; Matas verspricht zudem 11,7 Millionen Euro für die Renovierung des Anwesens (als die Regierung Aznar 2004 die Wahlen verliert und die Sozialisten in Madrid das Ruder übernehmen, wird die geplante "Verlegung des Naturstiftungssitzes" nach Mallorca umgehend und komplett gekippt). Barber-Llorente schon damals im MM-Gespräch: "Der Kauf von Raixa kurz vor den Regionalwahlen war das Brautgeschenk von Matas an Munar."

Denn: Nach den Wahlen gehen Matas (PP) und Inselratspräsidentin Munar (UM) ein Bündnis ein, das auf den Balearen zum Regierungswechsel führt. Schon im März 2003 hat Matas - nach einer der größten spanischen Umweltkatastrophen im November 2002, als der Öltanker "Prestige" vor der Küste Galiciens sinkt - sein Ministeramt aufgegeben. Ab Juni 2003 wird er erneut Ministerpräsident der Balearen (bis 2007).

August 2008: Beginn der Ermittlungen gegen Matas wegen Verschwendung öffentlicher Mittel, Bestechung und Amtsmissbrauchs. Im März 2012 wird er in erster Instanz zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Im Juli 2013 senkt der Oberste Gerichtshof Spaniens das Strafmaß von sechs Jahren auf neun Monate herab; im Oktober wird die gegen ihn verhängte Kaution in Höhe von 500.000 Euro aufgehoben. Matas' Reisepass bleibt jedoch eingezogen: Gegen ihn laufen weitere 26 Ermittlungsverfahren. Die gegen seine politische Weggefährtin Munar verhängte fünfeinhalbjährige Haftstrafe wird im Juli 2012 vom Gerichtshof bestätigt.

Nicht nur die Vergeudung finanzieller Mittel werde inzwischen "allgemein mit Fassungslosigkeit" betrachtet, so Barber-Llorente. Jil Sander habe im Besonderen "die Pflege der Gärten" im Auge gehabt. So gab es auch den Plan, mehrere Hundert Zypressen zu pflanzen, um den Blick von Raixa auf die nahegelegene Verbrennungsanlage zu "mildern". Darüber hinaus habe Jil Sander aus "Mallorcas schönster Finca einen regelmäßigen Treffpunkt hochkarätiger Polit-, Wirtschafts- und Kulturvertreter aus aller Welt" machen wollen. Nicht nur die Unsumme an Geld, auch das internationale Prestige, das Mallorca durch die "Raixa-Affäre" verloren gegangen ist, lasse sich bis heute kaum ermessen.

Und das sei doch nur die "Spitze des Eisberges", glaubt Barber-Llorente: "Ich bin seit über 30 Jahren als Anwalt auch in Palma tätig und erinnere mich, dass damals nicht das kleinste Projekt meiner Klienten realisierbar war, wenn nicht auch die Unió Mallorquina daran mitverdiente." Das sei keine Partei gewesen, habe ihm ein Kollege einmal gesagt, sondern "eine Ansammlung wirtschaftlicher Interessen". Er sei selbst Mallorquiner, so Barber-Llorente, "aber diese Geschichte ist wohl im Leben eines Anwalts einmalig - dieses Prallen an die Wand". Und hält es doch für wahrscheinlich, "dass hundert andere Fälle bislang nur nicht an die Öffentlichkeit gelangt sind".

Jil Sander setze seither "keinen Fuß mehr auf die Insel" - und hat seit Langem ein Anwesen auf Ibiza. Wo sie - womöglich - auch an diesem 27. November ihren 70. Geburtstag gefeiert hat.

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