Neun Uhr Sonnengruß, zehn Uhr Yoga, am Nachmittag Stretch & Relax, Traumreise oder Progressive Muskelentspannung. Mit wilden Animationsspielchen, bei dem sich die Gäste selbst auf die Schippe nehmen oder vor den Augen aller in voller Montur in den Pool - ach, das ist doch witzig - geworfen werden, hat das nichts mehr zu tun.
"Wir verwenden den Begriff Animateure nicht, da dieser sehr klischeebeladen ist. Stattdessen nennen wir unsere Mitarbeiter schlicht ,die Robins'", heißt es bei der Robinson Club GmbH. Und was früher Animationsprogramm hieß, nennt sich dort jetzt "Angebot". Wer mitmachen möchte, ist herzlich eingeladen. Druck gebe es keinen. Jetzt sei die Ansage eher: "Hey, wir spielen Volleyball, hast du Lust mitzumachen? Nein? Kein Problem."
Ähnlich sieht es Kathrin Spichala, Pressesprecherin von TUI Deutschland. Der Begriff "Animation" oder "Animateur" sei klischeebeladen, dabei habe das Angebot heute wenig mit den Partyspielchen der 80er oder 90er Jahre zu tun. "Eine Goldene Regel bei uns ist: keiner wird gezwungen und penetrant bei den Gästen nachhaken, das gibt es nicht. Wir ziehen hier niemanden von der Liege."
Die 28-jährige Nadine Prestin ist "Animateurin" mit Leib und Seele. Wobei ihre Jobbeschreibung inzwischen die nüchterne Bezeichnung "ETDM": Entertainment-Delivery-Team-Manager" trägt. Seit neun Jahren ist sie dabei, anfangs bei den Jugendlichen, dann als Fitnessanimateurin mit kurzem Ausflug in den Kinderclub. Inzwischen entwickelt sie das Programm für die Animation mit und schaut bei den Hotels in Mallorcas Norden "nach dem Rechten".
Ihr Geheimnis für gute Laune, auch wenn der Tag 13 Stunden hat? "Eine gute Teamstimmung ist entscheidend für die Motivation, denn die Kollegen werden ja für mehrere Monate zur Familie." Und wenn ihr Gäste nach einem Cluburlaub schreiben und sie fragen, wann sie das nächste Mal bei "ihrer Animateurin" Urlaub machen können, dann gehe ihr das Herz auf.
Wer einen Cluburlaub bucht, ist häufig Wiederholungstäter und weiß genau, worauf er sich einlässt. Während die Eltern sich beim Tennis austoben können, malen die lieben Kleinen im Kids-Club bunte Bilder oder lernen die etwas Älteren, wie man coole Instagram-Profile erstellt oder Meister im Speed-stacking wird, bei dem man möglichst schnell möglichst viele Hütchen aufeinanderstapeln muss. Mittags essen die Kinder dann das Kindermenü, in der Obhut ihres persönlichen Animateurs. Die Eltern dürfen dazu kommen, die Kinder können mit den Eltern essen - feste Regeln gebe es heute nicht mehr, heißt es.
Damit es den Gästen nicht langweilig wird, spüren die Mitarbeiter der Marktforschungsabteilung Trends auf, wobei sie sich stark am Kunden orientieren. "Viele Urlauber wollen ihre Hotels zum Beispiel direkt am Strand haben", so Spichala. Entsprechend sei das Angebot mit Beachvolleyball oder Wassersportarten. Der Trend gehe hin zu viel Wellness wie Yoga und Entspannung. Aber Klassiker wie Aerobic, die gingen immer.
Der Urlaub ist die Zeit zum Ausspannen, aber auch, mal etwas Neues auszuprobieren. Auch Ausflüge mit Animateur würden immer beliebter. Kathrin Spichala bekommt das Feedback, dass Eltern immer mehr Angebote schätzen, bei denen die ganze Familie mitmachen kann. Und wenn man schon in einem fremden Land ist, warum nicht auch gleich ein paar Sprachhäppchen aufschnappen? Also bieten Clubmitarbeiter einen Spanisch-Kurs, "das wird sehr gut angenommen", so Spichala.
Von Juni bis August boomt die Nachfrage, ein umfangreiches Unterhaltungsprogramm für Urlauber, die im Winter auf die Insel kommen, gebe es bei TUI nicht mehr, sagt Spichala.
Die Tendenz geht also in Richtung Individualität und persönlicher Freiraum statt "Alle-zusammen-draußen-an-der-frischen-Luft-Haltung" der frühen Animationsjahre. Aber einen Klassiker, den will so schnell niemand missen: Die allabendliche Show. Wenn sich Nadine Prestin und ihre Kollegen in Schale werfen und eine Motto-Show für ihre Gäste kreieren, wenn die inzwischen liebgewonnenen Animateure tanzen, singen und die Gäste im clubeigenen Theater unterhalten - dann strömen alle herbei. "Die Shows sind voll", heißt es bei Robinson. Worin hier der Reiz liegt? "Das ist spannend für die Gäste, weil sie ihre Betreuer, mit denen tagsüber enger Kontakt besteht, abends in anderen Rollen sehen." Und vielleicht liegt der Reiz auch ein klein wenig darin, dass es diesmal die anderen sind, die sich zur Schau stellen. Als kleine "Revanche" für die Animation der Anfängerjahre.
(aus MM 18/2015)