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„Wir lassen die Tradition weiterleben”

Miquel Aguiló leitet das Kurzwarengeschäft „Ca Donya Àngela” in der elften Generation. | P. Czelinski

| Palma, Mallorca |

Die Verlegerin Aenne Burda würde – wäre sie noch am Leben – Luftsprünge machen. Ihre bahnbrechende Geschäftsidee aus den Fünfzigern, die den Zeitschriften beiliegenden Schnittmuster-Bögen, lebt weiter – und zwar im Laden von Miquel Aguiló in der Altstadt von Palma. „Ach, Burda”, schwärmt der Kurzwarenhändler, „mit denen habe ich über vierzig Jahre zusammengearbeitet. Diese Schnittmuster kamen super an hier, deswegen verkaufe ich sie immer noch, aber das war eine andere Zeit, bald wird es sie nicht mehr geben.”

Dass es sein Geschäft „Ca Donya Àngela”, das ebenfalls wie aus einer anderen Zeit wirkt, noch gibt, grenzt für Aguiló an ein Wunder. „Man hat mir Geld geboten, damit ich verkaufe, aber ich denke nicht daran”, sagt er und streicht fast ein wenig nostalgisch ein Stück Wolle mit seinen Händen glatt. „Eine Eisdiele sollte hier eröffnen, aber wir geben nicht nach, wir wollen diese Tradition weiterleben lassen.”

Und die Tradition ist alt – Aguiló führt den Laden gemeinsam mit seiner Frau Esther Gordiola in der elften Generation. Gegründet wurde „Àngela”, wie das Geschäft kurz genannt wird, bereits 1685. „Wir wussten bis vor zehn Jahren selbst nicht, dass wir so eine lange Geschichte haben”, erklärt Aguiló. „Ich habe damals einen Stapel alter Dokumente gefunden und begonnen, darin zu stöbern.” Auf diese Weise sei die Historie erst ans Tageslicht gekommen. „Anschließend haben wir sogar ein Buch über unser Geschäft veröffentlicht”, so der Kaufmann nicht ohne Stolz in der Stimme.

Dass der Kurzwarenladen mit dem etwas aus der Zeit gefallenen Verkaufsraum von den Mallorquinern – besonders den Damen – nach wie vor geschätzt wird, wird bei einem Besuch deutlich. Trotz starken Regens kommen im Minutentakt Kundinnen herein. Eine kauft Handschuhe, die nächste einen Knopf, wieder eine andere ist auf der Suche nach passendem Garn, um die Nähte einer alten Winterjacke zu flicken. „Natürlich sind es meist nur kleine Beträge, die wir mit solchen Verkäufen machen, aber wie sie sehen, kann man davon leben. Noch stehe ich ja hier”, so Aguiló lachend.

Neben Fäden und Knöpfen verkauft er Strickwaren, Geschenk- und Hutband, Sicherheitsnadeln in allen Formen und Größen und besagte Burda-Schnittmuster. In den alten Glasvitrinen liegen aufgerollt und nach Farben sortiert bunte Seidenstoffe. An den Rand der Glasabdeckung hat Aguiló Maßbänder geklebt, mit denen er die Ware abmisst. Aus der hinteren Hosentasche der Jeans des Besitzers, der einen bisweilen über eine strenge Lesebrille anblickt, ragt eine Schere hervor, die er zückt, sobald eine Kundin das Geschäft betritt. „Es stimmt, meist kaufen bei uns Frauen ein.”

„So einen Laden gibt es bei uns nicht mehr”, sei der Satz, den er von Touristen am häufigsten hört, erzählt Aguiló. „Und viele wollen dann ein Foto machen, das freut mich.” Ein bisschen, meint er, fühle er sich wie ein Widerstandskämpfer gegen Großkonzerne und Warenhausketten. „Ich hoffe, dass das noch lange so bleibt. Den Besuchern sage ich, dass ich nicht weiß, wie viele Jahre wir noch durchhalten, aber derzeit läuft es.” Vor zwanzig Jahren hätten bei „Àngela” zwar noch fünf Angestellte gearbeitet. „Heute sind es nur noch mein Mann und ich”, erklärt Ehefrau Esther. „Und es gibt auch bei uns gute und es gibt schlechte Tage, was die Verkäufe angeht, aber wir lieben unser Geschäft. Entweder sind wir einfach nur sehr mallorquinisch oder vielleicht ein bisschen dumm, aber wir werden es nicht aufgeben!”

(aus MM 07/2018)

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