Es war ein spezielles Wochenende für Dieter Norpoth. Mit Freunden feierte der Wahl-Mallorquiner Anfang März in seinen 80. Geburtstag rein. Die Party stieg an der Playa de Palma, wo Norpoth sich seit Jahren zu Hause fühlt. Er hatte seine Gäste ins Deutsche Eck an der Bierstraße gebeten.
„Zum achtzigsten Geburtstag, das erste Ziel wurde erreicht”, war auf der Einladung zu lesen. Und die weiteren Ziele? „Meine Mutter ist 88 geworden. Also habe ich mir gesagt, wenn ich schon 80 werde, dann will ich auch 88 werden”, so der Insel-Resident im Gespräch mit MM. Und es gibt davor noch einen weiteren wichtigen Termin. Im Jahr 2027 wird der FC Unterföhring 100 Jahre alt. Dieses Vereinsjubiläum möchte Norpoth noch miterleben. Immerhin war er mit einer kurzen Unterbrechung von 1985 bis 2001 Präsident des Münchner Fußballclubs und ist heute Ehrenvorsitzender.
Dieter Norpoth unterteilt sein Leben in drei Abschnitte: „30 Jahre Telgte, 32 Jahre Unterföhring und jetzt bin ich seit 18 Jahren hier.” Und daran soll sich auch nichts ändern. Seine Jugend verbrachte Norpoth in Telgte in der Nähe von Münster. Zuerst absolvierte er eine Maurerlehre, dann schickten ihn die Eltern noch zwei Jahre zur höheren Handelsschule. „Dort habe ich sehr viel gelernt”, so das Geburtstagskind in der Rückschau. Später machte er sich selbstständig, im Mittelpunkt seines Schaffens standen Folien für Hausdächer. „Ich hatte 28 Jahre meine eigene Firma.” Und nebenbei ging er in der Arbeit des Sportfunktionärs auf. Schon in Telgte hatte er einen Sportclub gegründet, den er später mit dem Traditionsverein der Stadt fusionierte. Als er dann nach Unterföhring gezogen war, wusste man dort von seiner Vereinserfahrung und fragte ihn, ob er nicht für das Präsidentenamt des FC kandidieren wolle. „Aber da ich ein Saupreiß bin und kein Bayer, war das nicht einfach.” Doch Norpoth holte eine ganz knappe Mehrheit und prägte dann eine Epoche.
Zur Feier des runden Geburtstags flogen einige Familienmitglieder ein. Unter anderem einer, den ältere Sportfans noch heute in guter Erinnerung haben: Harald Norpoth, Dieters zweieinhalb Jahre jüngerer Bruder, der früher als Läufer ein Leichtathletikstar war. Legendär ist sein Auftritt bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio, wo er überraschend die Silbermedaille über die 5000-Meter-Distanz gewinnen konnte. In diesem Jahr findet Olympia wieder in der japanischen Millionenmetropole statt. Ruft das in besonderem Maße Erinnerungen hervor? „Ja, und auch den Gedanken, dass es interessant wäre, dort nochmal hinzufahren. Obwohl vieles anders geworden ist. Das Stadion gibt es nicht mehr. Man gewinnt Abstand”, meint Harald Norpoth, der im August 78 wird. Zwar sei er der Szenerie noch etwas verbunden, er blickt aber kritisch auf das Geschehen. „Der Sport nimmt eine Entwicklung in den geschäftlichen Bereich hinein, alle wollen nur noch daran verdienen. Aber das ist eine Entwicklung der Zeit, damit muss man leben”, meint Harald, der nach dem Erfolg von Tokio noch einige Titel gewinnen konnte, Welt- und andere Rekorde aufstellte sowie 1968 und 1972 erneut bei Olympia war. Auch heute noch wird das Idol von einst zu Sportveranstaltungen eingeladen. „Ich nehme das aber selten wahr. Ich bin ein Typ, der wenn er etwas sieht, verändern und verbessern will. Aber ich habe nicht die Möglichkeit, einzugreifen.”
Nach seiner aktiven Laufbahn gehörte Harald, der lange Jahre Sprecher der Nationalmannschaft war, auch zum Kreis des Nationalen Olympischen Komitees. Doch daran hatte er schon bald kein Interesse mehr, weil die Gestaltungsmöglichkeiten gering waren. Er sah sich eher in der Funktion eines „Feigenblatts”, weil die aktiven Sportler nach außen hin mitsprechen sollten.
Seine Karriere hat Harald 1973 beendet. Später studierte er unter anderem an der Sporthochschule in Köln, wurde Diplomsportlehrer und war Jahrzehnte an der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf tätig. Dass Harald zum Laufstar wurde, hat sich aufgrund seines Talents ergeben. Er selbst macht keinen Hehl daraus, dass er lieber Fußballprofi geworden wäre. „Ja, das stimmt”, bestätigt er und erzählt eine Anekdote: „Nach einem Prominentenspiel hat mir Sepp Herberger einen Brief geschrieben, in dem er meinte, dass aus mir auch ein guter Fußballer geworden wäre ...” Der legendäre Fußball-Bundestrainer, der Deutschland zum „Wunder von Bern”, dem WM-Titel 1954, führte, machte auch den Verband auf Harald aufmerksam und dieser wurde später Fußballtrainer, coachte Teams bis zur Verbandsliga.
Harald lebt immer noch in Telgte. Warum wohnt er nicht wie Bruder Dieter auf Mallorca? „Ich fühle mich zu Hause wohl. Früher war ich oft als Radfahrer auf der Insel. Ich finde schön, dass man ab und zu mal herkommen kann, zum Beispiel, um Dieter zu besuchen. Aber auf Mallorca leben möchte ich nicht.”
Das sieht Dieter, der mit Hündchen Maxi unweit der Bierstraße wohnt, anders. „Ich habe einen großen Freundeskreis, gehe gerne mal am Vormittag auf einen Radler in den Bierkönig, mache Spaziergänge.” Warum ist aus Harald ein Sportstar geworden und aus Dieter nicht? „Wir haben beide in der Jugend Fußball gespielt. Dann hatte ich mit 23 Jahren einen Autounfall, damit war es vorbei und ich habe mich auf die Funktionärstätigkeit konzentriert.” Auch auf Mallorca liebt und lebt Dieter reges Vereinsleben. Vor Jahren gründete er mal einen Radelclub, dann mischte er im deutsch-mallorquinischen Karnevalsverein mit, es gab mal einen Skatclub und auch an den Treffen des mallorquinischen 1860-München-Fanclubs nimmt er teil. „In gewisser Weise bin ich immer aktiv”, meint Dieter, der vier erwachsene Kinder hat und sich früher in Unterföhring auch politisch engagierte.
Dass 2002 die Entscheidung für ein Dasein auf Mallorca fiel, die eigentlich nicht auf „lebenslänglich” angelegt war, hing mit Dieters Ehefrau Ingeborg zusammen. „Sie war krank, und die Ärzte meinten, dass ihr das Klima hier gut bekommen würde.“ Doch Ingeborg verstarb 2006.
Dieter Norpoth blieb der Insel treu und will hier noch möglichst viele Geburtstage feiern. Und dann ist da ja noch das Vereinsjubiläum des FC Unterföhring ...
(aus MM 11/2020)