Temperaturen um die 15 Grad, Sonnenschein und eine leichte Brise. Ideale Bedingungen an der Playa de Palma für einige deutsche Touristen, 50 plus, die im Freien in einem Lokal in erster Meereslinie ihr kühles Bier genießen. In den beiden vergangenen Jahren war das nicht immer selbstverständlich. Denn aufgrund der Auflagen durch die Corona-Pandemie mussten viele Betriebe am sogenannten Ballermann teilweise über viele Monate dichtmachen. Und immer nochkämpfen in der neuralgischen Zone in Arenal viele deutsche Wirte ums Überleben. Hier, wo bereits seit den 1960er und 70er Jahren der Massentourismus fast nonstop boomte, ist eine ganze Branche bis ins Mark erschüttert.
Eine der bekannteste Gaststätten, das Gasthaus „Zur Krone”, ist dort seit 35 Jahren zu finden. Hier gibt es schon frühmorgens das „Desayno Aleman”, ein deutsches Frühstück mit Spiegelei und Würstchen inklusive Meerblick. Und wer möchte, bekommt sogar eine Schutzmaske mit dem „Zur Krone”-Schriftzug als Dreingabe geschenkt. Denn diese Corona-Krise macht auch erfinderisch. So sieht es jedenfalls die Betreiberin Beatrice Ciccardini (66), die das Lokal 2008 übernommen hat. Auch sie musste ihre Gaststätte 2020 aufgrund der Corona-Auflagen der spanischen Regierung für mehrere Monate schließen. Erst danach ging es wieder langsam los mit einem „Take-Away-Verkauf” durchs Fenster. Zwei Köche, zwei Kellner und zwei Barkeeper zählt sie zu ihrem Personal. Um Entlassungen zu vermeiden, wurde der eine oder andere Mitarbeiter zu Beginn der Pandemie in Kurzarbeit geschickt.
Die Traumlage in der Nähe der Playa hat ihren Preis: Zwischen 4000 bis 10.000 Euro müssen die Gastronomen monatlich allein für die Miete aufbringen. Kosten, die sie – falls die Besucher wegbleiben – aus ihren Ersparnissen und Ressourcen aufbringen müssen. Denn die staatlichen Hilfen, so Beatrice Ciccardini, seien doch sehr spärlich geflossen. Ihr einziger Garant für ihr Überleben war ihr gutes Finanzmanagement gewesen, sagt sie. Dazu gehöre auch der feste Vorsatz, nicht „auf Pump” zu leben, wie das bei so manchem Mitbewerber der Fall gewesen sei, so die aus der Schweiz stammende Wahlspanierin. Ein weiterer Grund, warum ihr Gastrobetrieb langsam wieder anläuft, bestehe darin, dass die Besucher der „Krone”sich in Ciccardinis Lokal in Strandnähe sicherer und besser fühlten als in Deutschland.
Auch Gerlinde Weininger zählt hier zu den Urgesteinen unter den deutschen Gastronomen, die hier an der Party-Meile weiterhin die Stellung halten. Betritt man ihr „Münchner Kindl”, so fühlt man sich fast wie in ein Stammlokal nach Oberbayern versetzt. Denn von der deutschsprachigen Bedienung, den Schals und Fanartikeln von deutschen Fußball-Clubs und dem deutschen Fernsehprogramm bis hin zu Schnitzel mit Pommes und Bier wird den Gästen heimatliches Ambiente geboten.
Seit 1988 führt Gerlinde Weininger hier das Zepter. Doch ihr bisheriges Patentrezept, mit dem sie all die Jahre erfolgreich ihr Lokal leitete, scheint jetzt in der Krise nicht mehr auszureichen. Denn auch das „Münchner Kindl” hat durch die Pandemie hohe finanzielle Einbußen erlitten – bis zu 400.000 Euro. Das hat die gebürtige Bayerin umdenken lassen: „Es muss jetzt was Neues her, sodass wir uns von der Konkurrenz abheben können. Es müssen jetzt einfach neue Gerichte und neue Konzepte her.”
Um ihren Gästen etwas Besonderes zu bieten, möchte Weininger eine Diskothek mit Stars aus der Schlagerszene eröffnen. Ein namhafter DJ soll bei der Eröffnung im April auflegen. Die Eintrittskarten hierfür hat sie bereits drucken lassen, und demnächst geht es mit den Renovierungsarbeiten an dem Tanztempel los.
Kaum hundert Meter weiter ist das Lokal „Deutsches Eck” ansässig, das Michael Bohrmann 2004 eröffnete. Auch der für sein unternehmerisches Engagement bekannte Gastronom und seine Partnerin Felicitas klagen über die „Zeit der Dürre”, die die Pandemie mit sich gebracht hat: „Tagsüber haben wir zwar ein paar Gäste, aber abends ist hier kaum Betrieb.” Seit Beginn der Pandemie hatte das Lokal in den vergangenen zwei Jahren bereits dreimal auf unbestimmte Zeit schließen müssen. Allerdings kam Michael Bohrmann mit einem blauen Auge durch die Phase. Er sieht die Situation mit Humor: „Es bleibt nach wie vor spannend. Und zur Not stelle ich mich bei selbst über 40 Grad in die Küche und packe mit an. Welcher Chef macht das schon ..?”, scherzt er.
Nach Lachen war ihm in den vergangenen beiden Jahren nicht immer zumute. „Für einige Kollegen bedeutete die Pandemie das komplette Aus, doch das wird sich dann erst im Sommer zeigen”, resümiert er und fährt mit bestimmter Stimme fort: „Vieles war für mich ein Schock. Einmal wurde hier von den Behörden auf einen Schlag die komplette Bierstraße dichtgemacht. So etwas vergisst man nicht einfach.”
Auf die Staatshilfen habe er freiwillig verzichtet, sagt Michael Bohrmann. Doch bis er finanziell wieder aufholen kann, was er zuvor verloren hat, werden noch Jahre vergehen, versichert der Gastronom.
Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 1000 wird Mallorca vom Auswärtigen Amt seit Weihnachten wieder als Hochrisikogebiet eingestuft – was zur Folge hat, dass viele Urlauber keine Flüge auf die Insel buchen. Das tun sie wahrscheinlich weniger aus Angst vor einer Ansteckung, als vielmehr, um eine drohende Quarantäne zu umgehen, vermutet Bohrmann.
Eines der jährlichen Highlights im deutschen Partytrubel an der Playa de Palma ist der Karnevalsumzug. Gerlinde Weininger zumindest will ihren Gästen ein buntes Programm zur fünften Jahreszeit auf der Insel bieten. Ihr zufolge steht aber noch nicht fest, ob das Rathaus von Llucmajor den diesjährigen Umzug genehmigen wird. In diesen unsicheren Zeiten weiß die Wirtin nur eines: 2022 muss sich vieles, sehr vieles ändern, damit es endlich wieder aufwärts geht.