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Sie nennen es ihr "Dörfchen" – so sieht es im Innern der besetzten Bankfiliale in Palma aus

Einige der jugendlichen Hausbesetzer in der Bankfiliale. | A. Sepúlveda

| Palma, Mallorca |

"Wir sind keine Heiligen, manchmal sündigen wir, aber wir müssen ja irgendwie unseren Lebensunterhalt verdienen", sagt ein Vertreter der jungen Leute, die seit Dezember des vergangenen Jahres eine ehemalige Bankfiliale in Palmas Avenida San Fernando besetzt halten. Vor dem Besuch eines Journalisten-Teams der spanischsprachigen MM-Schwesterzeitung Ultima Hora zeigten sich die Besetzer, die bis dahin recht feindselig waren, plötzlich freundlich. Sie wollen offenbar ihre Version der angespannten Lage in der Nachbarschaft seit ihrer Ankunft erklären. Hier Auszüge aus dem Interview.

Seid ihr straffällig geworden?
Es mag eine gewisse Säumigkeit geben, aber das liegt daran, dass wir nach Geld suchen müssen. Wir sind auf der Suche nach Arbeit und Wohnungen, aber es ist unmöglich geworden. Letztendlich sündigen wir alle, jeder auf eine andere Art und Weise, aber wir wollen niemandem wehtun.

In der einstigen Bank leben regelmäßig acht Personen verschiedener Nationalitäten, die alle sehr jung sind, sie nennen die Räumlichkeiten “el Caserío“, was soviel wie „der Weiler“ oder „das Dörfchen“ heißt. In der Filiale gibt es mehrere Zimmer: ein Esszimmer, ein im Bau befindliches Bad und einen Küchenbereich mit einer kleinen Terrasse. Die Wände sind voll von Zetteln mit Sätzen, die sie selbst geschrieben haben. Schon am Eingang ist der Geruch von Cannabis wahrzunehmen und die Augen einiger von ihnen sind ebenfalls verräterisch.

Und verkaufet Ihr Drogen?
Nein. Dies ist keine Verkaufsstelle für Drogen. Wir sind hierher gekommen, um zu leben, weil wir früher auf der Straße geschlafen haben.

Alberto, wie sich der Vertreter der „Okupas“ nennt, fordert die anderen Bewohner auf, ebenfalls ihre Meinung zu sagen. Einige nehmen das Gespräch sehr ernst, andere können nicht anders, als zu lachen und Gesten in die Kamera zu machen, die von ihren Begleitern aber unterdrückt werden. Während des Gesprächs verstecken sich andere Jugendliche hinter einem Vorhang in einem der Zimmer in der Nähe des Wohnzimmers. Einige der Personen, die diesen Raum aufsuchen, sind minderjährig.

Beherbergt Ihr oft Minderjährige?
Manchmal gibt es einige Minderjährige hier, aus dem einen oder anderen Grund. Einige haben Probleme mit ihren Familien und wollen unabhängig werden. Andere sind mit der Art und Weise, wie sie im Jugendzentrum behandelt werden, nicht einverstanden und verlassen es.

Und wie hat alles angefangen?
Die Bank wurde von einigen Freunden „eröffnet“, die jetzt aber nicht mehr hierher kommen. Das war im Dezember letzten Jahres. Zunächst diente der Ort dazu, sich die Zeit zu vertreiben und nicht auf der Straße in der Kälte zu stehen. Später begannen einige von uns, die obdachlos geworden waren, hier zu schlafen. Von da an begannen wir, uns zu organisieren und die Zimmer aufzuteilen.

Das Problem: Seit die Jugendlichen ins „Dörfchen“ eingezogen sind, ist das Gebiet zu einem Brennpunkt geworden. Schlägereien, Partys, Diebstähle, Geschrei, Drohungen gegenüber den Nachbarn. In dieser Straße in Palma kommt es jetzt regelmäßig zu Polizeieinsätzen. Die Nachbarn sind empört über die Situation und die Spannung in der Avenida San Fernando wächst. In der Tat hat das Thema bereits zu einigen gewalttätigen Vorfällen geführt. Kürzlich verprügelte ein Anwohner einen der Hausbesetzer, nachdem dieser seinen kleinen Sohn vor der Schule verprügelt und ihm eine Jacke gestohlen hatte.

Eure Nachbarn sagen, sie können es nicht mehr ertragen.
Die Lösung der Nachbarn ist immer nur, dass wir gehen sollen. Aber das ist keine Lösung, wir haben das Recht, irgendwo zu leben. Manchmal greifen sie uns an, sie haben Steine auf das Gelände geworfen. Wir würden uns gerne mit ihnen vertragen. Wer will hier weiterleben? Niemand will hier weiterleben. Wir hätten alle gern ein Haus, aber wir haben nicht einmal genug zu essen. Während Sie sagen, wir hätten hier im Luxus gelebt, haben wir hier gehungert.

Es soll hier aber einen Swimmingpool gegeben haben
Mitten im Sommer haben wir einen Plastikpool aus dem Müll geholt. Wir haben ihn am Eingang aufgestellt, aber er war kaputt. Wir haben es nicht einmal geschafft, ihn zu füllen, und da wir wegen der Hitze die Haustür offen hatten, haben die Nachbarn ein Foto gemacht. Früher konnten wir mit einer alten Playstation spielen, um uns die Zeit zu vertreiben, aber jetzt können wir nicht einmal mehr mit unseren Familien sprechen, da der Strom wieder abgestellt wurde.

Ihr hattet den Strom vom Nachbargrundstück angezapft …
Ja, aber das hielt nicht lange an. Alle zwei Wochen kommen sie und stellten ihn ab. Letztendlich wollen wir in Frieden leben. Wir haben deshalb gemeinsam einen Stromgenerator gekauft. Wenn wir Licht haben, versprechen wir, dass wir niemanden stören.

Nach dem, was man im Inneren sehen kann, sieht es nicht so aus, als hätten die Besetzer die Absicht, den Ort in nächster Zeit zu verlassen. Trotz des polizeilichen Drucks, der in den letzten Monaten zugenommen hat, setzen die Bewohner des „Dörfchens“ ihre „Projekte“ fort, um das, was jetzt ihr Zuhause ist, zu verbessern. Im Badezimmer, wo der Stromgenerator untergebracht ist, befindet sich ebenfalls Baumaterial. Vor zwei Wochen verhaftete die Nationale Polizei drei Jugendliche hier, nachdem sie Material von einer Baustelle gestohlen hatten.

Haben ihr gearbeitet oder habt Ihr Aussicht auf Arbeit?
Einige von uns haben in letzter Zeit gearbeitet. Das Problem ist, dass wir keine feste Stelle haben und schließlich in einem normalen Haus wohnen müssen. Sie wissen ja, wie es in Palma zugeht, es ist super schwer, hier eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Das Gespräch auf den Sofas der besetzten Filiale in San Fernando geht zu Ende. Obwohl die Geschichte, die die Hausbesetzer erzählen, versöhnlich klingt, scheint es für die Situation in diesem Teil Palmas keine Lösung zu geben, die alle Parteien zufrieden stellt. Das „Ultima-Hora“-Team verlässt die alte Bank unter den wachsamen Augen einiger Nachbarn, die seit Wochen ängstlich jede Bewegung in der Filiale beobachten.

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