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Sensationsfund auf Mallorca: Wolfgang hatte alle(s) im Blick

Der Fotofraß am Bildrand in der oberen rechten Ecke hat just vor dem Lackhut des Beamten der Guardia Zivil Halt gemacht. Foto: Wolfgang Barnola | Rathausarchiv Alcúdia

| Alcúdia, Mallorca |

Der Fotofraß auf dem Negativ auf Mallorca reicht nahezu bis an den Lackhut des Zivilgardisten, doch dann, so scheint es, hat sich die zersetzende Zerstörung doch nicht an die martialische Kopfbedeckung des Uniformierten herangewagt. Das eindrucksvolle Doppelporträt der beiden Polizisten ist eines von knapp 750 historischen Fotos, die buchstäblich in letzter Sekunde vor ihrer vollständigen Vernichtung gerettet werden konnten. Dank eines Sensationsfundes auf Mallorca.

Die Aufnahmen sind das Werk des deutschstämmigen Fotografen Wolfgang Barnola (1919-1979). Sie lassen seine Wahlheimat im Inselnorden, das Alcúdia der 1950er Jahre, aufleben. Die Aufnahmen zeigen vor allem Porträtfotos von Einzelpersonen, Paaren, Familien und Kindern, jungen Rekruten der Marine, ganz im Stile der Zeit, als man sich für eine einzige Aufnahme im Fotostudio adrett, ordentlich frisiert und im besten Zwirn in Positur setzen ließ, den Blick in die Kamera oder scheinbar entrückt in die Zukunft gerichtet, ein nahezu feierliches Prozedere, bei dem man die Zeit zur späteren Erinnerung und per Momentaufnahme in Schwarz-Weiß festhalten wollte ...

Porträt einer Familie aus dem Inselnorden. Foto: Wolfgang Barnola/Rathausarchiv Alcúdia

Jetzt hat das Rathausarchiv von Alcúdia 304 der Aufnahmen in dem Bildband „Alcudiencs davant en Wolfgang” (Alcudier vor Wolfgang) veröffentlicht. Das Werk wurde Anfang Oktober in dem Dorf vorgestellt. Wie der Archivleiter Antoni Mayol recherchiert hat, war der 1912 in Stuttgart geborene Fotograf um 1950 nach Mallorca gelangt, nachdem er in Barcelona seiner künftigen Ehefrau begegnet war. Es handelte sich um Catalina Cànaves aus Pollença.

Wolfgang Barnola war der Sohn eines Katalanen und einer Stuttgarterin. Sein Vater arbeitete in einem Reiseunternehmen in Württemberg, als er die junge Deutsche kennenlernte. Gemeinsam hatten sie zwei Söhne. Doch der Vater erkrankte bei einer seiner Reisen nach Afrika an einer Tropenkrankheit und starb im Alter von 36 Jahren. Nach dem Ersten Weltkrieg zog die Witwe um 1920 mit ihren kleinen Kindern zu ihren drei Schwägerinnen in das geerbte Haus nach Barcelona, wo Wolfgang Barnola fortan aufwuchs. Dort erlernte er den Beruf des Fotografen. Zuvor hatte der junge Mann während seines Militärdienstes als Krankenpfleger in Armeespitälern in den nordspanischen Regionen Galicien und Kantabrien gearbeitet.

Mit der Kamera im Einsatz auf der berühmten Flaniermeile Rambla in Barcelona, traf Wolfagang Barnola auf die Liebe seines Lebens. Catalina Cànaves war mit Freundinnen von Mallorca nach Katalonien gekommen, um sich die Stadt anzusehen ... Bald schon ließ sich Wolfgang Barnola gemeinsam mit seiner Braut in Pollença nieder, bis er 1955 sein Fotostudio in der Altstadtgasse Colón 6 in Alcúdia eröffnete.

Auf Mallorca porträtierte Wolfgang Barnola neben Einheimischen in seinem Studio auch erste Urlauber im Inselnorden. Dazu suchte er beliebte Lokale wie das Cactus und El Cortijo in Pollença oder die Cova Quintana in Alcúdia auf und lichtete dort die Touristen ab, von denen damals viele noch nicht mit Kamera verreisten.

Junges Paar in den 1950er Jahren. Foto: Wolfgang Barnola/Rathausarchiv Alcúdia

Die Negative hielt Barnola auf kleinen Glasplättchen fest. Diese waren es, die 2018 bei Umbauarbeiten in dem ehemaligen Fotostudio entdeckt wurden. Die in Pappschachteln steckenden Negative hatten länger im Freien gestanden, sodass zirka 70 Prozent der Fotoinhalte unbrauchbar geworden waren. Doch von den erhalten gebliebenen Plättchen konnte der Foto-Fachmann Pepe Cañabate immerhin noch rund 750 Fotos einscannen und abspeichern, die aus den Jahren 1955 bis 1960 stammen.

Diese Aufnahmen bilden den Grundstock des jetzt veröffentlichten Buches. Archivar Mayol hat zudem durch die Befragung der ältesten Dorfbewohner eine Vielzahl der Porträtierten identifizieren können. Das Alcúdia von einst ist dadurch regelrecht bildhaft geworden. Barnola selbst gab das Studio später aus gesundheitlichen Gründen auf. Er starb 1979.

Wie durch ein Wunder erinnern nun seine Aufnahmen und das Buch an sein frühes Wirken. Das Buch selbst ist indes schon vergriffen, sagt Archivar Mayol. Ob eine weitere Auflage erscheint, stehe noch nicht fest.

Weitere Aufnahmen aus dem Vermächtnis von Wolfgang Barnola sehen Sie in der angegliederten Fotogalerie:

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