Es sind diese Blicke, die den unvoreingenommenen Beobachter in den Bann ziehen: Erwacht aus der monatelangen Winterstarre, sitzen einige gerade erst den Zubringerbussen entstiegene deutsche Urlauber auf der Begrenzungsmauer zum Palmira-Strand von Peguera, lächeln scheu, blinzeln und tauen sichtbar auf. Es ist Ostermontag, ja, der Traumurlaub kann endlich beginnen! Während die Feriengäste mit dem warmen Sand noch leicht zögerlich Tuchfühlung aufnehmen, geben sich die endlich in Arbeit gekommenen Kellner, Verkäufer oder Barkräfte ob der herbeigesehnten Kundschaft betont quirlig, frisch und freundlich. Wie das am Anfang einer Saison halt so üblich ist. Manch einer frohlockt mit lauerndem Blick angesichts der erwarteten Urlauberscharen, die von genau jetzt an bis zum Herbst die Insel bevölkern werden. José, ein an der Promenade wirkender Kellner, bringt es auf den Punkt: „Jetzt geht es endlich los!”
Während die wenigen Spanier noch in dickeren Winterjacken unterwegs sind, genießen die fast durchweg leicht bekleideten Bundesbürger aller Altersklassen bei 19 Grad auf der Promenade, dem Strand und dem famosen Boulevard Peguera weißhäutig das grelle Licht. Einige lesen auf Deutsch formulierte Speise- und Trink-Angebote auf Tafeln der Gastbetriebe. Die in Bermudas gehüllte Mechthild aus Hilgen in Nordrhein-Westfalen, vor einigen Stunden aus Düsseldorf eingeschwebt, äußert: „Es ist so schön hier!” Sie haucht es mehr, als dass sie es sonor ausspricht. „Jetzt will ich Sangría trinken.”
Gutbürgerlich-gesetzt geht es in den Restaurants und Bars im Umkreis des Fünf-Sterne-Erwachsenenhotels Secrets-Villamil zu: Rentner mit Hertie- oder Karstadt-Shorts, schnittig-arrivierte Berufstätige mit Dreitagebart und schweigsame Mittvierzigerinnen essen Eis am Stiel, verputzen Würste oder trinken das aktuelle Kultgetränk Aperol Spritz mit Strohhalmen. Etwa sieben Gehminuten entfernt, an der benachbarten Playa Torá, haben in Markenklamotten gehüllte, ebenfalls deutschsprachige Zeitgenossen einige schicke Bars wie „Mar y Mar” oder „La Vida” in Beschlag genommen. Mit Edelsonnenbrillen und Vuitton-Taschen versehen, reden sie so laut, dass die vorbeigehenden "Hinzens und Kunzens" vom Nachbarstrand unwillkürlich zu ihnen aufblicken müssen. In Blickweite der Schickilokale geht es im „Schwarzwaldcafé” eher gemütlich zu, wiewohl der Daiquiri und die Piña Colada jeweils 8,90 Euro kosten. In Steinwurfweite, wo die deutschlandweit bekannte Auswanderin Marion Pfaff in „Krümels Stadl” seit Jahren das Zepter schwingt, wird Bier für den mutmaßlich langen Abend angeliefert.
Peguera ist bekanntlich seit Jahrzehnten der Sehnsuchtsort derer, denen die Playa de Palma zu ordinär ist. Hier wird erdverbunden bis schick Streuselkuchen wie bei Oma Helga gegessen, dass abends irgendwo der „Tatort” läuft, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Die Gemütlichkeit mit modisch-hippen Einsprengseln und einer Prise leicht derber Kost in Gestalt von Gesangsauftritten wie bei Krümels Stadl sind die Mixtur, die aus dem deutschesten aller Ferienorte auf Mallorca eine Bühne angenehm verdaubarer Bürgerlichkeit im Brennglas machen. Ein Paradies, das nach Omas Gardinen, Bratwurst, aber auch nach feinem Parfüm riecht.