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Mallorcas Zukunft

Klimawandel, Wohnungsnot, Exzesstourismus: Das sind die drängendsten Probleme auf Mallorca

MM wagt einen Blick in die Zukunft. Welches sind die größten Probleme der Insel und wie könnten ihre Lösungen aussehen?

Auf Mallorca gibt es viele Zukunftsfragen, die in den kommenden Jahren gelöst werden müssen. | Archiv

| Palma, Mallorca |

Viele Menschen machen sich Gedanken um die Zukunft. Was mag sie bringen? MM hat sich die Frage gestellt, wie die Zukunft von Mallorca aussehen mag. Die Herausforderungen, die in den kommenden Jahrzehnten auf die Insel zukommen, sind vielfältig. Vor allem der Klimawandel wird zu grundlegenden Veränderungen führen. Antworten aber werden auch in anderen Bereichen gesucht. Was sind die Grenzen des Tourismus? Wie kann die Wirtschaft vielfältiger werden? Gibt es eine Lösung für das Wohnungsproblem? Wie gelingt die Energiewende?

Als die derzeitige balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens kürzlich dazu befragt wurde, welches ihrer Meinung nach die drängendsten Probleme auf den Inseln seien, da nannte sie an erster Stelle die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt. „Eine Bleibe zu finden, ist nicht mehr nur ein Problem für einkommensschwache Familien, sondern zunehmend auch für die Mittelschicht”, sagte sie der Tageszeitung „Ultima Hora”.

Tatsächlich hat die sich immer weiter drehende Preisspirale auf dem Immobilienmarkt dazu geführt, dass Normalverdiener zunehmend Probleme haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Für Generationen von Mallorquinern war es vollkommen normal, sich im Laufe ihres Erwerbslebens zumindest eine Immobilie zuzulegen, die nicht nur als Erstwohnung diente, sondern gleichzeitig auch als Altersvorsorge. Spätestens seit 2008 die Immobilienblase platzte und die Banken infolgedessen die Kreditvergabe wesentlich strenger handhabten, kommt ein Wohnungskauf für viele Inselbewohner schlicht nicht mehr infrage. Angesichts der vergleichsweise niedrigen Löhne auf der Insel sind die aufgerufenen Preise nicht mehr zu bezahlen.

Auch die Lage auf dem Mietmarkt ist äußerst angespannt, insbesondere in Palma. Die wenigen angebotenen Wohnungen sind für Normalverdiener geradezu unerschwinglich. Dabei scheint es an Wohnraum eigentlich nicht zu mangeln, viele Eigentümer aber wollen nicht vermieten. Das veraltete Mietrecht in Kombination mit langsam arbeitenden Gerichten führt dazu, dass die Vermieter ihre Rechte nicht gewahrt sehen und ihre Immobilien lieber leerstehen lassen – oder an Touristen vermieten. Das Verbot der Ferienvermietung in Palma hat keine Lösung gebracht.

Ein Teil des Problems ist zweifellos der Mangel an Bauland – kein Wunder auf einer Insel, deren Territorium nun einmal begrenzt ist. Dazu kommt, dass eine klare Wohnungsbaupolitik in den vergangenen Jahren gefehlt hat. Weder setzte man gezielt auf den sozialen Wohnungsbau, noch lockerte man die Bauvorschriften, um etwa kleinere Wohneinheiten oder höhere Gebäude zu ermöglichen. Vielmehr wurde die bebaubare Fläche noch weiter reduziert. Für die Immobilien- und Baubranche ist das Niedrigpreissegment angesichts dieser Verhältnisse schlicht und einfach nicht lukrativ.

Ob die nun beschlossenen Maßnahmen der Regionalregierung greifen, bleibt abzuwarten. Diese hatte zuletzt etwa Steuererleichterungen für Vermieter eingeführt. Außerdem können nun unter bestimmten Umständen Ladenlokale zu Wohnungen umgewidmet sowie Wohngebäude um weitere Etagen aufgestockt werden. Das Angebot von bezahlbarem Wohnraum könnte dadurch steigen, so das Kalkül. Die Nachfrage wird ganz gewiss hoch bleiben.

Denn Mallorca gehört zu den spanischen Regionen mit der höchsten Anziehungskraft. Das gilt nicht nur für wohlhabende Mittel- und Nordeuropäer auf der Suche nach sonnigem Klima, sondern auch für ganz normale Arbeitnehmer auf der Suche nach Jobs. Und so wächst die Bevölkerungszahl der Insel stetig. Daten des spanischen Statistikamtes zufolge könnte die Bevölkerungszahl Mallorcas innerhalb der nächsten drei Jahre die Millionengrenze überschreiten. Im Jahr 2007 waren es noch weniger als 800.000.

Mallorca erlebt also einen ganz besonderen demografischen Wandel. Dieser führt nicht wie vielerorts in erster Linie zu Überalterung und Rückgang der Bevölkerung. Stattdessen wächst beispielsweise der Druck auf die Infrastruktur, die permanent der wachsenden Einwohnerzahl angepasst werden muss. Gut zu sehen ist das unter anderem am Wohnungsmarkt, an der Wasserver- und -entsorgung, an den vollen Stränden im Sommer und am überlasteten Straßennetz.

Letzteres belegt Tag für Tag eindrucksvoll, dass die Verkehrswende auf Mallorca noch längst nicht gelungen ist. Das Auto hat nach wie vor meist Vorfahrt auf der Insel, der öffentliche Nahverkehr müsste massiv ausgebaut werden, um eine echte Alternative darzustellen. Das Problem in diesem Bereich: Es herrscht kein Konsens zwischen den Parteien und so gibt es keine einheitliche Vorgehensweise. Derzeit setzt der Inselrat eher wieder verstärkt auf den Ausbau des Straßennetzes, um des stetig wachsenden Verkehrsaufkommens Herr zu werden.

Allerdings hat die demografische Entwicklung auf der Insel auch ihr Gutes. In anderen Regionen Spaniens etwa gibt es geradezu entvölkerte Landstriche, in denen kaum noch wirtschaftliche Aktivität möglich ist und deren letzte verbliebene Einwohner zunehmend auf sich alleine gestellt sind. Zahlen einer kürzlich vorgestellten Studie ergaben, dass die Balearen die einzige Region Spaniens sind, deren Rentensystem nicht defizitär wäre, sollte es eigenständig funktionieren müssen. Sprich: Nur hier übersteigen die Einnahmen der Sozialversicherung die Ausgaben. Das liegt der Studie zufolge unter anderem daran, dass der Anteil der Über-65-Jährigen auf den Balearen besonders gering ist. Auf jeden Rentner kommen 2,4 Beitragszahler – mehr als in fast allen anderen Gegenden Spaniens.

Über die Grenzen des Wachstums aber wird man sich auf Mallorca dennoch Gedanken machen müssen in den nächsten Jahren. Das betrifft vor allem den Tourismus. Zumindest in den Sommermonaten kommt man nicht umhin, die Massifizierung der Insel festzustellen. Zwar herrscht bereits seit längerer Zeit weitgehend Konsens darüber, dass ein weiteres Wachstum der Urlauberzahl hier nicht möglich ist, doch es fehlt Einigkeit in der Frage, wie sich die Touristenströme besser steuern lassen. Solange die Zuständigkeit für Flughäfen und Häfen weiter bei der Zentralregierung in Madrid liegt, hat die Regionalregierung auf den Balearen praktisch keinerlei Handhabe, um tatsächlich regulierend einzugreifen.

Die bisherigen Bemühungen jedenfalls hatten nicht den gewünschten Effekt. Zwar dürfen aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung mit den Reedereien seit Anfang 2023 nur noch drei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen von Palma festmachen. Auswirkungen auf die Passagierzahlen aber hat das nur begrenzt. Im vergangenen Oktober zum Beispiel zählte die Hafenbehörde in Palma 273.315 Kreuzfahrtpassagiere – praktisch genauso viele wie im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 (279.338).

Eine Möglichkeit, auf die Besucherzahl einzuwirken, ist die Übernachtungssteuer. Auf ähnliche Weise versuchen auch andere massentouristische Destinationen wie Venedig oder Barcelona, des Ansturms Herr zu werden. In der katalanischen Hauptstadt etwa werden künftig bis zu sieben Euro pro Nacht fällig. Auf Mallorca sind es in der höchsten Sternekategorie derzeit maximal vier Euro. Hier ist also durchaus noch Luft nach oben. Ob eine solche Maßnahme aber durchzusetzen wäre, erscheint fraglich, angesichts des ohnehin schon immensen Widerstands gegen die Abgabe insbesondere unter den Hoteliers.

Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, wie Mallorca künftig mit dem klassischen Partytourismus umgehen möchte. Zwar beteuern Politiker aller Parteien, die Insel brauche einen grundlegenden Imagewandel, und für Exzesse, wie sie etwa an der Playa de Palma immer wieder vorkommen, gebe es keinen Platz mehr. Dann gibt Mallorcas Partymeile Nummer eins aber doch Jahr für Jahr wieder das gleiche Bild ab. Die ganz große Entschlossenheit, dem Treiben dort ein Ende zu setzen, fehlt – sowohl bei den politischen Entscheidungsträgern, als auch bei den lokalen Geschäftsleuten.

Dass es keine klare Strategie gebe, die konsequent verfolgt würde, beklagen auch Vertreter solcher Branchen, die zwar zukunftsträchtig sind, bislang aber ein Dasein im Schatten der alles dominierenden Tourismuswirtschaft fristen. Dabei hat die Corona-Pandemie eindrucksvoll belegt, wie anfällig Mallorca durch die Abhängigkeit vom Geschäft mit den Urlaubern ist: Ein Großteil der Aktivität auf der Insel kam über Monate zum Erliegen. Nicht erst seitdem mehren sich die Stimmen, die eine stärkere Diversifizierung der Wirtschaft fordern, wenngleich praktisch niemand die dominierende Position des Tourismus ernsthaft infrage stellt. Wahr ist aber auch, dass eine langfristig angelegte Strategie, bestimmte Nischenbranchen wie etwa die neuen Technologien gezielt zu fördern, bislang nicht zu erkennen ist.

Das ist auch insofern problematisch, als die Insel zu den Weltgegenden gehört, die vom Klimawandel besonders betroffen sein werden. Vor allem der prognostizierte Anstieg des Meeresspiegels wird nicht nur weite Bereiche von Mallorcas Küste nachhaltig verändern, sondern könnte auch das touristische, auf Strand und Sonne basierende Modell ins Wanken bringen. Zumal den Mittelmeerraum zunehmend extreme Hitzewellen heimsuchen, wie es sie etwa in diesem Sommer gegeben hat. Wann das erträgliche Maß hier überschritten wird, ist schwer zu prognostizieren. Die Anpassung an die Klimawandelfolgen aber gehört fraglos zu den Bereichen, in denen auf Mallorca große Herausforderungen zukommen.

Etwa beim Thema Trinkwasserversorgung, die auf Mallorca ohnehin problematisch ist. Der Bedarf übertrifft hier die natürlichen Ressourcen bereits seit vielen Jahren. Lediglich Entsalzungsanlagen kaschieren das Problem einigermaßen, das durch eine Verringerung der in die Trinkwasservorkommen eindringenden Niederschläge nun noch verschärft wird. Vor allem für die maroden Leitungsnetze, aus denen enorme Mengen Wasser ungenutzt in den Boden sickern, und den sinkenden Grundwasserpegel zeichnen sich keine Lösungen ab.

Immerhin langsam voran geht es derweil bei der Energiewende. Zwar ist der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion auf den Inseln weiterhin vergleichsweise gering, es gab zuletzt aber einige Anstrengungen, die Bilanz in diesem Bereich zu verbessern. Allerdings ist die Zurückhaltung bei der Installation von Fotovoltaikanlagen zur Eigennutzung trotz vielfältiger Subventionsmöglichkeiten weiterhin augenfällig. Ohnehin wird es ohne große Solarparks auf dem Land nicht gelingen, den Energie-Bedarf der Insel aus erneuerbaren Energien zu decken. Diese Anlagen aber sind umstritten, unter anderem, weil so landwirtschaftliche Nutzfläche verloren geht. Gleichzeitig sind potenzielle Energiequellen wie die Wind- und Wellenkraft noch vollkommen ungenutzt auf Mallorca.

Auf die Insel und ihre Bewohner kommen also große Herausforderungen zu, so viel steht fest. Das weiß auch Ministerpräsidentin Marga Prohens, die einräumt, dass es Lösungen für die vielfältigen Probleme nicht von heute auf morgen geben wird. „Ich habe keinen Zauberstab”, sagt sie. Und so bleibt abzuwarten, wie es gelingen kann, die Insel fit zu machen für die Zukunft.

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