Vielleicht ist es die nostalgische Rekonstruktion einiger weniger Oasen aus einer 30 Jahre zurückliegenden Welt an der Playa de Palma, die der Neu-Gastronom Carlos Lucio mit seinen beiden Lokalen "Et Dömsche" und "Sommerland" in der "Bierstraße" nachzubilden versucht. Denn damals, als der 44-jährige in Arenal und an der besagten Urlaubermeile aufwuchs, wurde Mallorca nicht beinah täglich durch negative Schlagzeilen von Exzess-Touristen, die sich daneben benehmen, erschüttert, wie er sich zurückerinnert: "Der Ballermann war schon immer eine Vergnügungsmeile. Die Leute kommen hierher, um Spaß zu haben, wobei in meinen Augen auch der Genuss eines Bierchens in Ordnung ist." Doch in dem Moment, wenn sich Alkohol mit grobem, unzivilisiertem Verhalten paart, könnten schnell Grenzen überschritten werden, erklärt Lucio im Gespräch mit MM.
Im Juni vergangen Jahres kündigte der Mallorquiner plötzlich und unerwartet seinen Posten als Megapark-Direktor, den er seit 2016 innehatte. Dem folgten Monate beruflicher Neuorientierung, in denen er als Geschäftsführer des Speditionsunternehmens Rolf Benzinger auf Mallorca für den Logistikbereich auf den Balearen zuständig war. Doch dieser trockene Schreibtisch-Job war für den studierten Volkswirt nicht das richtige, wie er verriet: "Ich habe mich nicht wirklich wohlgefühlt bei dieser Tätigkeit, einem 9-to-5-Job am Computer. Eigentlich habe ich das fröhliche Party-Ambiente an der Playa de Palma und diesen direkten Draht zu den Urlaubern und Gästen vermisst", so der Neu-Gastronom.
Über seinen Bekanntenkreis habe er daraufhin erfahren, dass die Möglichkeit bestanden hätte, das in der "Bierstraße" gelegenen Lokal "Et Dömsche", was auf Deutsch "der kleine Dom" bedeutet, zu übernehmen. Der frühere Inhaber des beliebten Lokals, Uli Rohkst, war bereits 2019 verstorben und das Etablissement wurde in der Zwischenzeit von einem seiner Söhne weitergeführt. Darüber hinaus kaufte Lucio auch das direkt gegenüberliegende ehemalige Lokal "Dings" auf, das er derzeit komplett renoviert und umgestalten läss.
Angst, dass die berufliche Tätigkeit zeitlich überhandnimmt, was einer seiner Kündigungsgründe beim Partytempel Megapark war, hat er jedoch nicht: "Diesmal bin ich Chef und Manager zugleich und habe hier das Sagen. Im Megapark hatten wir 19 Stunden täglich geöffnet, hier werden es nur zwölf sein."
Beim MM-Besuch am Freitag, 15. März, dem Tag der Neueröffnung des "Et Dömsche" sind unter den zahlreichen spanischen und deutschsprachigen Besuchern auch die Schlagersänger und Partykanonen Tim Toupet, Julian Sommer und Isi Glück, mit der Lucio seit November 2019 verheiratet ist, zugegen. Auf großen LED-Flachbild-Fernsehern werden hier Fußball-Spiele des TV-Senders Sky übertragen, aus den Lautsprechern erschallt Schlagermusik, es herrscht allgemein eine gute Stimmung. Kulinarisch setzt Lucio in seinem Lokal auf traditionell deutschen Gerstensaft, serviert wird vor allem Bitburger und Reissdorf Kölsch. "Besäufnisse soll es hier nicht geben, wir. Die Gäste sollen in meinen Lokalen ein kühles Bier in einem gepflegten Ambiente genießen, es handelt sich daher vielmehr um qualitativ hochwertigen Freizeitgenuss", erklärt Lucio, der in jungen Jahren jahrelang in der Hotel-Branche arbeitete. Am Eröffnungstag des "Et Dömsche" weist Lucio seine neun Kellner und Serviererinnen in fast perfektem Deutsch noch selbst an und gibt ihnen Anweisungen, danach soll das die Service-Leiterin übernehmen.
Als ein dunkelhäutiger, afrikanischstämmiger Straßenhändler mit seinen Sonnenbrillen, Taschen und Gürteln versucht, das "Et Dömsche” zu betreten, steht Lucio sofort auf und verwehrt ihm eigenhändig den Zutritt. Auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite, im ehemaligen "Dings", das noch einer riesigen Baustelle gleicht, sorgt der Gastro-Chef höchstpersönlich für Ordnung."Wir haben sieben LKW-Ladungen voller Schrott wegtransportiert und nun konstruiere ich das Lokal komplett um. Für den Ausbau der Bars und der Technikanlagen habe ich Handwerker aus Deutschland kommen lassen." Am 15. April, der auf den Geburtstag von Carlos Lucios fällt, soll der Biergarten unter dem Namen "Sommerland" eröffnet werden. "Ich bin auf diesen Namen 2019 bei einem Besuch in Deutschland gestoßen, da eine Gemeinde in Schleswig-Holstein so heißt. Es symbolisiert für mich Freiheit und ein Urlaubsgefühl."