Es ist Sommer und die Menge grölt: „Layla, sie ist schöner, jünger, geiler!” Das ist die Welt des Party-Schlagers. Der Refrain ist wichtiger als die Strophe, und der Alkoholpegel höher als der Anspruch.
Der Partyschlager, oft abschätzig belächelt, ist ein Massenphänomen. Er ist aus der deutschen Feierkultur nicht wegzudenken. Noch mehr: Er ist ein zentraler Bestandteil. Stars wie Ikke Hüftgold, Mickie Krause, Lorenz Büffel oder Mia Julia sind nicht bloß Stimmungsmacher in Flipflops, sie sind die Hohepriester der kollektiven Eskalation, und der Pauschalurlaub wird zur Pilgerreise.
Außerdem ist es längst ein Riesengeschäft: Die Branche generiert in diesem Segment jährlich über eine halbe Milliarde Euro Umsatz, mit fünfstelligen Gagen für einen halbstündigen Auftritt. Da reiben sich so manche Vertreter der musikalischen Hochkultur staunend wie ratlos die Augen. Was Goethe für Weimar war, ist Mickie Krause für die Playa de Palma, wobei die Reimqualität von den Massen gern auf dem Altar der Feierlaune geopfert wird.
Und der Quellursprung des Liedguts für den enthemmten Frohsinn? Nicht das Münchner Oktoberfest, nicht der rheinische Karneval, kein Schlagerfestival an Nord- oder Ostsee, sondern: Mallorca. Warum gerade hier?, mag man sich fragen. Kein anderer Strand als die Playa de Palma mit Locations wie dem Megapark, Bierkönig oder dem Oberbayern hat sich seit den 1990er Jahren derart als Party-Marke etabliert. Zum „Ballermann” gibt es nichts Vergleichbares. Hier ballt sich deutsche Feierfreude mit Resistenz gegen jedwede Peinlichkeit zusammen, wie nirgendwo sonst.
Mallorca bietet das perfekte Biotop für den Partyschlager: Sonne satt, Partytempel mit Alkohol im Überfluss, und ein Publikum, das viel mehr Lust auf „Zehn nackte Friseusen” hat als auf feinsinnige Lyrik in anspruchsvollen Kompositionen. Hier werden aus simplen Reimen Sommerhymnen.
Die Playa ist ein ganzjährig bespielter Showroom der Partyschlager-Industrie. Neue Songs werden hier „getestet”. Das Publikum ist gnadenlos ehrlich. Wer es hier schafft, schafft es auch auf jeder deutschen Kirmes oder Après-Ski-Party.
Kritiker werfen dem Genre neben musikalischer Anspruchs- wie Geistlosigkeit vor allem auch Sexismus und eine gewisse Nähe zur Verherrlichung maßlosen Alkoholkonsums vor. Aber aus Sicht der Künstler und ihrer abertausenden Fans ist der Partyschlager vor allem eines: die Möglichkeit, den Alltag weit hinter sich zu lassen, Ängste und Sorgen zu vergessen und die Leichtigkeit des Seins mit Gleichgesinnten im Hier und Jetzt zu spüren. Das mag etwas pathetisch klingen, aber vielleicht steckt in diesem „Ballermann-Gefühl“ mehr Tiefe, als es viele wahrhaben wollen.
In einer Welt, die immer komplizierter wird, bietet der Partyschlager eine einfache Antwort: Feiern, singen, Spaß haben. Ob das nun kulturell wertvoll ist oder nicht, kann man diskutieren, dass der Partyschlager gekommen ist, um zu bleiben, aber nicht. Er ist da, stets mit einem Lächeln, einem Bier in der Hand und einem Refrain, der selbst nach Tagen noch im Ohr klingt und das schöne Gefühl wach hält, das er ausgelöst hat. Mallorca und der Partyschlager – das ist nicht nur eine Insel und eingängige Musik. Das ist ein Zustand.
Über Christian Sünderwald
Der Autor, Jahrgang 1968, ist Kunst- und Architekturfotograf, Essayist und Publizist. Er lebt in Chemnitz und Palma. Weitere Essays, Fotobände und Bücher von Christian Sünderwald wie etwa den Roman „Die Spur der Ratten” finden Sie unter suenderwald.de