Zwei Mal im Jahr stellen sich die Mallorquiner um. "Da könnte man an Sommer- oder Winterzeit denken", sagt Manolo Pinteno, früher Inhaber einer Bar in Galilea und Kenner der hiesigen Küche. "Aber es geht um Speisen und Gerichte, um das jahreszeitlich gebundene Angebot auf den Märkten. Der Herbst ist für die heimische Küche die interessanteste Jahreszeit."
Ein Bummel über die Märkte in Palma beweist es. Selten - außer für einige Monate im Frühjahr - ist das Angebot so groß, so verlockend, so bunt wie jetzt. Vorbei sind die Zeiten von Gazpacho und Trampó, von Fleisch oder Fisch vom Grill. Salat ist jetzt kaum mehr ein sommerliches Hauptgericht, sondern Beilage. Und die Eintöpfe haben Hochsaison.
Mallorquinische Eintöpfe zeichnen sich durch folgende Kriterien aus: Man verwendet oft mehrere Fleischsorten, ähnlich wie in Frankreich beim "Pot au feu" oder beim italienischen "Bollito misto": "Man kann viele Fleischsorten nehmen", erläutert Pinteno. "Huhn oder Truthahn mit Rind, Kaninchen und Huhn oder anderes Geflügel wie Wachteln, Perlhühner oder Schnepfen. Alles wird mit Schweineschmalz zubereitet, was aber nicht sein muss, wenn man den Eintopf etwas leichter und gesünder haben möchte."
Dazu kommen viele verschiedene Gemüsesorten: Möhren, Lauch, Erbsen oder Zuckererbsen, Sellerie - dabei verwendet man sowohl die Wurzel als auch das Grün - Blumenkohl und Mangold.
Werden Hülsenfrüchte verwendet, gehört auf Mallorca fast immer Schweinefleisch dazu. Damit werden die Gerichte nicht gerade kalorienarm. Offenbar ist die traditionelle mallorquinische Küche gerade im Winter immer noch für Menschen gedacht, die den ganzen Tag schwere körperliche Arbeit leisten. Allerdings sind sich die progressiven und innovativen Köche dieser Tatsache bewusst und bereiten die alten Gerichte auf leichtere Weise zu.
Grün ist auf jeden Fall die vorherrschende Farbe. Pinteno schwört auf grünen Spargel, am besten selbst gesucht, er ist jetzt nach den ersten Regenfällen auch auf den Märkten zu finden. "Am besten schmeckt er mit Rühreiern, aber auch als Beigabe zu Eintöpfen, zum ,Arroz brut'. Dieser Reiseintopf mit den Gemüsen der Saison samt Huhn und einem Kaninchen erhält durch Spargel einen besonderen Touch."
Grün in allen Schattierungen sind auch die verschiedenen Salatsorten. Die Zeiten, da man hierzulande "nur" den alt bekannten länglichen Lattich (Lechuga) bekam, sind nämlich längst vorbei. Im Angebot sind "cogollos", die kleinen, pikant schmeckenden Herzen des Lattich, außerdem Eichblattsalat, Lolorosso, auch Kopfsalat ist knackig und frisch.
Sattes Grün hat auch der Brokkoli vorzuweisen. Der ist zwar kein typisch mallorquinisches Gemüse, aber dafür längst in Haushalten und in Restaurants gut vertreten.
"Wichtig im Herbst ist der Sofrito mit Lauch oder frischen Zwiebeln", sagt Pinteno. "Daraus kann man viele verschiedene Saucen bereiten: von der Beilage zu geschmortem Lamm bis zur Gemüsesuppe oder als Basis für eine Fischsuppe. Die Zutaten bleiben immer gleich: Lauch oder Frühlingszwiebeln, grüne Paprikaschoten, Tomaten, Knoblauch und glatte Petersilie, alles angeschmort in Olivenöl und mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt."
Die besten Artischocken auf Mallorca kommen aus der Gegend von Sa Pobla, wo die dekorativen Sträucher oft als Begrenzung der Felder angepflanzt werden. Dann bekommen sie noch einen Teil der Bewässerung mit. Man verwendet die kleineren Exemplare hierzulande ebenfalls im "Arroz brut". Oft sind Artischocken auch in der Paella zu finden. Sie geben jedem Gericht einen bitteren Touch. In der feineren mallorquinischen Küche werden sie gerne gefüllt, mal mit Gambas, mal mit Hühnerfleisch.
Die in Kohl eingewickelte Schweinelende - "llom amb col" - gehört zu den Küchenklassikern der Insel. Sie wird traditionsgemäß mit Wirsingkohl gemacht, dazu kommen Zwiebeln, Knoblauch, Schweineschmalz, Tomaten, Pfeffer, Thymian und Majoran, Pinienkerne, Rosinen und etwas Butifarró, Blutwurst.
Die Hochsaison der Kohlköpfe hat gerade erst begonnen: Weißkohl, Grünkohl und Wirsing sind schon auf den Märkten zu finden. "In einigen Wochen, wenn die Temperaturen weiter gesunken sind, schmeckt der hiesige Kohl noch besser", sagt Pinteno. "Kohl ist die wichtigste Zutat für die ,Sopes mallorquines'." ("Sopes" sind getrocknete, kleine Brotscheiben, die mit Fleischbrühe, Kohl und anderen Gemüsen gekocht werden).
In voller Pracht stehen jetzt auch Auberginen, sowohl die ganz dunklen als auch die weißen. Auberginen werden meist mit Knoblauch und Tomaten kombiniert.
Kartoffeln spielen natürlich auch eine wichtige Rolle auf dem mallorquinischen Speisezettel. Sie sind unverzichtbarer Bestandteil für Eintöpfe wie "Frit Mallorquí", das mit Innereien vom Schwein oder Lamm sowie den Gemüsen der Saison bereitet wird. Oder für das "Tumbet", ein Gericht aus den genau jetzt frischen Gemüsen - Tomate, Paprikaschoten, Auberginen, Zucchini - und Kartoffeln, die alle einzeln gegart und später zusammengefügt werden.
Auch Mallorcas Nationalgericht, das "pa amb oli - Brot mit Öl", kann jetzt ordnungsgemäß zubereitet werden. Die dafür gut geeigneten "Tomatigues de Ramillet", jene Sorte mit der dicken Schale, mit denen man das Brot einreibt, sind jetzt wieder zu haben.
Das Marktangebot erlaubt zurzeit herbstlich angemessenes und vielfältiges Kochen - zu sehr bezahlbaren Preisen, denn der Bärenanteil der Gemüse stammt aus mallorquinischem Anbau. Außer man legt Wert auf feine, grüne Bohnen oder Zuckererbsen.
Bald kommen denn auch die Genüsse der Schlachtfeste und der Jagd ins Spiel. Und die Pilze sprießen bereits. Noch sind die echten "Esclatasangs" noch recht teuer, aber wenn das Wetter warm und feucht bleibt, wird das Angebot bald noch größer und die Preise hoffentlich fallen lassen. Der Herbst ist zumindest auf Mallorca die Zeit der Völlerei.