MM: Herr Ministerpräsident Beck, lieben Sie
Poolspiele?
Kurt Beck: Nein, eigentlich nicht.Ich gehe gerne schwimmen und
liebe vor allem Spaziergänge am Strand, aber für Poolspiele kann
ich mich nicht begeistern.
MM: Kann es sein, dass Sie die Frage falsch interpretiert
haben?
Beck: Ich kann mir nach der Affäre meines Kollegen Scharping
einigermaßen vorstellen, was der Hintergrund Ihrer Frage ist. Aber
ich bleibe bei meiner Antwort.
MM: Sie waren einige Jahre nicht mehr im Urlaub auf Mallorca.
Warum sind Sie dieses Jahr wiedergekommen?
Beck: Das hat zwei Gründe. Meine Frau fliegt erstens nicht gerne
sehr weit. Und die Insel ist sehr schön, das habe ich jetzt wieder
bestätigt gefunden. Wir mieteten ein paar Tage ein Auto und ließen
uns damit ein bißchen treiben. Es ist wirklich eine sehr schöne
Insel.
MM: Waren Sie mal in Bulgarien im Urlaub?
Beck: Nein, ich war noch nicht in Bulgarien im Urlaub. Ich denke,
sie spielen dabei auf die Diskussion um die Ablösung Mallorcas
durch Bulgarien an. Und ich muss sagen, ein gewisses Verständnis
für die Diskussion habe ich hier gewonnen. Denn bei aller Schönheit
der Insel stößt man doch häufig auf Nepp. Es wird an einigen
Stellen so maßlos überzogen, dass man sich ausgenommen fühlt.
MM: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Beck: Ich will jetzt keinen Einzelnen ansprechen. Aber
beispielsweise kostet der Eintritt zu einem wirklich nicht
besonderen Denkmal neun Euro pro Person. Mir tun die neun Euro
nicht weh. Aber wenn man zwei, drei Kinder dabei hat, muss man sich
fragen, ob da die Grenzen nicht weit überschritten werden. Solche
Dinge meine ich, und das spürt man an vielen Stellen, wie auch an
Strandbars, wo man für ein Bier bis zu sechs Euro zahlt. Da sind
die Grenzen einfach überschritten.
MM: Wie lief das mit der Ökosteuer in Ihrem Urlaub ab? Sind
Sie damit einverstanden?
Beck: Zunächst habe ich dagegen keinen Einwand, wenn das Geld
wirklich in ökologische Projekte auf der Insel gesteckt wird. Dann
habe ich für die Regionalregierung Verständnis. Uns konkret wurde
an der Rezeption gesagt, wenn wir genug Umsatz machen, wird sie uns
erlassen.
MM: Was für einen Eindruck hat man in den letzten Monaten in
Deutschland von Mallorca bekommen? Ist der Ruf tatsächlich so
schlecht?
Beck: Es ist eine ziemlich negative Diskussion geführt worden, und
damit meine ich nicht nur die Boulevardzeitungen, sondern auch, was
man beispielsweise in Reiseberichten liest. Und ich habe wie immer
ein gemischtes Bild hier vorgefunden. Es ist ein deutliches Gefälle
beispielsweise in der Gastfreundlichkeit gegenüber den Kanarischen
Inseln festzustellen.
MM: Da klingt etwas Enttäuschung mit.
Beck: Da ist ein bißchen Enttäuschung dabei. Ich bin niemand, der
seine Koffer nicht selbst tragen kann, mir macht das überhaupt
nichts aus. Aber wenn man in einem 5-Sterne-Hotel bei Regen
ankommt, und es dauert sehr lange, bis man die Koffer selbst in die
Halle getragen hat, dann fragt man sich schon, wie es um die
Gastfreundschaft und den Service steht. Ich würde es als Gastgeber
eines Hauses nicht darauf ankommen lassen, man will ja schließlich,
dass die Leute wiederkommen. Dem stehen Einzelerfahrungen mit
Servicepersonal gegenüber, das ungeheuer bemüht ist. Aber ich habe
an vielen Stellen auch den Eindruck, dass es einfach auch an der
Ausbildung fehlt, da ist oft gar keine Böswilligkeit dabei.
Allerdings schlägt sich das in einer Atmosphäre nieder, die einem
das Gefühl gibt, das ist nicht wirklich gastlich, es fehlt dieser
letzte Tick, freundlich aufgenommen zu werden. Die Leute sollen ihr
Geld verdienen, und für gute Leistung muss man ordentlich Geld
bezahlen. Auf der einen Seite sind die Preise aber einfach
überzogen, das muss man klar sagen. Und auf der anderen Seite
begegnet man immer wieder einem Maß an nicht ausreichender
Gastlichkeit. Und das stört, ich höre das von einer ganzen Reihe
von Leuten, ich persönlich bin da nicht besonders empfindlich.
MM: Sie gelten ja als sehr bürgernah. Ist das der Grund,
warum sie mit Ihrer Frau in einem Großhotel am Strand absteigen und
nicht wie die meisten Politiker auf einer abgelegenen
Finca??
Beck: Ich glaube, dass man durchaus zu den Leuten hingehen sollte.
Wir wählen auch nicht danach aus, wo man abgeschieden und allein
ist, sondern danach, wo man ein schönes Stück Meer hat und nicht
das Auto braucht, um an den Strand zu fahren. Man reist ja doch in
den Süden, um eben die Stranderfahrung zu machen, im Meer schwimmen
zu können. Ich brauche diese Abgeschiedenheit nicht.
MM: Was brauchen Sie dann im Urlaub?
Beck: Viel Ruhe vor allem, die Chance zu lesen, gut zu essen und ab
und zu etwas zu unternehmen.
MM: Was heißt für Sie gut essen?
Beck: Ich mag gerne die einheimische Küche, was auch immer es ist.
Daher bin ich auch stets auf der Suche nach einem schönen
Fischlokal. Erst vor wenigen Tagen stießen wir auf ein kleines
Gasthaus mit schönen mallorquinischen Speisen, wie beispielsweise
einer Art Gemüseeintopf. Es war wirklich wunderbar, etwas, was man
in der Regel in internationalen Hotels nicht bekommt.
MM: Was für ein Urlaubstyp sind Sie, mehr der aktive oder
eher der passive?
Beck: Ich versuche immer relativ aktiv zu sein. Ich gehe morgens
raus an den Strand zum Joggen und mache dann abends noch mal einen
schönen Strandspaziergang. Und zwischendurch immer wieder mal
radfahren und schwimmen. Hier in der Nähe gibt es den wunderschönen
Naturpark S'Albufera, den wir uns schon erwandert haben. Leider
darf man da erst ab neun Uhr rein, was ich sehr bedauere, da ich
gerne zur Dämmerung um fünf Uhr reingegangen wäre.
MM: Sie werden doch sicherlich von vielen Leuten erkannt
hier?
Beck: Ja, von den Deutschen zumindest. Man wechselt ab und zu mal
ein paar Worte, trinkt auch mal einen Espresso zusammen, redet ein
bißchen. Ich hab damit kein Problem.
MM: Gibt es da auch ein paar skurrile Erfahrungen?
Beck: In diesem Urlaub noch nicht. Ansonsten kommt es schon vor,
dass man im Hotel gerufen wird, und man glaubt, dass etwas
Wichtiges geschehen sei. Letztlich will dann aber nur jemand ein
Autogramm. Daher wollte ich dieses Interview auch am Ende meines
Urlaubs machen.
MM: Nach einer letzten Umfrage sehen 68 Prozent der deutschen
Führungskräfte Stoiber im September vorne.
Beck: Fragen Sie die Gänse, was sie von Weihnachten halten. Das
sind Umfragen, die sehr einseitig sind und die es ständig gibt.
Diese Umfragen sind nicht sehr aussagekräftig, da ist der Wunsch
Vater des Gedanken. Wenn Sie die Gewerkschaftsvorsitzenden fragen
würden, dann kämen Sie zu einem umgekehrten Ergebnis. Ich glaube,
dass das Rennen nach wie vor offen ist. Wir haben einen Abstand von
etwa drei Prozent, und den kann man im Wahlkampf schon
aufholen.
MM: Wie sieht Ihr Wahlkampf aus?
Beck: Ich werde nach dem Urlaub 91 Wahlkampftermine
abklappern...
MM: ... im Beck-Mobil?
Beck: Nein, nein, ich stehe ja nicht selber zur Wahl, die habe ich
im vergangenen Jahr gehabt. Aber man ist natürlich bundesweit
unterwegs, wenn auch in erster Linie im eigenen Land.
MM: Können Sie sich vorstellen, ein Leben außerhalb der
Politik zu führen?
Beck: Das kann ich mir durchaus vorstellen, auch wenn ich noch eine
ganze Reihe von Zielen habe ...
MM: ... als da wären?
Beck: Man will sein Land weiter nach vorne bringen. Ich habe Ziele,
was die Vorstellung angeht, wie Rheinland-Pfalz aussehen soll, wenn
ich den Stab mal übergeben werde. Dazu gehört die Entschuldung des
Landes mit dem Ziel eines schuldenfreien Haushalts 2006, die
Verringerung der Arbeitslosigkeit und weitere Vorhaben die
Infrastruktur betreffend. Also Ziele habe ich noch genug. Aber ich
kann mir durchaus vorstellen, auch was anderes zu tun, ich bin ja
Techniker von Haus aus. Aber es gibt vieles, was man mit den
Erfahrungen, die man sich in den Jahrzehnten in der Politik
erarbeitet hat, tun könnte.
MM: Wird es für den Kollegen Scharping in Rheinland-Pfalz ein
politisches Reanimationsprogramm geben?
Beck: Am Tag seiner Entlassung haben wir sehr ausgiebig
telefoniert, wir kennen uns jetzt seit über 30 Jahren und haben in
Rheinland–Pfalz vieles zusammen aufgebaut. Daher geht das einem
persönlich schon sehr nahe. Wie gesagt, ich glaube, er braucht
jetzt etwas Abstand. Nach der Wahl werden wir uns zusammensetzen
und über unsere Vorstellungen reden.
MM: Viele bezeichnen seine Entlassung als Bauernopfer kurz
vor der Wahl.
Beck: Das ist natürlich eine schwierige Situation. Kanzler Schröder
konnte sich in den zwei verbleibenden Monaten bis zur Wahl keine
Diskussion um Scharping leisten. So eine Diskussion hält man nicht
aus, zumal das Ganze eine gewisse Vorgeschichte hat. Sie haben ja
mit einer Anspielung dazu begonnen.
MM: Trotz Freundschaft zu Scharping stehen Sie also zur
Entscheidung Schröders?
Beck: Ich habe sie für notwendig gehalten. Insoweit ist sie aus
meiner Sicht nicht zu kritisieren.
MM: Kommen Sie zurück nach Mallorca?
Beck: Das schließe ich nicht aus, aber wir werden etwas Zeit
vergehen lassen. Es sind die Randbedingungen, die uns fast etwas
bedrückt haben. Aber einen gewissen erzieherischen Effekt sollte es
geben, und das wird man hier lernen müssen.
Mit Kurt Beck sprach Reinhard Adel.