MM: Wie kommt ein deutscher Botschafter in Spanien zu einem
holländischen Namen ?
Georg Boomgaarden: Einer meiner Vorfahren ist vor etwa zweihundert
Jahren von der westfriesischen Seite der Emsmündung, die zu den
Niederlanden gehört, auf die ostfriesische Seite umgezogen.
MM: Warum hat es so lange seit Ihrem Amtsantritt im Februar
2003 gedauert, bis Sie Mallorca endlich einen Besuch
abstatten?
Boomgaarden: Ist das schon so lange her mit dem Amtsantritt? Mir
scheint, die Zeit ist wie im Fluge vergangen. Zunächst waren die
Regionalwahlen im letzten Jahr abzuwarten. Direkt nach Amtsantritt
der neuen balearischen Regierung war dann kein geeigneter Zeitpunkt
zu finden. Im Übrigen ist mein Terminkalender immer schon Monate im
Voraus ausgebucht.
MM: Kennen Sie die Insel bereits?
Boomgaarden: Im vergangenen Jahr hatte ich die Gelegenheit, Palma,
Alcúdia und die Südküste von Mallorca bei einem einwöchigen Urlaub
kennen zu lernen. Und wer Mallorca kennt, versteht, dass ich
begeistert war.
MM: Wie sieht Ihr Programm an diesem Wochenende auf Mallorca
aus?
Boomgaarden: Ich werde am Freitag den Präsidenten der Balearen,
Jaume Matas, den Parlamentspräsidenten, Pere Rotger, und den
Vertreter der spanischen Zentralregierung auf den Balearen, Ramon
Socias, besuchen. Ein besonders schöner Anlass ist dann der Empfang
auf dem Segelschulschiff der Bundesmarine, der „Gorch Fock” am
Abend. Am Samstag werde ich in Alcúdia die Jakober-Stiftung sowie
die von der Bertelsmann Stiftung finanzierte Bibliothek Can Torró
besuchen. Außerdem wird es eine Gesprächsrunde mit den Vertretern
der deutschen Tourismusindustrie auf Mallorca geben.
MM: Wie sehen Sie die Integration der Deutschen auf Mallorca
und im Vergleich zu Spanien allgemein?
Boomgaarden: In ganz Spanien sind unsere Erfahrungen so
unterschiedlich, dass man nicht alles über einen Kamm scheren kann.
Die meisten Deutschen, die mehr oder weniger ständig in Spanien
leben wollen, fühlen sich hier wohl. Ob jemand der spanischen
Umgebung näher kommt, hängt vor allem davon ab, ob Sprachkenntnisse
vorhanden sind oder erworben werden, oder ob jemand hier
berufstätig ist und damit täglich in Kontakt mit spanischen
Partnern steht. Wer hauptsächlich nur mit anderen Deutschen
zusammentrifft, hat natürlich weniger Anreize, Spanisch zu lernen
und sich zu integrieren. Ich möchte alle in Spanien lebenden
Deutschen ermutigen, noch mehr auf ihre spanischen Nachbarn
zuzugehen, auch im Lande Freundschaften aufzubauen und sich die
Neugier auf spanische Geschichte und Politik zu bewahren.
MM: Das deutsche Konsulat auf Mallorca hat sehr viel mit der
Problematik der Sozialfälle deutscher Bundesbürger auf Mallorca zu
tun. Ist dieses Phänomen nur auf Mallorca zu beobachten oder in
ganz Spanien?
Boomgaarden: Selbstverständlich ist es Aufgabe jedes Konsuls –
gleich wo er sich befindet – Deutschen, die unverschuldet in Not
geraten sind, zu helfen. Solche Fälle kommen bei einem Aufkommen
von etwa 10 Millionen Touristen und über einer halben Million
Residenten in ganz Spanien natürlich immer wieder vor. Dafür gibt
es gesetzliche Regelungen, die allerdings zeitweise großzügiger
waren als sie es heute sind. Heute sind viele auf die spanische
Sozialhilfe angewiesen, die sich früher an deutsche Stellen wenden
konnten.
MM: Ein spezielles Problem sind deutsche Rentner. Wie sehen
Sie da die Rolle der deutschen Vertretung?
Boomgaarden: Weil immer mehr Deutsche ihren Lebensabend in Spanien
und gerade auch auf den Balearen verbringen, gibt es einen hohen
Informationsbedarf über Fragen der Sozialversicherung. Die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat im vergangenen Jahr
erstmals ein Beratungsteam nach Spanien geschickt, auch Mallorca
soll jetzt einbezogen werden. Der Zuspruch war außerordentlich
hoch, so dass ich meine, dass das wiederholt werden sollte. Auch
für Pass–, Erbrechts– und Personenstandsfragen kommt eine größere
Arbeitslast auf die Konsulate zu, weil sich einige Hunderttausend
Deutsche für den Lebensabend in Spanien entschieden haben. Ich gehe
aber auch davon aus, dass die zunehmende Europäisierung dazu führen
wird, dass in Zukunft auch mehr soziale und administrative Aufgaben
direkt von spanischen Stellen erledigt werden und nicht mehr von
Konsulaten (wie jetzt schon das Ausstellen von europäischen
Führerscheinen).
MM: In Zeiten ständiger Gipfeltreffen und Staatsbesuche:
Worin besteht heutzutage die Arbeit eines Botschafters
überhaupt?
Boomgaarden: Der Botschafter repräsentiert Deutschland als beim
spanischen König akkreditierter Vertreter des Bundespräsidenten im
Gastland, er führt die Weisungen der Bundesregierung aus und
erläutert der spanischen Regierung und Öffentlichkeit die deutsche
Politik nach innen wie nach außen, er dient dem Bürger durch den
gesetzlich festgelegten konsularischen Schutz und durch
Dienstleistungen gegenüber der Wirtschaft und der Welt der Kultur.
Auf allen Gebieten, – politischen Fragen, Sicherheit und
Terrorismus, Immigration und Asyl, wirtschaftlichen Fragen,
Vorbereitung wichtiger Entscheidungen in Brüssel, die immer stärker
unser tägliches Leben bestimmen, Umweltfragen,
Landwirtschaftsthemen, militärische Kooperation oder kulturelle
Zusammenarbeit – sind so viele Dinge zu tun, dass auch wöchentliche
Staatsbesuche und tägliche Gipfeltreffen dafür nicht reichen
würden. Für unsere Politik ist es wichtig, dass die Bundesregierung
versteht, was in Spanien vor sich geht, die Motive, die politischen
und gesellschaftlichen Kräfte kennt und zum Beispiel für unseren
gemeinsamen Weg in Europa weiß, wo wir vielleicht noch mehr
gemeinsam tun können. Das alles ist nur vor Ort durch sehr viele
Kontakte und sorgfältige Analysen zu leisten.
MM: Welche Ziele wollen Sie in Ihrer Amtszeit
erreichen?
Boomgaarden: Auf der Grundlage der schon jetzt großen gegenseitigen
Sympathie und des Verständnisses zwischen Deutschen und Spaniern
noch mehr Zusammenarbeit auf verschiedenen Feldern zu erreichen:
Verteidigung, Innenpolitik, Kampf gegen den Terrorismus, Stärkung
der Wettbewerbsfähigkeit Europas und Aufbau eines immer stärker
integrierten Europas. Dabei auch auf die Probleme aufmerksam
machen, die für ein Europa der Bürger noch gelöst werden müssen –
zum Beispiel bei den Sozialsystemen.
MM: Auf Mallorca gibt es ein Schulprojekt „Eurocampus” mit
deutscher Beteiligung. Inwieweit sehen Sie Chancen, dass diese
Schule staatlich unterstützt wird?
Boomgaarden: Zunächst einmal begrüße ich die Initiative, ein
Schulprojekt auf europäischer Grundlage aufzubauen. Es ist sehr
wünschenswert, dass sich weitere Länder an diesem Projekt
beteiligen. Angesichts sehr knapper und in den letzten Jahren
ständig geschrumpfter Haushaltskassen stehen staatliche Mittel
leider nur sehr begrenzt zur Verfügung. Privatinitiativen, wie der
Eurocampus, verdienen dennoch jegliche Unterstützung, und es geht
dabei nicht allein um finanzielle Hilfe. Ferner hoffe ich, dass
trotz mancher Widerstände die Schulabschlüsse in Europa bald so
weitgehend gegenseitig anerkannt werden, dass dieses positive
Projekt „Schule macht” und bürokratische Hindernisse entfallen.
MM: Warum zeigt die Bundesrepublik auf Mallorca kulturell
keine Flagge? Die Franzosen etwa haben ein Kulturinstitut, um
Sprachkurse etc. anzubieten.
Boomgaarden: Die kulturelle Zusammenarbeit zwischen
hochentwickelten Ländern wie Deutschland und Spanien findet
weitgehend auf dem direkten Wege über private kommerzielle und
nichtkommerzielle Träger statt. Staatliche Kulturarbeit kostet
Geld. Gerade der Haushalt für auswärtige Kulturpolitik hat sehr
unter den Kürzungen der vergangenen Jahrzehnte gelitten. Frankreich
hat auf diesem Gebiet immer einen Schwerpunkt gesetzt und
erhebliche Steuermittel dafür eingesetzt – bei uns ist die Lobby
für Kulturarbeit einschließlich deutscher Schulen im Ausland kaum
zu spüren, so dass wir mit Frankreich nicht mithalten können.
Die Fragen stellte Michael Blum