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KATASTROPHE

Zwischen Traum und Alptraum ...

... ist nur eine Welle: Wie eine österreichische Familie aus Mallorca die Sintflut auf den Malediven überlebte

Ein verdammt großer Schutzengel hat uns vor dieser Katastrophe bewahrt”, meint Silvia Windisch, die ein Wort wie „verdammt” sonst eher zögernd in den Mund nimmt. Und: „Zwischen Traum und Alptraum liegt nur eine Welle.” Der Traum: Das Mirihi Island Resort mit zwei Dutzend Luxus–Bungalows auf einem paradiesischen Inselchen im südlichen Ari Atoll, 85 km südlich der Malediven–Hauptstadt Male. Ein grünes Kleinod im türkisfarbenen Meer, mit Bilderbuch–Palmen und strahlend weißem Sandstrand.

Silvia und ihre Familie haben bei Josef und Elfi Egger auf deren Landsitz Son Noguera bei Esporlas Weihnachten vorgefeiert, sie wollen das Fest und den Jahreswechsel auf den Malediven verbringen. Silvias Vater Josef („Sepp”) Egger ist Mallorcas bekanntester Österreicher, fördert als Vorsitzender des „Vereins der österreichischen Freunde Mallorcas” so umtriebig wie erfolgreich immer bessere Beziehungen zwischen seiner Heimat und der Insel.

Auch seine Tochter und ihr Ehemann sind in der mallorquinischen Gesellschaft gut bekannt. Silvia und Louis sind auf vielen Festen und Veranstaltungen anzutreffen.

Die Windischs fliegen von Palma nach Wien und von dort aus mit Austrian Lauda Airlines auf die Malediven. Der Flug dauert zwölf Stunden. Das Wasserflugzeug bringt Silvia Windisch (49), ihren Mann Louis (57, Industrieller) und ihre Töchter Olivia (21, Informatikstudentin in Paris) und Fiona (19, Bocuse–Hotelfachschule in Lyon) in 30 Minuten von Male auf die Trauminsel.

Auf diesen Urlaub zum Jahresende haben sich die Wahl–Mallorquiner aus Palmas Stadtteil La Bonanova monatelang gefreut. Schon im Anflug auf Mirihi bewundern sie das Atoll, das die Insel schützend umgibt.

Der Alptraum: Große Teile Südasiens, ein Sechstel der Oberfläche der Erdkugel, wird von den Auswirkungen eines Seebebens vor Sumatra heimgesucht, das eine der größten Naturkatastrophen in der Menschheitsgeschichte auslöst. Silvia Windisch und ihre Familie stecken mittendrin.

Was um sie herum geschieht, ahnen sie zunächst nicht. „Wir hatten das Glück, auf einer der vier Inseln zu sein, die die Welle weitgehend verschonte”, berichtet Silvia MM am Dienstag per E–Mail. „Inzwischen wissen wir, dass 70 Prozent der Malediven zerstört sind.” Silvia, Louis, Olivia und Fiona sprangen dem Tod buchstäblich von der Schippe: Das malerische Riff des Atolls, das das Inselchen (350 m lang, 50 m breit) umgibt, brach die Urgewalt der Tsunami.

Silvias E–Mail an MM spiegelt noch zwei Tage später den großen Druck wieder, unter dem die Familie und die anderen Hotelgäste standen: „Da es keine Vorwarnung gab oder nur zwei Minuten, bevor die Welle uns erreichte, herrschte natürlich Panik. Da die Inseln im Durchschnitt nur zwei Meter aus dem Meer ragen, kann man nirgendwohin flüchten. Im Nu war ein Teil der Insel überflutet.” Größte Angst hatten die Hotelgäste um die Taucher, die am Morgen mit dem Boot hinausgefahren waren. „Als wir sie erreichten, war niemand mehr unter Wasser. Sie kamen sofort zurück. Aber die Stunde lang, die sie zurück zum Hotel benötigten, waren wir alle sehr besorgt.” Aus Furcht vor einer weiteren Welle forderte die Hotelleitung alle Gäste auf, die Nacht gemeinsam im Restaurant zu verbringen. Vier Boote wurden für den Notfall mit Verpflegung, Wasser und Schwimmwesten ausgestattet. Aber es blieb ruhig. Gegen drei Uhr morgens suchten alle ihre Bungalows auf. Silvia: „Schlafen konnte ich nicht. Ich habe den Rest der Nacht das Niveau des Meeres beobachtet.” Gehungert oder gedurstet hat die Familie nicht: „Die Versorgung war gesichert. Per Boot wurden immer frische Lebensmittel gebracht.” Das Meer begann Beweise für die Schreckensnachrichten zu liefern, die den Gästen von Mirihi (der Name kommt von den leuchtend gelben Blumen, die auf der Insel wachsen) aus dem Fernsehen entgegenzuströmen begannen. Die Fernsehgeräte funktionierten wie die gesamte Elektrik ohne Probleme, weil die Welle dem Generator nicht geschadet hatte.

Silvia am Dienstag: „Seit gestern schwimmen Betten, Tische und Holzstücke an unserer Insel vorbei. Menschen einer Nachbarinsel wurden zu uns gebracht, auf der die Welle fünf Meter hoch war und alles weggerissen hat. Ein Hotel nebenan existiert nicht mehr. Die Wasserbungalows sind verschwunden, die Leute hielten sich an den Bäumen fest, Kinder wurden ins Meer gerissen.” Im Hilton auf einer Nachbarinsel macht übrigens der österreichische Finanzminister Karl–Heinz Grasser Urlaub. Er kommt, wie die Windischs, mit dem Schrecken davon.

Die Rückreise ist eigentlich für den 3. Januar geplant. Wann sie zurückkommen wollen oder können, fragt MM Familie Windisch in einer E–Mail. Silvia: „Die Wasserflugzeuge können noch nicht kommen, da die Stege nicht mehr vorhanden sind. Wir sind natürlich die letzten, die von hier weggeholt werden. Aber wir wollen nicht früher weg, da wir alles haben, was wir brauchen. Wir möchten die unglücklichen Menschen, die alles verloren haben, gern erst heimreisen lassen.” Silvia abschließend: „Für die Malediven muss es der Horror gewesen sein. Fast alle Tourist Resorts sind ganz oder teilweise zerstört. Ein paar happy fews haben viel Glück gehabt, zu denen zählen wir.” Und wenn sie zurück ist? „Ich werde Europa und vor allem die paradiesische Insel Mallorca so schnell nicht wieder verlassen.” Josef Egger, wie seine Frau Elfi unendlich erleichtert, dass Kinder und Enkel von der Katastrophe verschont blieben, denkt den Gedanken seiner Tochter weiter, bei allem Mitgefühl für die vielen Opfer in Südasien: „Mallorca gewinnt als Urlaubsziel weiter an Attraktivität.”j
P.S.: Für die Familien Egger und Windisch wird 2004 immer ein Jahr des Glücks bleiben. Alle entgingen großem Leid – Vater Egger überstand im Herbst mit viel Glück eine lebensgefährliche Herzerkrankung.

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