Valldemossa ist gut für Überraschungen. Für frühgeschichtliche Funde, mittelalterliche Heiligenlegenden, Liebesgeschichten, Skandale. Man denke an die beiden Catalinas, die Heilige und die Unheilige, die hier das Licht der Welt erblickten. Man denke an Chopin und George Sand, die hier ihre Regenromanze erlebten, an Erzherzog Ludwig Salvator von Habsburg–Lothringen, der hier sein Aussteigerimperium gründete und in Catalina Homar, der Tischlertochter, eine Gefährtin fand.
Valldemossa galt dem dritten König von Mallorca, Sancho, als Sommerfrische. Aus seinem Jagdschloss entwickelte sich die mächtige Kartause. Prominenz aus Katalonien und Mallorca ließ sich vor allem im 19. Jahrhundert immer wieder in Valldemossa blicken: Santiago Rusinyol etwa, Maler und Autor von „Mallorca – Insel der Ruhe”. Oder der spätere spanische Ministerpräsident, der Mallorquiner Antonio Maura. Und natürlich immer wieder Künstler: Bernés, Puigdangoles oder Massai Misimoto.
Sie alle wohnten in einem kleinen Hostal namens Can Marió, das im Zentrum des Städtchens liegt und das älteste Hotel der Insel ist. Besser gesagt war, denn vor einigen Monaten hat Can Marió den Hotelbetrieb stillgelegt und fungiert nur noch als Restaurant mit typisch mallorquinischer Küche. Das Menü wechselt, die Preise sind sehr bodenständig.
„Es war einfach zu viel Arbeit, zu aufwendig und zu wenig rentabel”, sagt María Mercant, die Enkelin des Gründers. Sie hielt auf Dauer die Schlichtheit der Zimmer für nicht mehr konkurrenzfähig.
Can Marió nahm seinen Betrieb 1899 auf. Der erste Besitzer, der Kaufmann Antonio Mercant, mit María, einer Schwester der Erzherzog–Geliebten Catalina Homar, verheiratet, startete im Eröffnungsjahr folgende Annonce auf Französisch: „Hotel Marió, Antoine Mercant, Proprietaire – chambre depuis 4, 5, 6 Pts. Par jour. Vue magnifique, Valldemossa. Ille Majorque”. Das Zimmer also für vier bis sechs Pesetas.
Der Blick vom Speisesaal des jetzigen Restaurants ist immer noch „magnifique”. Der Eingang mit den hohen Bogengängen ist beeindruckend und gibt einen Einblick in das Mallorca vor 100 Jahren. María Mercant zeigt stolz die Bilder an der Wand, die die einstigen Malergäste hinterließen, bekannte und unbekannte. „Meine Mutter räumte hier vor vielen Jahren gründlich auf. Sie war es wohl leid, dass viele unserer Gäste nur mit Bildern, selten bar zahlten. Auf diese Weise gingen auch ein paar Originale von Santiago Rusinyol auf den Müll. Sie wären heute ein Vermögen wert.” Es ist ihrem Gesicht nicht anzusehen, ob sie die damalige „Reinigungsaktion” bedauert.
Restaurant Can Marió, Carrer Uetam 8. Valldemossa. Täglich mittags und abends geöffnet.