VON JÖRG VOGELSÄNGER
Mallorca - Wo es früher nichts außer Gemüsebeete gab,
überspannt nun eine imposante Konstruktion in Form einer sich
öffnenden Gladiole den Fluss Ebro. Der 280 Meter lange
Brückenpavillon der irakischen Stararchitektin Zaha Hadid ist aber
nicht das einzige spektakuläre Bauwerk, mit dem sich Saragossa zur
ersten Weltausstellung in Europa seit der Expo 2000 in Hannover ein
neues Gesicht verpasst hat. Immerhin 3'5 Milliarden Euro
öffentliche und private Investitionen sind anlässlich der vom 14.
Juni bis 14. September laufenden Schau unter dem Motto "Wasser und
nachhaltige Entwicklung" in Spaniens fünftgrößte Stadt
geflossen.
"Drei Jahre lang haben wir Staub, Lärm und Staus ertragen. Aber auf das Ergebnis sind wir stolz", erzählt Kioskbesitzer José Ramón, der nun der Eröffnungsgala mit König Juan Carlos am Abend des 13. Juni entgegenfiebert. Schließlich hatten die 650.000 Einwohner der Hauptstadt der Region Aragonien im Nordosten des Landes bislang mit dem Rücken zu Spaniens wasserreichstem Fluss gelebt. Nun lockt der Ebro auf 16 Kilometer Länge mit Uferpromenaden, Grünanlagen, einem 120 Hektar großen Park, Stränden und Radwegen. Selbst Ausflugsboote schippern nun in seinen Fluten. Es ist der "Fluvi-Effekt", wie einige in Anspielung auf das glupschäugige Expo-Maskottchen sagen.
Ausgehend von dem 25 Hektar großen Expo-Gelände, das sich unweit der Altstadt in einer Flussschleife (Mäander) befindet, ist ein ganz neuer Stadtteil entstanden, ein neuer Kongresspalast inklusive. Und dies, obwohl es sich in Saragossa (spanisch: Zaragoza) im Vergleich zu Hannover 2000 um eine "kleine Weltausstellung" mit geringerer Fläche und kürzerer Dauer handelt. "Die Expo ist ein Sprung 15 Jahre nach vorne", sagt Bürgermeister Juan Alberto Belloch.
Während der Schau sind auf dem Areal 105 Nationen zu Gast und stellen sich selbst sowie die Probleme und Lösungen ihrer Länder im Umgang mit dem (Trink-)Wasser vor. Deutschland etwa lädt in seinem Pavillon zu einer futuristischen Floßfahrt durch die Welt des Wassers und präsentiert dabei neueste Technologien zur verantwortungsbewussten Nutzung des lebenswichtigen Elements.
Aber auch sonst bekommen die rund vier Millionen erwarteten Besucher viel zu sehen in den verschiedenen Themenpavillons, die allein architektonisch schon eine Visite wert sind. So etwa das größte Süßwasseraquarium Europas. Es beherbergt 5000 Fische und Wassertiere aus fünf Flüssen aller Kontinente: Nil (Afrika), Mekong (Asien), Amazonas (Amerika), Darling-Murray (Australien) und Ebro (Europa). Unweit befinden sich der Pavillon Aragoniens, der einem riesigen geflochtenen Schilfkorb gleicht oder der Pavillon Spaniens, dessen mit Ton umhüllte Pfeiler einem Pappelwald nachempfunden sind.
Im weltweit höchsten Gebäude aus Lehm, Stroh und Holz, das einem riesigen Tonkrug gleicht, haben mehr als 200 Umweltschutzverbände und andere Nichtregierungs-Organisationen ihr Quartier. Der höchste Expo-Pavillon ist mit 78 Metern der "Wasserturm". Er gleicht von oben einem Tropfen und hat innen einen Hohlraum so groß wie eine gotische Kathedrale. Seine spätere Nutzung und die der anderen Gebäude nach der Expo ist bereits gesichert. Sie werden entweder Museen oder Teil eines modernen Gewerbegebietes.
Umweltschutz wird auf dem Gelände, über das auch eine Seilbahn führt, großgeschrieben. Strom wird mit Hilfe von Solar- und Windenergie gewonnen, Souvenirs sind biologisch abbaubar: Es gibt Kugelschreiber aus Algenpapier und Tüten aus Kartoffelstärke. Nicht zuletzt wartet die Schau mit fast 5000 Musik-, Tanz- und Theatervorführungen und Konzerten von Iggy Pop über Youssou N' Dour bis Montserrat Caballé auf.
Die Unterhaltung soll das wichtige Expothema aber nicht in den Hintergrund drängen: Mehr als 1'2 Milliarden Menschen in den ärmsten Regionen der Erde haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das entspricht etwa einem Fünftel der Weltbevölkerung. Täglich sterben deshalb nach UN-Angaben rund 6000 Menschen, vor allem Kinder. Im Zuge des Bevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Entwicklung steigt der Verbrauch dennoch stetig - allein in den vergangenen 100 Jahren hat er sich versechsfacht. Hinzu kommen Umweltverschmutzung und Klimaphänomene wie Dürre. Über all diese Themen beraten während der Expo Experten aus aller Welt. Ihre Schlussfolgerungen sollen in eine "Charta von Saragossa" einfließen. Ausgearbeitet wird sie von einer UN-Delegation, die bis 2015 in der Stadt am Ebro ihren Sitz hat.
Weitere Infos im Internet unter: www.expozar agoza2008.es.