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„Käufer von Plagiaten sollen Strafe zahlen“

MM-Interview mit Rüdiger Stihl, der gegen Produktpiraterie kämpft

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Sein Thema ist auf der ganzen Welt aktuell. Auch auf Mallorca. Wenn Rüdiger Stihl auf dem Weg ins Restaurant in Palma an fliegenden Händlern vorbeigeht, dann weiß er: Die angeblichen Markenprodukte, die hier feilgeboten werden, sind plumpe Fälschungen. Dagegen anzukämpfen, das hat sich Stihl zur Aufgabe gemacht. Er ist Vorsitzender des deutschen „Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie”. Der 67-Jährige kam jetzt zum ersten Mal nach Mallorca, um hier mit Freunden zu golfen. Im MM-Interview spricht Stihl über das „Krebsgeschwür der Globalisierung”.

Mallorca Magazin: Herr Dr. Stihl, Sie tragen einen berühmten Namen. Weltweit steht die Marke „Stihl” vor allem für Kettensägen. Ihr Vater hat das Unternehmen 1926 gegründet. Sind Sie heute noch in der Firma aktiv?
Rüdiger Stihl: Meine drei Geschwister und ich, wir haben uns aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Wir arbeiten heute als Mitglieder des Beirats und des Aufsichtsrats mit und achten aus dem Hintergrund darauf, dass die Philosophie des Unternehmens erhalten bleibt.

MM: Wie weit ist „Stihl” denn noch in Familienbesitz?
Stihl: Zu 100 Prozent. Und das soll auch in Zukunft so bleiben.

MM: In Deutschland werden „Stihl”-Produkte in sieben Werken hergestellt. Sie produzieren aber auch einiges im Ausland.
Stihl: Das stimmt. Wir haben weitere Werke in der Schweiz, in den USA, in Brasilien, in Österreich und in China.

MM: China ist ein gutes Stichwort. Sie sind seit 2008 Vorsitzender des Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM). Ist die Produktion in China in diesem Zusammenhang nicht ein zweischneidiges Schwert?
Stihl: Das könnte man denken. Aber wir arbeiten dort ohne chinesischen Partner, haben die volle Kontrolle über das Werk. Außerdem achten wir darauf, dass nicht das allerneueste Know-How eingesetzt wird. Im Übrigen sind chinesische Firmen gerade dabei, sehr viel an eigenem Know-How aufzubauen und damit auf den Markt zu gehen. Da wird in Zukunft noch einiges an Konkurrenz auf uns zukommen.

MM: China gilt aber auch als das Land, in dem am meisten gefälscht wird. Wenn ein deutscher Tourist an der Playa de Palma eine Ray-Ban-Sonnenbrille, eine Louis-Vuitton-Tasche oder eine Rolex-Uhr kauft, hat er oft ein illegales Produkt „made in China” erworben. Was trägt der APM im Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie bei?
Stihl: Wir setzen unter anderem auf Verbraucheraufklärung. So tourt zum Beispiel unsere Wanderausstellung seit Anfang vergangenen Jahres durch deutsche Einkaufszentren. Bis Ende dieses Jahres wollen wir an 32 Standorten rund zehn Millionen Verbraucher erreicht haben.

MM: Was wollen Sie mit dieser Informationskampagne bewirken?
Stihl: Der Kern des Problems ist für mich das mangelnde Unrechtsbewusstsein bei der Verletzung geistigen Eigentums. Jedem ist klar, wenn man Gegenstände klaut, dann ist das Diebstahl. Urheberrecht, Patente und Ähnliches werden zwar theoretisch anerkannt, wenn es aber darum geht, diese Eigentumsrechte zu brechen, dann kommt kein Unrechtsbewusstsein auf.

MM: Wie erkenne ich aber Plagiate zweifelsfrei? Woher weiß ich, dass das Lacoste-Shirt im Strand-Laden nicht echt ist? Es soll ja Fälle geben, in denen die Markenware in den gleichen Fabriken gefertigt wird wie die Fälschungen.
Stihl: Von solchen Geschichten ist in der Tat immer mal wieder zu hören. Bei bestimmten technischen Produkten, wie unseren Motorsägen zum Beispiel, sind Fälschungen oft einfach zu erkennen. Ich gebe zu, dass das im Textilbereich und bei modischen Accessoires nicht immer so einfach ist. Da muss man sich dann auch vom Preis leiten lassen. Man kann einfach keine echte Rolex für 50 Euro kaufen, das geht nicht.

MM: Welche Produkte werden denn Ihrer Erfahrung zufolge am meisten gefälscht?
Stihl: Gefälscht wird grundsätzlich alles! Am häufigsten anzutreffen sind jedoch Kosmetika, pharmazeutische Produkte wie zum Beispiel Viagra oder die Antibabypille, sehr viel im Bereich technische Haushaltsprodukte, aber auch Textilien und modische Accessoires. Man muss sich immer vor Augen halten, dass es sich bei den meisten Fälschungen um eine sehr schlechte Qualität handelt.

MM: Was bei Arzneimitteln beispielsweise zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann.
Stihl: Sicher, aber nicht nur das. Auch technische Geräte entsprechen nicht den erwarteten Sicherheitsstandards, Textilien können unter Umständen Allergien auslösen und so weiter.

MM: Kommen denn nun tatsächlich die meisten Fälschungen aus China?
Stihl: Wenn man China, Hongkong und Taiwan zusammen nimmt, dann sind es in einigen Bereichen bis zu 80 Prozent. Bei Arzneimitteln kommt auch immer mehr aus Indien. Aber auch in der Türkei, den USA und in der EU wird gefälscht.

MM: Sie bezeichneten die Produktpiraterie schon in mehreren Interviews als das „Krebsgeschwür der Globalisierung”.
Stihl: Schätzungen der Internationalen Handelskammer ergaben, dass der Warenwert, der weltweit mit gefälschten Produkten umgesetzt wird, sich auf 600 Milliarden Dollar beläuft. Der deutschen Wirtschaft entgehen jährlich zirka 50 Milliarden Euro. Dem Staat entgehen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, Arbeitsplätze gehen verloren.

MM: Sie haben bereits erwähnt, dass Sie eine Sensibilisierung des Verbrauchers in Sachen Produkt- und Markenpiraterie anstreben. Ist dieses Ziel denn überhaupt realistisch in Zeiten der, nennen wir es mal so, „Geiz ist geil”-Mentalität?
Stihl: Wer ein Plagiat kauft, der muss sich im Klaren sein, dass er damit das organisierte Verbrechen unterstützt. Denn in diesem Sektor werden riesige Gewinne eingefahren. Die Hersteller investieren nichts in Entwicklung und Qualitätssicherung, vielfach werden die Produkte unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt, zum Teil in Kinderarbeit. Die Strafverfolgung ist lange nicht so intensiv wie im Drogenhandel. Aber, nur mal ein Beispiel, ein Kilogramm Viagra kostet 90.000 Euro, die gleiche Menge Heroin nur 50.000.

MM: Könnten Sie sich auch vorstellen, dass man Bußgelder gegen die Käufer von Plagiaten verhängt?
Stihl: Ja, das ist eine unserer Forderungen. Ein moderates Bußgeld könnte dazu beitragen, dass der Verbraucher realisiert, dass er ein Unrecht begangen hat.

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