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Der letzte Kerzenmacher von Mallorca

Guiem Ramis Carbonell benutzt dieselbe Handwerkstechnik wie schon sein Großvater vor 118 Jahren. | P. Lozano

| | Palma, Mallorca |

Er sei der Letzte seiner Zunft, sagt Guiem Ramis Carbonell ein wenig wehmütig von sich. Im Norden von Palma fertigt der 60-Jährige in seiner Werkstatt Kerzen in Handarbeit und bedient sich dabei der gleichen Technik wie sein Großvater, der die kleine Fabrik vor 118 Jahren gründete. Seine Handwerkskunst wird honoriert, die Kerzen leuchten auch in Palmas majestätischer Kathedrale, La Seu.

„Die meisten Leute denken, dass man Kerzen macht, indem man heißes Wachs in Gussformen füllt und dann einfach abkühlen lässt“, räumt Carbonell schnell einen gängigen Irrtum aus. Dabei legt schon seine stattliche und muskulöse Erscheinung nahe, dass es so leicht nicht gehen kann. Seine weiß gekalkte Werkstatt mit den dicken dunklen Holzbalken an der Decke ist eher so etwas wie ein Fitnessstudio mit musealem Anstrich. Denn so zierlich die Kerzen am Ende auch aussehen mögen, dahinter stecken lange Stunden harter körperlicher Arbeit.

Zunächst muss Carbonell das Rohmaterial, schwere, weiße Wachsplatten, in großen Kesseln zum Schmelzen bringen. Früher geschah dies mit Hilfe eines Holzfeuers, heute mit Wasser, das per Elektrothermostat rund um die Uhr auf 70 Grad gehalten wird. Für die blassgelbe Kerzenfarbe sorgt übrigens eine einzige Messerspitze eines Farbpulvers, das dem Wachs beigemischt wird.

Den Rohstoff für die früher meist von Kirchen, heute aber auch von Privatpersonen, Hotels und Bars georderten Qualitätskerzen bestellt der gebürtige Mallorquiner ganz im Sinne der Globalisierung in China. „Das hängt immer vom Preis ab, ich habe auch Lieferanten in Russland, den USA und Spanien“, sagt er.

Der nächste Arbeitsschritt erfordert weniger Kraft, dafür umso mehr Geduld. Carbonell schneidet die Baumwolldochte auf die richtige Länge zu, fädelt sie in eine hölzerne Hakenleiste ein, verknotet sie am unteren Ende und sorgt mit einem eingehängten Gegengewicht dafür, dass sie straff bleiben. Anschließend bestückt er das achteckige, an der Decke aufgehängte hölzerne Drehkreuz mit den dochtbewehrten Leisten.

Erst jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. Immer wieder senkt Carbonell die mit einem Gegengewicht beschwerten Dochtleisten in das heiße Wachs, zieht sie wieder hoch, dreht das Kreuz weiter und wiederholt die Prozedur mit der nächsten Hakenleiste. Nach jeder Runde muss er warten, bis sich das Wachs abgekühlt hat, bevor er mit dem nächsten Tauchgang beginnen kann.

Bei den größten, bis zu einem Meter langen Kerzen sind die Gegengewichte rund zehn Kilo schwer; bis der gewünschte Durchmesser erreicht ist, dauert es eine Woche. Aber auch für die zierlichen Exemplare setzt er immerhin noch vier bis fünf Kilo Gegengewicht in Bewegung. „Das Flaschenzugprinzip macht die Arbeit leichter, aber vor allem am Anfang ist es richtig anstrengend“, sagt Carbonell, der sein Handwerk schon als Kind von seiner Mutter gelernt hat. Uneingeschränkt Spaß macht ihm seine Arbeit nicht, gibt er unumwunden zu. „Es ist immer dasselbe. Eintauchen, hochziehen, und das stundenlang. Dafür habe ich meine Ruhe, kein Chef mischt sich ein“, erzählt er.

Mit einer Lochschablone prüft er abschließend, ob die Kerzen die gewünschte Dicke erreicht haben. 700 bis 800 dünne Kerzen entstehen so Woche für Woche, von den wuchtigeren Exemplaren ist es nur ein Bruchteil. Maschinell könnte er ein Vielfaches davon produzieren, doch Carbonell legt Wert auf Qualität. „Für handgefertigte Kerzen braucht man gutes Wachs mit einem geringen Ölanteil, damit es beim Eintauchen gut um den Docht haftet. Gleichzeitig brennen unsere Kerzen dadurch langsamer ab und es entstehen weniger Wachstropfen und Rauch”, erklärt er.

Der Großteil seiner Produktion geht in den familieneigenen kleinen Laden in Palmas Altstadt. Die Cerería Real ist fast genauso alt wie Carbonells Werkstatt. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Iglesia El Cristo de la Sangre an der Plaça Hospital verkauft seine Frau zusammen mit einer Angestellten alles, was das Herz eines echten Gläubigen begehrt.

Kerzen für Kirchen und Partys

Im Schaufenster finden sich bunte Rosenkranzkettchen, Weihrauchstäbchen und Jesuskreuze genauso wie Marienstatuen und Schlüsselanhänger mit religiösen Motiven. Seine Kerzen gehen hier zu Preisen von einem bis zu 80 Euro über die Ladentheke.

„Aber nicht alle kaufen unsere Produkte aus Glaubensgründen“, erzählt Carbonell. „Wir haben eine prominente Kundin, die regelmäßig Kerzen im Wert von 4000 Euro für ihre Partys bestellt.”

Vor fünf Jahren eröffneten Südamerikaner nur zwei Häuser weiter ein ähnliches Geschäft. „Die Leute in Palma haben wirklich keine eigenen Ideen“, erinnert sich Carbonell grummelnd. Wirklichen Grund zum Ärger hat er aber nicht. Den Rang ablaufen konnte ihm die Konkurrenz nicht.

Geschäftstüchtig wie er ist, gibt es nämlich nur bei ihm Bilder und Statuetten des Cristo de la Sangre, des gekreuzigten Jesus, dem die gleichnamige Kirche um die Ecke gewidmet ist und der bei den Osterprozessionen eine wichtige Rolle spielt.

(aus MM 19)

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