Wenn Fernando Santos das vor Jahren noch in Spanien eher verpönte Wort Sangria hört, quittiert er dies mit einem gelösten Lächeln: „Es ist inzwischen wieder das beliebteste spanische Sommergetränk”, sagt der mallorcaweit bekannte Barkeeper der Palmesaner Kultbar „Atlántico”. Er blickt dabei wissend die mit kuriosen Objekten vollgehängten Wände dieses hippen Etablissements in der Gasse San Feliú an. Früher galt das mit Orangensaft und viel Zucker angereicherte Rotwein-, Rum- und Fruchtgebräu unter Spaniern als zu vernachlässigender „Guiri”-(Ausländer-)-Trank.
Umgekehrt liegen die Verhältnisse derzeit beim zweiten typischen spanischen Sommergetränk, das jedem sofort einfällt, dem süffig die Speiseröhre herunterfließenden Tinto de verano (Rotwein, Limonade, Soda, Eiswürfel): „Der geht momentan nicht immer gut”, so Fernando Santos. „An manchen Tagen bringen wir viel unter die Leute, an anderen nicht.” Und wenn jemand das relativ kalorienarme Getränk bestellt, kommt er in der Regel aus dem Ausland. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass die Brausefirma „La Casera” seit dem 4. Juni mit einem freundlichen Deutschen, der aber kaum ein Wort Spanisch versteht geschweige denn spricht, im Fernsehen Werbung für alkoholfreien Tinto de verano macht. Der blonde Recke bringt in dem auf Mallorca gedrehten Spot auf Deutsch „lecker, lecker” über die Lippen und lächelt dazu.
Alles andere jenseits von Sangria und Tinto de verano, was in Spanien getränketechnisch ohne und mit Alkohol seit jeher im Sommer gefragt ist, verkauft sich Fernando Santos zufolge mehr oder weniger so gut wie üblich: Der gewöhnungsbedürftige, an das deutsche Radler-Bier erinnernde Shandy (Bier mit Fanta oder Zitronenlimonade) wird durchaus verstärkt nachgefragt, der ebenfalls gewöhnungsbedürftige, im Baskenland erfundene Calimocho (Rotwein plus Cola) weniger, die alkoholfreie und sehr kalorienreiche Horchata (Mandelmilch) oder das sogenannte Agua de Valencia (Orangensaft, Cava, Wodka, Gin, Zucker und Eis) sind ebenfalls nicht unbeliebt.
Doch richtig gut funktioniert im sommerlichen Spanien derzeit der gute alte Gin Tonic. „Die Leute wollen aber immer öfter menorquinischen oder mallorquinischen Gin”, so Fernando Santos. „Marken wie Gin Xoriguer, Gin Eva oder Cabraboc Gin sind mega-‚in’.”
Kommt der Insel-Gin-Tonic sowohl bei In- wie Ausländern gut an, sind die Geschmäcker bei anderen Getränken unterschiedlich. Nordeuropäer schwören dem Bar-Crack zufolge auf den „Hierbas”, Deutsche auf kompliziert zusammengemixte Cocktails und Spanier auf Daiquiris, Margaritas und spanische Biermarken wie Estrella Galicia, Cruzcampo oder San Miguel. Oder eben zunehmend auf die Sangria.