„Ich bin mehr mallorquinisch als deutsch”, sagt Thomas Cammerer in schwäbischem Dialekt. „Meine Frau ermahnt mich schon, weil ich alle Kunden auf Mallorquinisch anspreche.” Der 52-jährige Koch steht in seinem Laden in Porto Cristo nahe dem Meeresboulevard und zeigt stolz seine mit Liebe dekorierten Räumlichkeiten.
Nicht nur hat er eine Auswahl inseltypischer Köstlichkeiten von Öl über Salz bis Hierbas und Sobrassada – Cammerer ist der erste Bäcker, der auf Mallorca ausschließlich selbst gemachte glutenfreie Backwaren anbietet. Aus reinem Interesse habe er sich darauf spezialisiert, Produkte ohne das tückische Klebereiweiß anzubieten, das immer mehr Menschen zu schaffen macht. Was oft als „Trend” verschrien ist, bedeutet für Betroffene Hilfe in einer jahrelangen Leidensgeschichte.
In Deutschland leidet laut der Deutschen Zöliakiegesellschaft etwa ein Prozent der Bevölkerung an einer Glutenunverträglichkeit, die oft in Zusammenhang mit anderen Autoimmunkrankheiten steht. Das Klebereiweiß verursacht bei Betroffenen Beschwerden wie Erbrechen und Durchfall. Rund zehn Prozent zeigen typische Symptome, leiden etwa an einer Sensitivität. Sie reagieren oft nicht so heftig, fühlen sich aber vor allem nach dem Verzehr von Weißmehlprodukten unwohl.
In Spanien ist es bereits seit vielen Jahren gängig, glutenfreie Lebensmittel im Handel zu markieren. Die seit 1994 bestehende Spanische Zöliakiegesellschaft FACE vergibt Siegel für Anbieter glutenfreier Waren. Eines davon prangt auch an der Eingangstür zu Cammerers Laden. Dementsprechend groß ist der Zulauf von Spaniern im „Típic”, laut dem Besitzer namentlich angelehnt an die typische Auswahl von Inselprodukten. Nur eben ohne Weißmehl.
Die typische mallorquinische Ensaimada beinhaltet im „Típic” Maismehl, Reismehl und, um den Kleber des Glutens nachzuahmen, Flohsamenmehl. An der perfekten Zusammensetzung habe Thomas Cammerer lange gebastelt, seit zwei Wochen gibt es die Glutenfrei-Version bei ihm zu kaufen.
Weil die Produkte unter Kaltgare hergestellt werden, der Teig also mindestens zwölf Stunden im Kühlschrank aufgehen kann, sind die Backwaren besser verträglich. Neben Muffins und Törtchen gibt es auch frische Pasta abgepackt. Sogar eine glutenfreie Version des „Kalten Hund”, eine „Schokoladenwurst” bietet er als Gag und Geschenkidee an.
Die aufwendigere Herstellung und spezielle Zutaten schlagen sich im Preis nieder: 1,50 Euro müssen Kunden für ein Brötchen berappen, mindestens fünf Euro für eines der Brote. Dafür variiert der Schwabe bei seinen Zutaten: Von Hafer- und Mandel- bis Tomatenbrot bietet er auch exotisches Teff-Brot aus Afrika an – eine als „Power-Korn” bekannte Zwerghirse.
Seit 21 Jahren lebt der Stuttgarter auf Mallorca. Nach der Ausbildung im baden-württembergischen Adelberg zog es den abenteuerlustigen Cammerer unter anderem nach Schottland und Frankreich in Fünf-Sterne-Häuser.
Die Liebe zu einer Mallorquinerin hielt ihn anschließend auf der Insel. Zwölf Jahre lang führte er ein Restaurant am Hafen, bevor er sich dazu entschied, den Feinkostladen mit Backstube zu eröffnen. Als Koch kann man ihn etwa auf Fincas buchen. Cammerer scherzhaft: „Wie es oft ist: Eigentlich wollte ich nur für ein halbes Jahr herkommen!”
Während der Ausgangssperre bietet der Schwabe in Porto Cristo einen Lieferservice für Brot, Backwaren und Spezialitäten des täglichen Bedarfs an. Bestellungen telefonisch oder per WhatsApp unter: +34 610 283 159.