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So geht ein deutscher Arzt auf Mallorca mit Corona um

Dr. Andreas Leonhard. | Privat

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Um Corona ranken sich viele Mythen. Manche Menschen haben extreme Angst vor dem Virus, andere sind sorglos. Das liegt vielleicht auch daran, dass viele weder selbst eine schwere Erkrankung mitgemacht haben, noch einen Betroffenen kennen. Ärzte und Pflegepersonal dagegen erleben Covid-19 hautnah. Welche Erfahrung machen sie? MM hat Dr. Andreas Leonhard vom Facharztzentrum Paguera befragt.

Mallorca Magazin:Herr Dr. Leonhard, wann hatten Sie Ihren ersten Patienten mit Covid-19?

Andreas Leonhard:Bereits im März 2020 haben wir Patienten mit Covid-19 gehabt. Sehr früh waren auch sehr schwere Verläufe dabei. Wir haben sie aber alle ambulant behandelt, entweder bei den Patienten zu Hause oder bei uns in der Praxis unter entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen.

MM:Welche Krankheitsbilder waren das?

Leonhard:Vorkommnisse waren schwere Grippe mit ordentlicher spastischer Bronchitis bis schwerer Lungenentzündung, massivem Husten mit Atemnot, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Müdigkeit et cetera.

MM:Also ist es doch nur eine Grippe?

Leonhard:„Nur” eine Grippe ist häufig ein schweres Erkrankungsbild. Auch eine Grippe kann tödlich sein. Aber es gibt zwei große Unterschiede: Erstens kann bei Covid-19 quasi sofort jeder angesteckt werden, weil unser Körper gegen diesen speziellen Coronavirus im Vorfeld noch keine Antikörper gebildet hat. Wenn eine Zehner-Runde zusammensitzt, können sich deshalb theoretisch alle anstecken. Bei der Grippe passiert das nicht. Da stecken sich in einer Zehner-Runde vielleicht nur ein oder zwei an oder niemand, weil sie früher Antikörper gebildet haben oder grippegeimpft sind.

MM:Und zweitens?

Leonhard:Zweitens hat der Körper mit dem Grippevirus in seinem Leben schon einmal oder mehrmals zu tun gehabt, mit dem Coronavirus aber noch nie. Er hat nicht gelernt, damit umzugehen. Deshalb reagiert das Immunsystem völlig paradox und wild. Dadurch werden Schäden gesetzt, die bei einer normalen Grippe nicht entstehen, zum Beispiel Fibrose, Infiltrate mit Wandverdickung in der Lunge. Darum ist es inzwischen auch sinnvoll, das Immunsystem mit Kortison etwas zu beruhigen, damit es nicht wie ein Amokschütze wild umherballert.

MM:Aber Coronaviren gibt es doch schon lange ...

Leonhard:Coronaviren sind Erkältungsviren, die gibt es schon lange, aber die Gattung SARS-CoV2 gab es noch nicht.

MM:Sie sprachen von der Lunge. Wie greift Covid-19 die Lunge an?

Leonhard:Bei einer klassischen Lungenentzündung sind ein oder zwei Segmente von der Lunge entzündet. Covid-19 läuft großflächiger ab, oft sind wolkenartig beide Seiten befallen, und das macht die Sache natürlich problematisch, weil es zu Ateminsuffizienz führt.

MM:Man hört von Langzeitfolgen. Wie kommt es dazu?

Leonhard:Das sind Kollateralschäden. Sie passieren, weil das Immunsystem eben noch nicht richtig gelernt hat, mit dem Virus umzugehen und zum Teil Unsinn macht. Die Viren greifen zum Beispiel auch den Geschmacksnerv an, das Immunsystem reagiert und der Nerv wird längerfristig geschädigt. Das gleiche passiert offenbar im Gehirn. Deshalb haben manche Betroffene langfristig Probleme bei der Konzentration, Merk- und Denkstörungen, Antriebslosigkeit bis Depressionen. Wenn die Menschen irgendwann einmal geimpft sind, werden wir wenigstens eine Grundausstattung von Antikörpern haben, die diese Schwere und diese Menge an Ausbrüchen verhindern wird, auch wenn es wahrscheinlich kein hundertprozentiger Schutz ist.

MM:Wem würden Sie die Impfung empfehlen?

Leonhard:Im Prinzip jedem ab 16. Nur wird das momentan nicht gemacht, weil nicht genug Impfstoff vorhanden ist. Man sollte die Impfung aufgrund mangelnder Erfahrung nicht aktuell Schwangeren geben und nicht, wenn gestillt wird. Das sind die zwei Gruppen, die aktuell rausfallen.

MM:Ein gesunder junger Mensch soll sich impfen lassen? Sein Immunsystem kann das doch ab?!

Leonhard:Erstens geht man davon aus, dass dann eben dieser junge Mensch weniger infektiös ist, wenn er das Virus bekommen hat, also auch weniger übertragen kann. Das weiß man noch nicht hundertprozentig, aber man geht davon aus. Zweitens können auch junge Leute schwer erkranken. Wir haben genügend Fälle, unter anderem ja auch Spitzensportler, die richtig angeschlagen sind und über Monate nicht auf ihr altes Leistungsniveau zurückkommen. Das heißt, die Impfung ist absolut auch bei jungen Leuten zu empfehlen.

MM:Aber nach der Impfung sind schon Menschen gestorben.

Leonhard:Ja, absolut. Wenn ich zehntausend 96-Jährige impfe, dann werden davon rein statistisch vielleicht 30 im Beobachtungszeitraum der nächsten 30 Tage sterben. Es gibt keine signifikante Übersterblichkeit auch bei extrem alten, geimpften Menschen.

MM:Persönlich haben Sie keine Bedenken vor den Impfstoffen, die so schnell entwickelt wurden?

Leonhard:Ich habe keine Bedenken. Die völlige Sicherheit werden wir auch nach Jahren nicht haben. Es ist, wie wenn ich mit dem Auto nach Palma fahre. Dann nehme ich auch ein Restrisiko des Todes auf mich, weil ein Autounfall passieren kann. Trotzdem fahre ich. Das letzte Restrisiko des Lebens können wir nie ausschalten, aber die Kosten-Nutzen-Abwägung von Impfen gegenüber Covid fällt eindeutig positiv aus.

MM:Was halten Sie von den aktuellen Corona-Regeln auf Mallorca?

Leonhard:Meiner Meinung nach wäre es viel vernünftiger, wenn alle Leute ein paar banale Grundregeln einhalten würden. Eine Maske beim Spaziergang allein zu tragen macht überhaupt keinen Sinn. Eine Maske macht da Sinn, wo einem reichlich Leute begegnen, im Supermarkt oder bei der einen oder anderen Veranstaltung. Vernünftig Abstand halten macht auch Sinn. Terrassen von Restaurants zu sperren macht für mich keinen Sinn, wenn die Leute einigermaßen auseinandersitzen. Es kommt auf die Virusdichte und -intensität an, also wie lange man sich dem Virus aussetzt. Wenn eine Gruppe in einem relativ kleinen Raum zwei Stunden lang zusammen Karten spielt und eine Person davon infiziert ist, dann werden sich wahrscheinlich die anderen anstecken. Aber wenn Leute anderthalb Meter voneinander im Beachclub oder am Strand sitzen, dann können sie sich den ganzen Tag lang unterhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich anstecken, ist extrem gering. Aufpassen sollte man beim öffentlichen Nahverkehr, raus und rein, verschwitzt und eng nebeneinandersitzen, das kann ein Risiko sein.

MM:Wie sieht es beim Fliegen aus?

Leonhard:Im Flugzeug ist die Belüftung perfekt. Sie geht von oben nach unten, das heißt, die verbrauchte Luft wird nach unten gedrückt. Die Leute sitzen auch sehr statisch. Es sind noch keine beschriebenen Ausbrüche in Flugzeugen bekannt.

Mit Dr. Andreas 
Leonhard sprach 
Eva Carolin Ulmer

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