Wer Cala Rajada betritt, den zieht es in der Regel magnetisch zur Uferpromenade und zu den Restaurants dort, wo man vor noch nicht allzu langer Zeit direkt an der Balustrade sitzen und weit aufs Meer hinausblicken konnte. Blau der Horizont, vernehmbar die Gischt – nur der Traumstrand Cala Agulla, der Leuchtturm und die kleine Cala Gat können die deutsch- und anderssprachigen Besucher hier im Nordosten mehr betören.
Die Traumpromenade von früher ist aber dieser Tage kaum mehr wiederzuerkennen. Wer am Uferbereich lustwandelt und vom wunderbaren Blick aufs Meer träumt, wird jäh enttäuscht: Metallzäune versperren die Aussicht, Bagger und Schlagbohrmaschinen machen einen höllischen Lärm, der einst so schöne Weg ist zwischen dem Restaurant S’Amfora und dem derzeit geschlossenen britischen Kolonialhotel „Sea Club” eine einzige, im Übrigen über weite Strecken hermetisch abgeriegelte Baustelle. Der Zugang zum Meer ist vielerorts völlig versperrt. Gegenüber auf der Hafenmole blockieren riesige Steinbrocken die Aussicht auf eines der schön bunten Werke des Künstlers und MM-Freundes Gustavo.
„Der Sand fliegt herum, wir mussten Schiebefenster mit Tesafilm verkleben”, ärgert sich Frank Krüger, der an der Promenade eine angesehene Kunstgalerie betreibt. „Es ist ein Alptraum, überall liegen Schutt, Sand und Steine herum”. Angesichts nicht allzu zahlreicher Arbeitskräfte vor Ort macht sich Krüger inzwischen zunehmend Sorgen, ob denn das im Herbst 2021 gestartete Modernisierungsprojekt bis zum Beginn der Urlaubersaison fertig sein wird. Würde zu lange getrödelt, wäre das eine Katastrophe.
Mit der neuen Uferpromenade soll alles nicht nur schöner werden, auch eine Vorgabe der spanischen Küstenschutzbehörde will die zuständige Gemeinde Capdepera in Zusammenarbeit mit der Hafenbehörde Ports IB erfüllen. Die besagt nämlich, dass es für Fußgänger einen Weg geben muss, der von Tischen der Gastbetriebe nicht verstellt ist. Deshalb entsteht auch eine niedrige Zusatzmauer, die die Restaurant- und die Fußgängerareale begrenzen soll.
Für die Wirte bedeuteten die ausgeweiteten Terrassen erhebliche Mehreinnahmen, auf die sie in Zukunft, wenn die Fläche zugunsten der Passanten enger begrenzt wird, verzichten müssen. Doch Einzelschicksale interessierten auf lokalpolitischer Ebene offenbar niemanden, so der Galerist Krüger. Die Bauarbeiten schmecken den Wirten denn auch überhaupt nicht: In der Pizzeria Luna ist man sogar richtig erbost. Das Geräusch der Baumaschinen in der Woche sei ohrenbetäubend, gibt man sich dort zerknirscht. Auch die angekündigte Verstärkung des Wellenbrechers im Hafen in der anstehenden Saison sorgt für Missmut.
Von deutscher Seite kommen noch weitere Mutmaßungen: Viele fragten sich, was in dem Ort los sei, äußerte ein Teilzeitresident, der seinen Namen nicht zitiert haben möchte, gegenüber MM. Die Atmosphäre sei bereits beschädigt, aber als normaler Bewohner könne man nicht viel dagegen machen. Da in Leuchtturmnähe mehrere Straßen erneuert worden seien, beschleiche nicht wenige das ungute Gefühl, dass dort in naher Zukunft kräftig gebaut werden solle. Was das im Sommer trubelige Zentrum des vor dem Tourismusboom abgelegen-idyllischen Dorfes angeht, so fürchteten sich nicht wenige davor, dass die Gemeinde Capdepera vorhaben könnte, Cala Rajada zu einer Art zweiten Ballermann werden zu lassen, um an mehr Einnahmen zu kommen.
Das Rathaus äußerte zu den Arbeiten an der Promenade gegenüber MM, dass diese mit Sicherheit vor dem Beginn der Saison beendet sein würden. Alles werde schön werden, so ein Sprecher, der die Beschwerden von Deutschen nicht nachvollziehen kann. Es könne halt nichts daran geändert werden, dass der Blick aufs Meer von der Promenade aus derzeit sehr eingeschränkt sei, was auch für den Geräuschpegel gelte. „Bauarbeiten sind nun einmal laut”, so der Sprecher.
Wann auch immer die Promenade fertig wird, jenseits davon sieht es in dem Ort erheblich besser aus: Der durch einen Sturm im Januar 2020 streckenweise zerstörte Gehweg zwischen dem Hafen und der Cala Gat wurde inklusive Beleuchtung wieder hergerichtet. An der Cala Agulla selbst gibt es wie in den Jahren zuvor keine Veränderungen zu verzeichnen. Und das Management der fünf Strände der Gemeinde soll nach einer Ausschreibung mit einem Volumen von 1,3 Millionen Euro für immerhin zwei Jahre festgezurrt werden. Offiziell geht man davon aus, schon ab April Liegen und Schirme anbieten zu können.