Nach neun Jahren Ermittlungen beginnt an diesem Montag in Palma de Mallorca die Gerichtsverhandlung gegen den Diskothekenbetreiber Bartolomé "Tolo" Cursach und 22 weitere Angeklagte. In dem Prozess, der auf weit mehr als 100 Verhandlungstage angelegt ist, geht es um ein vermeintliches Netzwerk aus Bestechung, Korruption und Amtsmissbrauch, in das neben Vertretern des Cursach-Firmenimperiums auch Polizisten und Politiker verstrickt sein sollen.
Der ursprünglich erwartete Mega-Prozess aber scheint nach einer spektakulären Wende zuletzt auf Normalmaß zu schrumpfen. Denn gerade einmal zehn Tage vor dem Beginn der Gerichtsverhandlung legte die Staatsanwaltschaft eine neue Anklageschrift vor, die mit der ursprünglichen Version nicht mehr viel gemeinsam hat. Zahlreiche Vorwürfe gegen die Hauptangeklagten werden nicht aufrecht erhalten, entsprechend drastisch sanken die geforderten Gefängnisstrafen. Cursach etwa muss nach dem Willen der Staatsanwälte nun nicht mehr mit acht-einhalb, sondern nur noch mit eineinhalb Jahren Haft rechnen. Sieben Beschuldigte werden komplett entlastet, statt mehr als 142 Zeugen sind nur noch 54 aufgeführt.
Bezeichnenderweise haben die Staatsanwälte keine neue Anklageschrift verfasst, sondern lediglich in der Ursprungsversion Textkorrekturen ausgeführt: Weite Passagen, ganze Seiten wurden geschwärzt. Dabei soll es jedoch zu Fehlern gekommen sein, weshalb niemand so genau weiß, was nun Sache ist – nur eine der vielen Ungereimtheiten, die der Prozess aufklären muss. Die Ermittlungen verliefen nämlich von Anfang an alles andere als reibungslos. Der Höhepunkt war die Ablösung der Chefermittler – Richter Manuel Penalva und Staatsanwalt Miguel Ángel Subirán –, die sich nun selbst vor Gericht verantworten müssen, weil sie in einem anderen Fall Zeugen beeinflusst haben sollen.
Auch im Fall Cursach spielten Zeugenaussagen eine Schlüsselrolle. Zwielichtige Gestalten aus dem kriminellen und dem Rotlicht-Milieu erhoben schwerste Vorwürfe, auf deren Grundlage dann Dutzende Personen verhaftet wurden. Viele von ihnen verbrachten Monate im Gefängnis. Einige der Zeugen verstrickten sich jedoch mit der Zeit derart in Widersprüche, dass sie jede Glaubwürdigkeit verloren. Viele dieser Aussagen sind nun aus der Anklageschrift gestrichen worden.
Seinen Ursprung hat der Fall Cursach im Jahr 2013, als während der Ermittlungen gegen die Hells Angels mehrere Beamte der Lokalpolizei Palmas ins Visier der Staatsanwaltschaft gerieten. Mit der Zeit tauchten immer mehr Hinweise auf, dass in der Behörde ein regelrechtes Netzwerk korrupter Beamter existierte. Immer weitere Kreise zogen die Ermittlungen, auch mehrere Lokalpolitiker standen plötzlich unter Verdacht, sich an den illegalen Machenschaften beteiligt zu haben.
Die Fäden aber liefen stets bei Cursach zusammen, so die Überzeugung der Ermittler. Dieser betreibt in den Touristenhochburgen Playa de Palma und Magaluf sowie in Palma Partylokale (darunter den Megapark), Diskotheken, Hotels und ein Fitnessstudio. Der mittlerweile 73-Jährige gilt als "König des Nachtlebens" auf Mallorca. Mithilfe von korrupten Polizisten, Mitarbeitern der Stadtverwaltung und Lokalpolitikern sei er gegen unliebsame Konkurrenz vorgegangen, habe Vorschriften umgangen und sich Vorteile verschafft. Im Gegenzug für Freundschaftsdienste und Gefälligkeiten organisierte Cursach exklusive Partys in seinen Lokalen und entlohnte seine Helfer fürstlich – so die ursprüngliche Anklageschrift.
Mittlerweile ist davon nicht mehr allzu viel übrig. Lediglich in drei Fällen ist Cursach überhaupt noch erwähnt. So ließen zwei Polizeibeamte offenbar das negative Ergebnis einer Überprüfung eines der Cursach-Lokale an der Playa de Palma verschwinden. Zweitens: Der Chef der für die Überprüfung von Lärmbelästigungen zuständigen Abteilung der Lokalpolizei soll einen Mitarbeiter Cursachs vor einer Kontrolle in der Diskothek Tito’s gewarnt haben. Und schließlich: Mit Hilfe der Polizei soll ein Angestellter Cursachs einen missliebigen Konkurrenten erpresst und zum Aufgeben gebracht haben. Ob all das zu beweisen ist und inwiefern Cursach dafür verantwortlich gemacht werden kann – die kommenden Wochen müssen es zeigen.