Es war nicht zu leugnen: Bereits im Juni merkte man auf Mallorca beim Bad im Meer, dass das Wasser einen ungewöhnlich warm umspülte. So etwas war in den vergangenen Jahren nicht vorgekommen. Und tatsächlich: Nach mehreren Hitzewellen – die erste sehr verfrühte war bereits im Mai über Mallorca hereingebrochen – war das Meer nicht weniger als fünf Grad wärmer als in jenem Monat üblich. Und jetzt im Juli – der laut Experten heißeste Sommer in Spanien seit dem fernen Jahr 1968 hat begonnen – ist die Badewannentemperatur bereits erreicht: Fast 29 Grad ist das Wasser etwa vor Cala Major und an der Playa de Palma inzwischen warm. Es fühlt sich mitunter wie Brühe an, und der August mit den traditionell höchsten Wassertemperaturen steht erst noch bevor.
„Das liegt ganz klar am Klimawandel”, gibt sich Bernat Amengual überzeugt. Dem Meteorologen vom Wetterdienst Aemet schwant denn auch für September und Oktober, wenn es wieder regnet, nichts Gutes. „Die Gewitter könnten erheblich heftiger ausfallen, der Regen ergiebiger”, sagt er. Die zu erwartende hohe Feuchtigkeit in niedrigeren Luftschichten sei Folge der Tatsache, dass auf das besonders erhitzte Meer dann mitunter eine deutlich frischere Luft aus nördlichen Richtungen treffen wird. Die Gegensätze seien also ausgeprägter, das gefürchtete Wetterphänomen der „Gota Fría” (Kalter Tropfen) könne deswegen noch heftiger ausfallen als in den vergangenen Jahren ohnehin schon. Noch in unschöner Erinnerung ist die Überschwemmungskatastrophe im Inselörtchen Sant Llorenç de Cardassar am 9. Oktober 2018. Zehn Menschen starben damals, als der örtliche Sturzbach angesichts immenser Regenmengen über die Ufer trat. „Die Instabilität beim Wetter wird drastisch zunehmen”, so Bernat Amengual. Stoppen könne man die Erderwärmung nicht mehr, nur vielleicht verlangsamen, und zwar wie allgemein bekannt durch die forcierte Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen. Richtig in die Gänge gekommen sei man dabei aber noch nicht, so der Meteorologe.
Auch die Flora und Fauna im Meer wenige Meter unter der Oberfläche sind wegen des zu warmen Wassers bedroht. „Das Seegras, das das Wasser reinigt, stirbt ab”, so Amengual. Diese geschützten, zum Teil Tausende Jahre alten Pflanzenfelder gelten als Lunge des Meers. Mehr als 55.000 Hektar sind in balearischen Gewässern damit bewachsen, sage und schreibe fünf Millionen im gesamten Mittelmeer. Die Posidonia, wie das Seegras auf Mallorca genannt wird, produziert auf einem Hektar nach Erkenntnissen von Experten fünfmal mehr Sauerstoff als der Amazonas-Urwald auf der gleichen Fläche. Das Seegras filtert zudem Sedimente und verhindert die Erosion von Stränden. Hinzu kommt, dass es für die Helligkeit des Sandes mitverantwortlich ist. Für Taucher sind die sanft in der Dünung wogenden Seegrasfelder nicht nur eine betörende Augenweide, sondern auch nützlich, weil sie Unmengen von Lebewesen anziehen, die bewundert werden können.
Dazu zählen auch die ausnehmend schmackhaften Rotbarben, die in Restaurants nur allzu gern gebraten werden. Diese Fische legen zwischen den Blättern der Pflanzen ihre Eier ab. „Stirbt das Seegras, dann verschwinden auch die Barben”, so Domingo Bonnín Bautista vom Dachverband der balearischen Fischervereinigungen gegenüber MM. Diese Entwicklung sei alles andere als willkommen. Auch die Existenz der allseits bekannten Sepias, der ebenfalls gern verspeisten kleinen Tintenfische des Mittelmeers, könnte beeinträchtigt werden. Diese leben lediglich in null bis 30 Metern Tiefe.
„Doch im Großen und Ganzen ist die Fischerei rund um Mallorca von der ungewöhnlichen Erwärmung des Meeres kaum betroffen”, sagt der Fischer. Das habe damit zu tun, dass man vor den Balearen in der Regel in Tiefen zwischen 50 und 800 Metern fische. „Dort ist die Wassertemperatur ausgesprochen stabil”, so Bonnín. Deswegen könne man sagen, dass die sommerliche Fangsaison trotz des erhitzten Oberflächenwassers „normal” verlaufe. „Die Gambas holen wir weiter in großer Zahl aus 600 bis 700 Metern Tiefe, Hummer leben in etwa 70 Metern.” Dessen ungeachtet sei die Erwärmung eine komplizierte Sache, da sie über die Nahrungskette auch die Tiefe negativ beeinflussen könnte.