Folgen Sie uns F Y T I R

"Nur kleine Erfolge": Tierschützer auf Mallorca hoffen auf bessere Zeiten

Tierschützer bei einem Anti-Stierkampf-Protest vor dem Rathaus von Palma de Mallorca. | Nekane Domblas

| Palma, Mallorca |

Groß war die Empörung im August des Jahres 2020 auf Mallorca, als die Polizei in Manacor Fotos einer von mehreren jungen Männern zu Tode gequälten Straßenkatze veröffentlichte. Sie hatten „Gristio” gefesselt und so lange malträtiert, bis das Tier verendet war. Dank der Aussage eines Augenzeugen konnten die drei Täter identifiziert und festgenommen werden. Mehrere hundert Menschen versammelten sich in Manacor, um ihrer Wut und Trauer Ausdruck zu verleihen.

Am Umgang mit Straßenkatzen scheiden sich auf Mallorca die Geister.

Der Fall zeigt zweierlei: Noch immer kommt es auf der Insel zu erschreckenden Tierquälereien. Andererseits wächst die gesellschaftliche Ächtung solcher Taten. „Ich glaube nicht, dass es sich dabei um Einzelfälle handelt”, sagt Arantzazu Laguna, Koordinatorin der Tierschutzorganisation Anima Naturalis auf den Balearen. „Tierquälerei ist weit verbreitet und geschieht jeden Tag. In den allermeisten Fällen bekommt es die Öffentlichkeit nur nicht mit.”

Erst kürzlich musste sich ein 73 Jahre alter Landwirt vor Gericht verantworten, weil er seinen Hund an den Traktor gebunden und zu Tode geschleift haben soll. Passanten hatten die Tat beobachtet und fotografiert. Der Mann erklärte vor Gericht, es habe sich um einen Unfall gehandelt. Der Hund sei unbemerkt vom Anhänger gesprungen und habe sich dann nicht von der Leine befreien können. Dem Mann droht nun eine Gefängnisstrafe – ebenso wie den drei Tätern aus Manacor. „Das Problem sind die Menschen, die einfach keinerlei Empathie für Tiere haben”, sagt Laguna.

Das sieht auch Stephanie Kindermann so, die sich seit vielen Jahren als Tierschützerin auf der Insel engagiert. „Für viele sind Tiere immer noch Gebrauchsgegenstände”, sagt sie. „Wenn sie nicht mehr nützlich sind, kommen sie eben in den Müll.” Teil des Problems sei, dass die bestehenden Gesetze in Sachen Tierschutz nicht konsequent angewendet würden. Erst kürzlich habe sie vergeblich versucht, Hilfe zu holen, als sie von einem Pferd erfuhr, dass auf einer Weide in der prallen Sonne verendete. Als dann endlich ein Tierarzt kam, konnte das Tier nur noch eingeschläfert werden. „Wenn du die Polizei wegen einer Katze anrufst, dann lachen die dich aus”, sagt Kindermann. „Selbst wenn sich jemand traut, trotz Angst vor Repressalien Anzeige zu erstatten, passiert häufig nichts.”

Zuletzt hatten erneut zwei Themen für Schlagzeilen gesorgt, um die es nun schon seit vielen Jahren Debatten gibt: die Pferdekutschen in Palma und der Stierkampf. Vergangene Woche fanden in Palmas Arena gleich zwei Corridas statt. Mehrere hundert Personen fanden sich ein, um dem blutigen Spektakel beizuwohnen. Nachdem es in der Vergangenheit bei solchen Anlässen bereits häufig heftige Auseinandersetzungen und sogar Handgreiflichkeiten zwischen Stierkampf-Gegnern und -Befürwortern gegeben hatte, fiel der Protest diesmal einige Nummern kleiner aus.

Auch Stierkämpfe wie hier in Palma sorgen auf Mallorca oft für Empörung.

Vor dem Rathaus in Palma kamen am letzten Julisonntag noch nicht einmal zwei Dutzend Aktivisten zusammen, um gegen die Corridas zu protestieren. Und auch vor der Stierkampfarena kam es diesmal nicht zur Konfrontation. Lediglich eine kleine Gruppe Tierschützer fand sich dort an den beiden Tagen ein. Die Linkspartei Més Estimem Palma veröffentlichte eine Mitteilung, in der sie die Stierkämpfe verurteilt. Es handele sich dabei um eine der „grausamsten Formen der Tiermisshandlung”, heißt es darin.

Als einen großen Erfolg verbuchten Mallorcas Tierschützer dagegen die Demonstration gegen die Pferdekutschen in Palma, zu der Ende Juli etwa 400 Personen gekommen waren. Aufgerufen hatte zu dem Protest die neugegründete Tierschutzpartei Progreso en Verde. „Wir haben Geschichte geschrieben”, sagt deren Vorsitzender Guillermo Amengual. „Sonst kommen nie mehr als 40 Leute zu solchen Demonstrationen.” Amengual übt vor allem an der Stadtverwaltung harsche Kritik. „Sieben Jahre lang haben sie nichts unternommen”, sagt er. „Das ist politische Feigheit.”

Tatsächlich sind in Palma bereits seit 2015 die Linksparteien an der Macht, die sich unter anderem den Tierschutz auf die Fahnen schreiben. Bereits 2019 hatten sich diese darauf geeinigt, Alternativen zu den traditionellen Pferdekutschen suchen zu wollen. Geschehen war dann aber lange nichts. Bis jetzt. Wenige Tage vor der Anti-Kutschen-Demonstration gab das zuständige Dezernat dann bekannt, dass in Palma künftig nur noch Kutschen mit Elektro-Antrieb unterwegs sein sollen – ab dem Jahr 2024. Man habe so dem Protest den Wind aus den Segeln nehmen wollen, kritisiert Amengual. Letztendlich handele es sich bei der Ankündigung jedoch um nichts weiter als Augenwischerei. Schließlich stehen im kommenden Jahr Wahlen an und was danach geschieht, weiß kein Mensch.

Das Kutschenthema hatte in den vergangenen Hitzewochen immer mehr an Bedeutung gewonnen, besonders, nachdem mehrmals Tiere gestürzt waren. Fotos von den vermeintlich kollabierten Tieren machten schnell die Runde und sorgten selbst international für Aufsehen. Die Kutscher beteuern, dass es sich um einfache Stürze gehandelt habe.

Zusätzlichen Unmut gab es dann in den vergangenen Tagen auch noch wegen einer Verschärfung der städtischen Verordnung, die den Einsatz der Kutschen reguliert. Künftig dürfen diese an Tagen, an denen das Wetteramt eine Hitzewarnung ausgesprochen hat, überhaupt nicht mehr zum Einsatz kommen. Progreso en Verde hatte denn auch dazu aufgerufen, alle Kutscher anzuzeigen, die in diesen Tagen trotz Warnstufe Gelb unterwegs waren. Anschließend stellte sich jedoch heraus, dass die Neuerung erst nach einer 15-Tagesfrist in Kraft tritt, also am 22. August. Für die Kutscher Anlass, sich zu Wort zu melden. „Wir sind angeschrien und genötigt worden”, beklagte einer ihrer Vertreter, Manuel Vargas, gegenüber der Tageszeitung „Ultima Hora”. Die neue Hitzeregelung werde die Kutscher „wirtschaftlich strangulieren”.

Tierschützer Guillermo Amengual ficht das nicht an. „Wir sind grundsätzlich dagegen, dass Tiere zum Arbeiten benutzt werden”, sagt er. „Es gibt doch Alternativen heutzutage.” Um den Tierschutz auf Mallorca voranzutreiben, will er künftig mit seiner Partei auf lokaler und regionaler Ebene bei Wahlen antreten. „Bisher repräsentiert keine balearische Partei den Tierschutz”, sagt er. „Es fehlt einfach jemand, der diese Bewegung anführt.”

Schon mehrfach sind in der Sommerhitze Kutschpferde zusammengebrochen.

Dass Tiere in Spanien mittlerweile durchaus über eine Lobby verfügen, zeigen die Pläne der Zentralregierung in Madrid, erstmals ein Gesetz zum Schutz des Tierwohles zu verabschieden. Derzeit handelt es sich noch um einen Entwurf. „Es ist das erste Mal, dass es so ein Gesetz in Spanien gibt”, sagt Arantzazu Laguna von Anima Naturalis. „Das ist eine gute Nachricht.” Abgesehen davon aber gehe die Neuregelung längst nicht weit genug. „Ich hatte gehofft, dass es weiterreicht und beispielsweise auch Themen wie den Stierkampf und die Jagd umfasst.” Immerhin sollen nun erstmals auch die betreuten Straßenkatzenkolonien reguliert werden. Das allerdings rief bereits balearische Wissenschaftler auf den Plan, die anmerkten, dass Katzen Raubtiere seien, die unter anderem die lokale Eidechsen-Population bedrohten. In der aktuellen Version des Gesetzesprojekts hält Laguna das Verbot des Verkaufs von Hunden und Katzen in Zoohandlungen für die weitreichendste Regelung.

Den Ansatz hält auch Helga Henrichs vom Tierschutzverein Feliz Animal in Andratx für richtig. Sie erlebt tagtäglich, welche Folgen es hat, dass Leute sich unbedacht Haustiere anschaffen, die sie dann schon nach wenigen Monaten wieder loswerden wollen. „Erst heißt es: Oh, sind die süß, die Welpen. Wenn sie dann fünf Monate alt sind, müssen sie weg.” Die Corona-Pandemie habe den Trend zuletzt noch verstärkt. Denn als während des Lockdowns in Spanien lediglich Hundebesitzer zum Gassigehen auf die Straße durften, schafften sich viele Leute kurzerhand einen Vierbeiner an. Mittlerweile landen diese nun in den Tierheimen. „Die sind alle überfüllt”, sagt Henrichs. Die Folge: Vielerorts wird eingeschläfert, auch, wenn das öffentlich kaum eine Einrichtung zugebe.

Haustiere landen auf der Insel nur allzu oft im Tierheim, weil sie ausgesetzt werden.

„Es ist wirklich unfassbar, wie leichtfertig die Leute ein Haustier wieder abgeben.” Die Menschen müssten ihre Einstellung zu Tieren grundsätzlich ändern. „Es sind nun einmal keine Sachen, sondern Familienmitglieder.” Ein typisch mallorquinisches Problem sei das jedoch nicht. Das betreffe Deutsche und Engländer genauso. „Natürlich gibt’s immer noch die alten mallorquinischen Bauern, die ihre Hunde und Pferde schlecht behandeln. Die neue Generation aber denkt da anders.”

Auch Stephanie Kindermann sieht einen Wandel, wenngleich sich dieser nur ganz langsam vollziehe. „Ganz, ganz allmählich tut sich etwas auf der Insel”, sagt sie. „Die Sensibilisierung steigt und die Presse berichtet mehr über Tierschutzthemen.” Auch der Veganismus sei stark im Kommen, gepusht in erster Linie durch ausländische Residenten.

Alles in allem bleibt noch einiges zu tun in Sachen Tierschutz auf Mallorca. Auch der nächste Konflikt ist bereits vorporgrammiert. Der Bürgermeister des Bergdorfes Fornalutx, Francesc Marroig, kündigte jetzt an, dass der traditionelle Stierlauf Correbou in diesem Jahr wieder stattfinden wird, nachdem er zuletzt wegen der Corona-Pandemie ausgefallen war. Am 7. September ist es soweit und Mallorcas Tierschützer haben bereits angekündigt, vor Ort dagegen protestieren zu wollen.

Zum Thema
Meistgelesen