Für manche ist es nur ein hässlicher Kasten, für andere ein einzigartiges Baudenkmal: Das Gesa-Hochhaus lässt kaum jemanden kalt. Kein Wunder, dominiert es doch aufgrund seiner Lage gemeinsam mit der Kathedrale Palmas Silhouette. Wer vom Flughafen in die Inselhauptstadt fährt, kommt unweigerlich an dem gläsernen Bürogebäude vorbei. Wie es von innen aussieht, weiß kaum jemand. Denn das Hochhaus, in dem bis Ende 2008 der Energie-Versorger Gesa seine Büros hatte, steht seit 16 Jahren leer und ist seit geraumer Zeit komplett verrammelt, weil sich immer wieder unbefugte Personen Zutritt verschafft hatten. Bis jetzt kursierten lediglich alte Fotos, die das einst prächtig eingerichtete Gebäude von innen zeigen.
Davon ist heute nichts mehr übrig, wie bei einem Ortstermin am Montagmittag deutlich wurde, den die Stadt organisiert hatte. Anlass war der Kauf des Gebäudes samt umliegender Grundstücke, der nun nach 20 Jahre währendem Hin und Her vollzogen wurde. Schon bevor der Kauf in Anwesenheit einer Notarin im Plenarsaal des Rathauses abgewickelt worden war, nahmen Mitarbeiter der Stadtwerke die erste Maßnahme in Angriff: sie übermalten die Graffiti, mit denen Unbekannte den Wellblechzaun überzogen hatten, der das Gebäude weiträumig umgibt. Da bislang das Energieunternehmen Endesa Eigentümer der Immobilie war, hatte die Stadt keine Handhabe dazu. Das ist nun anders.
Auch das Innere des Gebäudes, das neben dem Erd- und Untergeschoss neun Etagen sowie eine Dachterrasse hat, ist in den vergangenen Jahren heruntergekommen. Es gibt keinen Strom und auch sonst ist offenbar nur das Nötigste getan worden, um den Verfall aufzuhalten. Zumindest die enorme Deckenlampe in der Eingangshalle ist vorsorglich mit Packdecken eingewickelt worden. Ansonsten ist der Anblick trist. Lampen und Fenster sind zerschlagen, der Teppich durchgelaufen, Türen und Wände beschmiert, in der Decke klaffen riesige Löcher. Überall stapeln sich die alten Möbel, schief und krumm stehen die Aktenschränke, in denen zum Teil noch Ordner mit Papieren stecken. Irgendwo liegt ein Wandkalender von 1996 herum. Zentimeterdicker Vogeldreck zeugt davon, dass hier wohl Tauben nisten.
Eines aber hat sich nicht geändert in all den Jahren: Der Blick aus den Fenstern ist atemberaubend, auch, wenn die Scheiben hoffnungslos verschmiert sind. Links der Kongresspalast, rechts die Kathedrale, geradeaus das Meer – viel besser kann eine Lage in Palma nicht sein. Entsprechend hart umkämpft war das Gesa-Hochhaus in den vergangenen Jahren. Das Bauunternehmen des ehemaligen Präsidenten des FC Barcelona, Núñez y Navarro, überwies 2005 mehr als 85 Millionen Euro für den Kauf der Immobilie an Endesa. Lange Zeit sah alles danach aus, dass das Werk des mallorquinischen Architekten José Ferragut abgerissen würde, um Platz für mehrere Wohnblöcke mit Luxusapartments zu schaffen. 2007 dann die Wende: der Inselrat stellte das Hochhaus unter Denkmalschutz. Es folgten Gerichtsprozesse und ein jahrelanges Hin und Her.
Tatsächlich bekam Núñez y Navarro am Ende Recht: Endesa musste die einst kassierten Millionen wieder zurückzahlen – und war nun also wieder im Besitz einer heruntergekommenen Immobilie, mit der nichts anzufangen war. Während der vergangenen Legislaturperiode begannen dann die Planungen für eine neue Nutzung. Das Gesa-Gebäude sollte der Mittelpunkt des Innovationsdistriktes Nou Llevant werden. Die Stadt handelte einen komplizierten Deal mit Endesa aus. Dieser sah eine gemeinsame Nutzung und den Tausch gegen andere Grundstücke vor – ein kompliziertes stadtplanerisches Puzzle. Zum Abschluss brachte man die Verhandlungen nicht.
Das gelang nun dem jetzigen Bürgermeister Jaime Martínez. „Es handelt sich um ein ikonisches Bauwerk”, sagte er am Montag. Martínez ist im Hauptberuf Architekt und ließ dann auch sogleich seiner Fantasie freien Lauf: Man könne ja Wände und Decken einreißen und so die bislang eher engen Büroräume in große Flächen verwandeln. In dem Gebäude sollen künftig eine Stadtbibliothek, ein Bürgeramt, ein Museum, ein Auditorium und Büroräume untergebracht werden. Weiterhin geplant ist, dass dort die Zentrale des Innovations- distriktes Nou Llevant entsteht. Als nächstes soll nun ein Ideenwettbewerb zur genauen Nutzung des Gebäudes und der Umgebung stattfinden. Bis Jahresende werde dann ein ausgearbeitetes Projekt vorliegen, versprach Martínez.
30,5 Millionen Euro lässt sich die Stadt das Gesa-Hochhaus samt umliegenden Grundstücken kosten, zehn davon stammen von der EU. Im Gegenzug verzichtet Endesa auf weitere Ansprüche in Millionenhöhe. Keine Prognose wollte der Bürgermeister zu der Frage abgeben, wie viel Geld die Stadt noch in die Rundumsanierung des Gesa-Gebäudes wird investieren müssen. Ganz billig wird das nicht, wie beim Ortstermin am Montag unschwer zu erkennen war.