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Mallorca, die Politik und der „Ballermann” im Visier

Tourismusminister Iago Negueruela stoppt die bierselige Mallorca-Party in bester Miami-Vice-Polizeimanier. | Karrikatur: Ultima Hora

| Mallorca |

Im Jahre 2014 stieg Álvaro Gijón über Nacht zum bekanntesten mallorquinischen Politiker in Deutschland auf. Und zum meistgeschmähten. Der konservative Tourismusdezernent der Stadt Palma hatte eine Verordnung auf den Weg gebracht, die zivilisiertes Verhalten an der Playa de Palma einforderte. Es sollte Schluss sein mit Alkoholexzessen auf öffentlichen Straßen und Plätzen. „Eimersaufen” am Strand, sprich der Genuss von Sangria aus Bottichen samt meterlangen Strohhalmen, wurde ebenfalls verboten. Der „Vater der Benimmregeln” war dadurch trinkfesten Teutonen am „Ballermann”, also der neuralgischen Partymeile an der Playa de Palma zwischen Bier- und Schinkenstraße, Balneario 6 und Mega-Park, als Spaßbremse verhasst.

Der damaligen Verordnung, die nach Jahren der zügellosen Ausschweifungen so etwas wie Ruhe, Ordnung und einen Hauch Gediegenheit an die Playa bringen sollte, war jedoch kein langes Leben beschert. Wegen juristischer Formfehler wurde sie eingestampft, sodass die Alkoholexzesse samt ihren Begleiterscheinungen – wie nächtliche Ruhestörung, Verunreinigungen, Kriminalität, illegaler Handel, Straßenprostitution – weiterhin für negative Schlagzeilen sorgten.

Jetzt scheint Iago Negueruela beste Chancen zu haben, in die Fußstapfen von Álvaro Gijón zu treten und sich die Verwünschungen der internationalen Kampftrinkerzünfte zuzuziehen. Der balearische Tourismusminister arbeitet konsequent daran, dem ausgelassenen Treiben deutscher und britischer (Jung-) Urlauber Einhalt zu gebieten. Unter der Federführung des sozialistischen Politikers wurde im vergangenen Jahr das Dekret gegen Alkoholexzesse verabschiedet. Es zog die Lehren aus dem Fiasko der Benimmregeln und wartete mit Zonen auf, in denen der Gesetzgeber Maßnahmen ergreifen kann, um Ansammlungen von alkoholkonsumierenden Menschen in der Öffentlichkeit zu unterbinden, seien es ausländische Urlauber oder einheimische Party-People. Auf Mallorca wurden 2019 zwei Zonen – die Meile rund um den „Ballermann” sowie das britisch dominierte Magaluf – zu Sonderzonen erklärt.

Der Kampf der balearischen Politiker von rechts und links gegen das wüsten Gebaren des „Sauftourismus” weist somit eine gewisse Tradition auf. Die jüngsten Lokalschließungen in der sogenannten Bier- und Schinkenstraße an der Playa de Palma sowie an der Punta-Ballena-Straße in Magaluf liegen damit ganz auf der Linie der balearischen Agenda, verstärkt auf qualitativ hochwertigen sowie nachhaltigen Tourismus zu setzen und die Wahrnehmung der Insel im Ausland auf ein höheres Niveau zu heben.

Und dennoch steht die jüngste Maßnahme, die von spanischen Medien als ein „neuer Härtegrad” im Kampf gegen die Alkoholexzesse bezeichnet wurde, unter einem ganz anderen Vorzeichen: Denn die Lokalschließungen wurden nicht von Iago Negueruela unterzeichnet, sondern von seiner Kollegin, der balearischen Gesundheitsministerin Patricia Gómez. Begründet wurde die Schließung der Lokale mit dem Infektionsrisiko. Man wolle die Verbreitung des Coronavirus durch Ansammlungen von alkoholisierten Menschen unterbinden, wo weder Masken getragen noch Mindestabstände einhalten werden.

Natürlich stößt die Lokalschließung auf den Protest der Unternehmer, ihrer Beschäftigten und der treuen Stammkundschaft. Der Aufschrei gegen die als ungerecht empfundene Maßnahme, die am Mittwoch vergangener Woche zum Tragen kam ist riesig. Der Verband der Diskotheken- und Nachtklubbetreiber (Abone) sowie der touristischen Einzelhändler (Acotur) haben wie angekündigt Verwaltungsbeschwerde eingereicht. Allein die von der Schließung betroffenen Lokale summieren sich auf über 100 (an der Playa de Palma 34, in Magaluf 70). Die Beschäftigten sind erneut arbeitslos, kurz nachdem die Saison halbwegs wieder angelaufen war.

Nicht wenigen Kritikern der Maßnahme kommt es vor, das Gesundheitsrisiko diene nur als Vorwand, um dem Partytourismus mit Verboten die Existenz zu nehmen. Abone-Chef Jesús Sánchez spricht von einer „Ausflucht” der Regierung, ebenso viele Leserkommentare. Bestätigt sehen sich die Verfechter der Ballermann-Party insbesondere durch die Worte des Tourismusministers Negueruelas, der auf der Pressekonferenz über die Exzesse gesagt hatte: „Wir wollen keine unzivilisierten Urlauber auf unseren Inseln. Sie sollen nicht kommen.”

Tatsächlich fand Negueruela reichlich Zustimmung von Arbeitgeber- und Hotelverbänden, den Regierungsparteien sowie weiten Teilen der mallorquinischen Gesellschaft. Palmas Bürgermeister José Hila sagte in Bezug auf die Bilder der dicht an dicht versammelten Urlauber in Magaluf und an der Playa: „Das sind Zustände, die kann man nicht zulassen.”

Allenfalls der Hotelverband an der Playa de Palma, der näher dran ist am Geschäft mit den Touristen, differenzierte ein wenig: „Es sind nicht die Touristen, die wir nicht wollen – es ist das unzivilisierte Betragen”, das die Branche vor Ort ablehnt, sagte Verbandspräsidentin Isabel Vidal.

Diese Aussage wiederum rückt die wirtschaftliche Bedeutung des Partytourismus in den Mittelpunkt. Nach Abone-Angaben setzt die feierwütige Branche in einem normalen Jahr balearenweit eine Milliarde Euro um. Zum Vergleich: Die Einnahmen aus dem Tourismusgeschäft auf den Inseln betrugen nach Angaben des vor wenigen Wochen veröffentlichten Wirtschaftsjahrbuchs 2019 insgesamt 16,5 Milliarden Euro.

Doch für die nunmehr von der Schließung betroffenen Lokale, die sich auf Urlauber mit Lust auf Bier und Ballermann-Schlager eingestellt haben, geht es nun ums Überleben. Gleichwohl handelt es sich, so viel ist klar, um einen begrenzten Bereich. Oder, wie es Vidal ausdrückte: „Wir haben es satt, dass 100 Meter Strandabschnitt das Bild der fünf Kilometer langen Playa prägen.” Nicht die Schließung der betroffenen Lokale sei notwendig, wichtiger wäre der Einsatz von ausreichend Polizei- und Sicherheitskräften gewesen, um Zusammenballungen von trinkenden und feiernden Menschen in den Straßen, auf der Promenade oder am Strand von vornherein zu verhindern.

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