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Musik

"Werde Madrid genießen": Italiens ESC-Star Marco Mengoni vor Spanien-Konzert im MM-Interview

Der Erfolgssänger, der sein Land bereits zweimal beim Grand Prix vetreten hat, tritt im Rahmen seiner Europa-Tournee am Mittwoch in der Hauptstadt auf. MM hat mit ihm gesprochen

Auf seiner "Live-in-Europe-Tour" verzauberte Marco Mengoni seine Fans, wie hier im November in Düsseldorf vor rund 4000 Zuschauern – MM war live dabei | Foto: Uwe Erensmann/@uepress

| Mallorca/Madrid |

Mallorca Magazin: Hola Marco! Ihre Musik hat sich von intimen, introspektiven Balladen zu kraftvollen internationalen Pop-Hymnen entwickelt. Welcher persönliche Moment oder welche künstlerische Entscheidung hat diesen Wandel am stärksten beeinflusst?
Marco Mengoni: Mit dem Erwachsenwerden verändert sich der kreative Blick. Was diesen Wandel am meisten beeinflusst hat, war vor allem das Bedürfnis, sinnbildlich die Fenster zu öffnen: frische Luft hereinzulassen, neue Welten, Kollaborationen und unterschiedliche Stimmen. Die intimen Balladen bleiben eine meiner Wurzeln, doch irgendwann entsteht der Wunsch, weiter zu reisen und die Musik in größere Horizonte zu tragen. Verschiedene Genres auszuprobieren, mit meiner Stimme zu spielen und mit jungen Künstlerinnen und Künstlern wie Angelina Mango oder Sayf zu arbeiten, ist für mich ein großes Privileg. Ich glaube, meine Musik hat sich verändert, als ich begonnen habe, mich selbst mit mehr Freundlichkeit zu betrachten. Ich habe verstanden, dass ich mich nicht zwischen Intimität und Energie entscheiden muss – beides gehört zu mir.

MM: Sie bleiben der italienischen Sprache treu, obwohl Sie inzwischen ein internationales Publikum haben. Welche Emotionen lassen sich Ihrer Meinung nach besser auf Italienisch transportieren?
Mengoni: Italienisch ist für mich Heimat – Klang und Haut zugleich. Manche Nuancen, besonders Melancholie, Liebe oder Verletzlichkeit, erreichen auf Italienisch eine besondere Sanftheit. Es geht nicht um Überlegenheit, sondern um emotionale Wurzeln. Diese Sprache erlaubt mir, sehr fein zu erzählen. Gleichzeitig singe ich auch in anderen Sprachen: Mein erstes komplett englisches Lied, Coming Home, ist gerade erschienen. Due vite gibt es auf Französisch, und Songs wie L’essenziale, Buona vita oder Voglio wurden auch auf Spanisch veröffentlicht. Pronto a correre erschien sogar in einer speziellen EP-Version für den spanischen Markt. Am Ende zählt nur, die Menschen zu erreichen – egal in welcher Sprache.

MM: Sie treten häufig in Spanien auf, wo viele Fans die Texte nicht wörtlich verstehen. Wie gelingt es Ihnen, Emotionen und Authentizität über die Sprachgrenze hinaus zu vermitteln?
Mengoni: Ich spüre in Spanien, dass das Publikum nicht jedes einzelne Wort braucht. Sie verstehen den Körper, den Blick, den Atem zwischen den Sätzen. Musik hat eine körperliche Dimension, die Sprachen überwindet – solange man keine Angst hat, sich wirklich zu zeigen. Wenn nicht alles verstanden wird, werden Stimme, Präsenz und Augen, die für sich sprechen, umso wichtiger. Außerdem habe ich auch spanische Songs, ich habe in Spanien gelebt und liebe die Sprache.

MM: Auf der Bühne wirken Sie oft offen und verletzlich. Ist diese Transparenz manchmal schwer, oder ist sie genau das, was Sie antreibt?
Mengoni: Verletzlich zu sein ist nie bequem – es ist jedes Mal ein Sprung ins Leere. Aber genau dieser Risiko­Moment gibt der Performance Sinn. Offenheit schafft echte Verbindung. Natürlich ist Verletzlichkeit manchmal anstrengend. Aber ohne sie bleibt nur eine technische Darbietung, und das ist nicht das, was ich möchte. Gerade die Zerbrechlichkeit lässt mich lebendig fühlen – sie ist der Grund, warum ich auf die Bühne gehe.

MM: Welche Erfahrungen aus Ihrem Leben spüren Sie besonders, wenn Sie auf einer Bühne wie der in Madrid stehen?
Mengoni: Wenn man weit weg von Zuhause singt, melden sich die ersten Wurzeln: Familie, Schutz, Erinnerungen an die eigene Stadt. Dieser kindliche Teil, der auch auf einer riesigen Bühne nach einem sicheren Halt sucht.

MM: Sie haben als Jugendlicher ein kleines Studio in Ihrem Zimmer eingerichtet. Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich heute sagen?
Mengoni: Ich würde dem Jungen in seinem Zimmer sagen: Bleib ruhig – es wird alles gut. Und ich würde ihm sagen, dass ich stolz auf den Mann bin, der er geworden ist.

MM: Viele sehen Sie als Stimme Ihrer Generation. Fühlen Sie sich verantwortlich, soziale oder emotionale Themen in Ihrer Kunst aufzugreifen?
Mengoni: Kunst kann nicht ignorieren, was um uns herum passiert. Über emotionale, kulturelle oder soziale Themen zu singen ist keine Pflicht, sondern eine natürliche Folge des Lebens in dieser Zeit – und der Geschichten der Menschen, die zuhören. Ich möchte keine Sprecherrolle einnehmen, aber wenn ich ein Mikrofon halte, fühle ich die Verantwortung, es sinnvoll zu nutzen. Themen wie Emotionen, Inklusion oder Zuhören liegen mir sehr am Herzen.

MM: Wie hat Ihre langjährige Therapie Ihr künstlerisches Schaffen beeinflusst?
Mengoni: Therapie bedeutet für mich, mir eine Stunde ganz für mich zu nehmen. Ich hatte sogar einmal Psychologie studiert, wenn auch nur kurz – das Unbewusste fasziniert mich dennoch sehr. Due vite spricht genau von diesem feinen Dialog zwischen Bewusstem und Unbewusstem.

MM: Was gibt Ihnen unterwegs ein Gefühl von Zuhause?
Mengoni: Auf Tour wird Zuhause zu einer Sammlung kleiner Dinge: eine Pflanze, die mitreist, ein Anruf bei der Familie, eine Abendroutine, die Stabilität gibt. Diese Details verwurzeln einen, auch wenn man täglich die Stadt wechselt. Das Team wird zu einer Art reisender Familie – und gerade diese gemeinsamen Momente sind die schönsten. Deshalb liebe ich es, unterwegs zu sein.

MM: Viele Ihrer spanischen Fans verbinden Ihre Musik mit mediterraner Wärme. Spüren Sie bei Auftritten dort eine besondere Nähe?
Mengoni: In mediterranen Ländern herrscht eine vertraute Energie: Nähe, Wärme, ein bestimmtes Lebensgefühl. Dort aufzutreten erzeugt eine natürliche Verbundenheit. Das Mittelmeer ist für mich eine emotionale Temperatur. In Spanien fühle ich mich sofort zuhause – die Menschen schauen einem in die Augen, sind herzlich und direkt. Diese Energie erkenne ich sofort wieder.

MM: Welcher künstlerische Traum treibt Sie aktuell an?
Mengoni: Im Moment träume ich davon, neue Einflüsse und Verbindungen zu erkunden. Im Dezember endet die Tour, und danach beginne ich ein Projekt, das mich sowohl künstlerisch als auch persönlich weiterbringen wird.

MM: Gibt es einen Ort in Spanien, der Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?
Mengoni: In Spanien gibt es viele Orte, an denen man sich sofort willkommen fühlt: eine kleine Bar, in der der Besitzer einen wiedererkennt, eine Gasse, die nach Musik riecht, ein Park, in dem man in Ruhe Energie tanken kann. Als ich in Madrid lebte, hatte ich viele solcher Ankerpunkte. Heute, das gebe ich mit etwas Bedauern zu, ist die Tourzeit sehr hektisch – aber ich werde mir ein paar Tage nehmen, um die Stadt wieder richtig zu genießen.

MM: Welches spanische Gericht hat Sie besonders begeistert?
Mengoni: Ich liebe die spanische Küche in all ihren Facetten – und das Gefühl von Geselligkeit und Experimentierfreude, das sie vermittelt. Ob Paella, die man gemeinsam isst, oder Tapas, bei denen man vieles probieren und sich dabei einfach amüsieren kann: Es ist ein kulinarisches Erlebnis voller Freude.

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