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Rafa Nadal, der nette Junge von nebenan

Der Tennisprofi ist auch heute noch (fast) ganz normal im Heimatort Manacor integriert

Hat seine "9" bekommen: Rafael Nadal mit dem Vorsitzenden von Inter Manacor, Pere Mateo (r.). | Foto: Miquel Àngel Cañellas

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Manacor ohne Rafael Nadal, das ist wie Leimen ohne Boris Becker: Ein in der Welt weitgehend unbekannter Flecken auf der Weltkarte. Dank ihrer berühmten Söhne haben beide Kleinstädte immer wieder Erwähnung gefunden und sei es nur in personalisierter Form als "der Leimener" oder "el manacori".

Einen großen Unterschied gibt es aber doch: Während Becker heute vorzugsweise in London weilt, hält Nadal seinem Manacor im Osten von Mallorca nach wie vor die Treue. Ein guter Zeitpunkt, um den derzeit besten Tennisspieler der Welt in seiner Heimatstadt anzutreffen, ist im Frühjahr oder vor Weihnachten.

"Vor der Sandplatzsaison trainiert er öfters hier", sagt Albert Riera, aber auch dieser Tage sei er wieder vor Ort. Riera bespannt gerade einige Schläger für Nadal, der am kommenden Tag gegenüber von Rieras Xtreme Tennis-Shop im Club de Tenis Manacor ein paar Bälle schlagen wird.

Nadal hat gerade eines seiner erfolgreichsten Karrierejahre abgeschlossen und wieder Platz Nummer eins der Tenniswelt erobert. Für Riera ist "Rafalet", wie ihn die meisten Einwohner Manacors nennen, ein Kunde wie jeder andere, der früher mal mit seiner Frau im Tennisclub gegenüber gespielt hat. "Rafa kommt gerne nach Manacor, hier kann er normal leben, man lässt ihn in Ruhe", sagt Riera. Genau über seinem Geschäft wohnte die Familie Nadal früher, bevor sie ins Zentrum zog: Sebastián und Ana mit ihren Kindern Rafael und Maribel.

"Ich sehe ihn noch heute, wie er mit dem Bocadillo in der Hand über die Straße kam. Er verpasste von Montag bis Freitag kein Training und kam auch noch Samstag, das machte sonst kein Jugendlicher", erzählt Juan Hidalgo. Der Geschäftsführer des Club de Tenis, wo Rafael den Umgang mit dem Schläger erlernte, sitzt in einem kleinen Büro im ersten Stock des Clubgebäudes vor einem überladenen Schreibtisch.

Finanziell habe man schon bessere Zeiten gesehen, räumt Hidalgo ein. Der berühmteste Clubspieler kommt zwar ab und zu zum Trainieren, hält sich mit monetären Zuwendungen jedoch zurück. "Rafa war und ist für mich ein großer Freund", betont der 75-Jährige. Bis vor wenigen Jahren habe ihn der Tennisstar immer zur Begrüßung in den Arm genommen. Aber dabei ist es geblieben. Ein Tennisturnier, dem Nadal seinen Namen geben würde, das wäre es doch, aber irgendwie kommt da nichts. "Er würde vielleicht, aber sein Umfeld möglicherweise nicht. Das denke ich", sagt Hidalgo.

Es gab mal vor ein paar Jahren eine kleine Auseinandersetzung mit Rafas Trainer und Onkel Toni, in der es um die Kandidatur für den Vorsitz des balearischen Tennisverbands ging. Hidalgo ging das so nahe, dass er seinen Rafalet im vergangenen Sommer gefragt hat, ob er etwas gegen ihn habe. "Juan, du weißt, das es nicht so ist", habe dieser geantwortet. Warum er dann nicht einmal zum Training der Jugendlichen komme, wollte Hidalgo wissen.

"Weil alle Kinder Autogramme haben wollen. Ich will aber meine Ruhe haben", habe die Antwort gelautet. Das versteht Hidalgo, denn er weiß, was los ist, wenn Nadal zum Training kommt, auch wenn er anonymisiert als "CTM" auf dem Belegungsplan steht. Einer kriegt es immer raus und dann drängeln sich schnell mal 1000 Leute auf der kleine Anlage mit den sieben Sandplätzen.

Es ist auch nicht so, dass sich der Tennisstar grundsätzlich nicht finanziell engagieren würde. Mit seiner Stiftung Fundació Nadal unterstützt er Sportprogramme für sozial benachteiligte Kinder. Die Stiftung ist auf seinen eigenen Wunsch entstanden. Wer so populär und wohlhabend ist, wie die Nummer eins der Tenniswelt, braucht ein feines Gefühl, um seine Zuwendungen in der richtigen Dosis zu verteilen.

Auf seinen Rafa lässt Hidalgo dann auch nichts kommen: "Ein ehrlicher, bestens erzogener Junge, ein echter Freund für seine Freunde, ein guter Arbeiter." Und dem die Stadt Manacor, so findet Hidalgo, ruhig mehr Anerkennung schenken könnte. Nach der Rückeroberung der Nummer eins in diesem Jahr gab es nicht einmal einen Empfang. Nadal wird es nicht vermisst haben, er fühlt sich eher unwohl auf dem roten Teppich.

Ganz im Gegensatz zu seinem deutschen Pendant. Und noch etwas unterscheidet ihn von Tennislegende Becker: Rafael Nadal bleibt - soweit bekannt - skandalfrei in seinem Liebesleben, ist seit Jahren mit Xisca, der besten Freundin seiner Schwester zusammen.

Auch seinen Freunden von früher ist Rafael bis heute treu geblieben, wie Tomeu Artilles. Der 28-Jährige hat mit Nadal gemeinsam im Club de Tenis gespielt und gibt dort heute Trainerstunden. Nach wichtigen Turniersiegen gehe Nadal am liebsten im kleinen Kreis feiern, mit dem harten Kern von acht Jungs. "Er gibt das Essen und die erste Runde aus. Aber wir wollen ihn nicht ausnutzen, sonst wären wir keine guten Freunde mehr. Wenn er nichts sagt, zahlen wir auch, ganz normal", sagt Artilles, der mit Rafael seit rund 20 Jahren befreundet ist.

Rafael Nadal, soviel wird deutlich, ist das Gegenteil eines Superpromis. "Wenn er ausgeht, triffst du ihn in denselben Bars wie alle anderen, er will keinen besonderen VIP-Bereich. Für die Leute ist er hier immer noch der Rafalet. Manacor hat ihn halt aufwachsen sehen", sagt Artilles.

Ein Foto mit Freunden würde er MM gerne zur Verfügung stellen. Wie sich später herausstellt, hat aber das Management etwas dagegen: Darauf sei ein "falscher" Sponsor zu sehen. Die Normalität um Nadal hat auch hier ihre Grenzen.

Man habe früh gesehen, dass der drahtige Junge etwas Besonderes sei. "Mit acht Jahren ist er Balearenmeister in der Kategorie bis zwölf Jahren geworden", erzählt er. Kurz nach seinem 19. Geburtstag gewann Nadal zum ersten Mal das wichtigste Sandplatzturnier der Welt, die French Open. Hat man da Ehrfurcht? "Es ist nicht mehr als ein Sport, die Leute neigen dazu, die Dinge überzubewerten", sagt Artilles. Von 30 Spielen gegen Nadal hat er drei gewonnen. "Zweimal musste er wegen Verletzung aufgeben. Ich habe also einmal auf normalem Wege gewonnen. Immerhin", sagt er und lacht breit.

Tomeu hegt ehrliche Bewunderung für seinen Freund. "Für mich ist es ein Wunder, wie jemand von Januar bis Oktober Topleistung bringen kann." Ehrgeiz und bedingungsloser Wettkampfwillen spielen sicher eine Rolle. "Egal, was er macht", versichert Tomeu. "Wir spielen Fußball: Er will gewinnen. Wir spielen Duros (Münzen an die Wand werfen, welche näher liegen bleibt, gewinnt): Er will gewinnen. Bei allem spielt er mit voller Konzentration", sagt er.

Hinzu komme die mentale Stärke Nadals. "Wir haben ihn das oft gefragt: ,Rafa, wenn du 2:6 im ersten Satz zurückliegst, was denkst du dann?' Er sagt dann: ,Ok, schlechter kann ich nicht spielen. Also versuche ich im zweiten Satz, mehr zu laufen und mehr zu kämpfen, mal schauen was rauskommt.' Unsereins würde vielleicht schon ans nächste Turnier denken, er nicht: Er liegt 2:6 zurück denkt sofort daran, alles zu geben und wieder hochzukommen. So gewinnt er seine Matches."

Eine Schwäche hat er vielleicht doch: Glaubt man seinem ehemaligen Schuldirektor Toni Tomás am Col.legi Sant Vicenç de Paúl, war das die Musik. "Das Fach ist ihm am schwersten gefallen", sagt Tomás, wohl wissend, dass Rafaels Opa gleichen Vornamens ein bekannter Musiker ist. Ansonsten sei Rafalet ein ganz normaler Schüler gewesen, der am liebsten Fußball spielte. Auffallend war an ihm vielleicht nur seine Bescheidenheit.

Tomás kann sich an eine Anekdote erinnern, als der damals Zwölfjährige gerade europäischer Jugendmeister geworden war. "Ich sagte zu ihm, dass er mir ja hätte sagen können, dass er so einen Titel gewonnen hatte. Seine Antwort war, das sei doch überhaupt nicht wichtig." Wichtig war dem Schüler Nadal vor allem eins: Mit dem Lernstoff auf dem Laufenden zu bleiben, wenn er mal wieder eine Woche weg war, um ein Turnier zu spielen. Das sei ihm auch gelungen, so Tomás. Ein Überflieger sei er aber nicht gewesen.

"Bescheiden" - dieses Wort fällt immer wieder, wenn ihn Weggefährten beschreiben, und manchmal begeisterungsfähig wie ein kleiner Junge. Da gab es vor zwei Jahren einmal einen Ausgehabend in Porto Cristos Partymeile "Es Carreró". Pere Mateo sprach mit seinen Freunden mal wieder über die Gründung eines Fußballvereins. Zur Clique gehört auch Miquel Copet, einer der besten Freunde von Rafael Nadal. Der Tennisstar war ebenfalls unterwegs und stieß zur Gruppe dazu.

"Er war von unserer Idee ganz begeistert", sagt Mateo. Spontan fragte er Rafael, ob er mitmachen wolle. "Seine Antwort war ja, aber nur wenn er die Neun (Position des Mittelstürmers) bekomme." Als es ernst wurde und die Jungs ihren neuen Klub "Inter Manacor" tatsächlich anmeldeten, schickte ihnen der prominente Spieler sogar sein Foto für den Spielerpass und die offizielle Anmeldung.

Es kam, wie es kommen musste, kurze Zeit später rückten die ersten Fernsehteams an. "Wir waren so ziemlich in jedem Programm", erzählt Mateo. Und als Nadal zur offiziellen Teampräsentation persönlich erschien, war ganz Manacor aus dem Häuschen. "Er hatte eine Riesengeduld und ließ sich mit jedem Fan einzeln fotografieren, das hat mehr als eine halbe Stunde gedauert", erzählt Mateo, der stolzer Besitzer von Nadals Handynummer ist. Man sei aber vorsichtig mit zu vielen Wünschen. Pläne gäbe es viele: Eine Jugendmannschaft soll aufgebaut werden und ein Rafael-Nadal-Pokal gestiftet werden. Ein Treffen für Weihnachten ist schon abgemacht. "Man darf ihn nur nicht bedrängen", sagt Mateo.

Das tut in Manacor aber ohnehin keiner. Deswegen kommt der größte Star der Stadt auch so gerne wieder zurück. Obwohl, oder mehr noch: gerade weil er dann keinen großen Empfang bekommt.

(aus MM 51/2013)

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