Zum Jahreswechsel trat auf Mallorca ein neues Tarifsystem in Kraft, das sowohl für die Überlandbusse, als auch für die Eisenbahn und die Metro auf der Insel gilt. Erste Reaktionen hat es bereits gegeben – und die fielen nicht gerade positiv aus. „Man hätte wirklich ein Tarifsystem wählen können, das leichter verständlich und gerechter ist“, kritisiert der Verband der Nutzer der mallorquinischen Eisenbahnen. Das balearische Verkehrsministerium habe aber stattdessen lieber sichergestellt, dass die privaten Betreiber des Busnetzes ein gutes Geschäft machen können, heißt es weiter.
„Das neue Tarifsystem ist kompliziert zu verstehen, aber leicht anzuwenden“, sagt Maarten van Bemmelen, Geschäftsführer des Nahverkehrskonsortiums CTM und Hauptverantwortlicher für die Reform des Nahrverkehrssystems. Um die Neuerungen zu verdeutlichen, hier kurz der Ist-Zustand. Bislang gab es im Großen und Ganzen lediglich zwei Möglichkeiten: Wer auf Mallorca lebt, kann die sogenannte Tarjeta Intermodal beantragen und auf diese entweder 20 (ein Jahr gültig) oder 40 Fahrten (45 Tage gültig) laden. Der Preis variiert je nach Anzahl der Tarifgrenzen, die man während der Fahrt überschreitet. Die Insel ist zu diesem Zweck in fünf Tarifgebiete unterteilt. Die zweite Möglichkeit ist, ein Einzelticket am Schalter oder Automaten (im Falle der Eisenbahn), beziehungsweise beim Fahrer (im Falle der Überlandbusse) zu lösen. Davon machen in der Regel Urlauber Gebrauch – die Schätzungen zufolge etwa 50 Prozent der Nutzer stellen.
Diesen eröffnen sich nun mit der Reform des Tarifsystems ganz neue Möglichkeiten. Zum einen kann man weiterhin ein Einzelticket kaufen, das wie bisher nicht zum Umsteigen berechtigt. Dies ist jedoch die teuerste Variante. Denn die Preise für Einzeltickets werden zum Teil stark angehoben. Fahrten über vier Tarifgrenzen hinweg – zum Beispiel von Port de Pollença nach Palma – kosten künftig neun Euro. Bislang lag der Preis auf dieser Strecke bei 6,50 Euro. Die Strecke Port d’Andratx-Palma kostete bisher 5,75 Euro, in Zukunft 6 Euro. Im alten Tarifsystem wurden die Preise aufgrund der zurückzulegenden Kilometer berechnet, erklärt van Bemmelen. Ab Januar ist die Zahl der überquerten Tarifgrenzen das einzige Kriterium. So kommt es, dass die Fahrt von Cala Rajada nach Palma, die bisher 11,45 Euro kostete, billiger wird: Künftig kostet sie nur noch 9 Euro.
Erstmalig ist es seit Januar möglich, in den Überlandbussen auch mit Bankkarte zu zahlen (ausschließlich kontaktlos). Das hat den Vorteil, dass sich dabei der Ticketpreis drastisch reduziert – und das sogar für bis zu fünf Personen, wenn mit ein und derselben Karte gezahlt wird. So reduziert sich der Ticketpreis bei der ersten Person um 40 Prozent, bei jeder weiteren Person steigt der Rabatt dann um weitere fünf Prozent auf bis zu 60 Prozent bei der fünften Person, die dann also für das 9-Euro-Ticket bloß noch 3,60 Euro zahlt. Außerdem erlauben die so gekauften Fahrkarten das zweimalige Umsteigen innerhalb von 60 Minuten. Das Ziel dieser Neuerung ist klar: Bislang dauerte es oft eine halbe Ewigkeit, bis an der Haltestelle alle Passagiere ihr Kleingeld beisammen und dem Fahrer übergeben hatten. Das verzögerte die Abfahrt oft enorm. Damit soll nun Schluss sein, indem ein Anreiz zur Kartenzahlung geschaffen wird. In die gleiche Richtung zielt der ebenfalls neu eingeführte Internetkauf.
Seit Januar kann man seine Fahrkarten nämlich auch vorab auf der Internetseite www.tib.org kaufen. Wer das tut, bekommt 40 Prozent Rabatt auf den vollen Fahrpreis und darf mit dem in Form eines QR-Codes ausgestellten Ticket ebenfalls zweimal umsteigen.
Bleibt noch die Neuregelung, die in erster Linie Passagiere betrifft, die auf Mallorca leben und regelmäßig mit Bus und Bahn unterwegs sind. Die 20- und 40-Fahrten-Tarife werden abgeschafft. Stattdessen lädt man künftig eine Geldsumme auf die Tarjeta Intermodal, die man dann nach und nach verfährt. Zu diesem Zweck muss man die Karte künftig nicht mehr nur beim Einsteigen an das Kartenlesegerät halten, sondern auch beim Aussteigen. Auf diese Weise wird ermittelt, über wie viele Tarifgrenzen hinweg man gefahren ist. Auf dieser Grundlage berechnet sich nämlich der Fahrpreis.
Das ist zunächst einmal eine Erleichterung, denn bisher musste man sich beim Kauf der 20- oder 40-Fahrten-Tarife entscheiden, für welches Tarifgebiet diese gelten sollten. Wer also 20 Fahrten von Port de Pollença nach Palma auf seine Karte buchte, dann aber nur bis Inca fuhr, ließ den Rest der Strecke quasi verfallen. Das neue System hat aber auch Nachteile. Denn der Fahrpreis, den Inhaber einer Tarjeta Intermodal zahlen müssen, ist variabel. Und damit wird es richtig kompliziert: Zunächst gibt es einen Basispreis, auf der Strecke Port de Pollença-Palma beträgt dieser 3,60 Euro. Diesen zahlt der Inhaber einer Tarjeta Intermodal aber nur bei der jeweils ersten Fahrt im Monat. Pro Strecke sammelt er nämlich Punkte, die in Centbeträge umgerechnet und dann vom Ticketpreis der jeweils nächsten Fahrt abgezogen werden. Die zweite Fahrt kostet demnach neun Cent weniger, die dritte 18 Cent weniger, die vierte 27 Cent weniger und so weiter, bis der für die jeweilige Strecke vorgegebene Mindestpreis erreicht ist – in diesem Fall sind das neun Cent.
Der Gedanke dahinter ist klar: Möglichst viele Leute sollen motiviert werden, regelmäßig mit Bus und Bahn zu fahren. Je öfter, desto billiger. „Wir halten dieses System einfach für besonders flexibel“, sagt van Bemmelen. Doch gerade gegen diese Neuregelung gibt es bereits Proteste. Nicht nur der Verband der Eisenbahnnutzer hält das System für ungerecht. Auch Marc Crespí vom Verband der Überlandbus-Passagiere ist skeptisch. Er fährt täglich von Pollença nach Palma zur Arbeit und hat es durchgerechnet: „Ich komme mit dem neuen Tarifsystem in etwa auf die selben Kosten wie bisher“, sagt er. „Sollte ich aber nur ein paar Tage im Homeoffice arbeiten, lohnt es sich für mich schon nicht mehr.“ Denn der Rabatt, den man sich „erfahren“ hat, wird ja zu Beginn jedes neuen Monats wieder auf null gestellt.