Die katholische Kirche auf Mallorca befindet sich in einem Schockzustand. Die Missbrauchsvorwürfe gegen Geistliche der Insel lassen vor allem die Gläubigen ratlos zurück, zumal sie sich auch gegen den beliebten Prior des Klosters Lluc richten, das als das geistliche Zentrum der Insel gilt.
Nüchtern betrachtet kann es natürlich niemanden verwundern, wenn es auch im Umfeld der Kirche Mallorcas Missbrauchsfälle gegeben haben sollte. Dazu ist in vergangenen Jahren international zu viel an Tageslicht gekommen. Hoffnung macht allerdings der neue Umgang der Kirchenleitung mit den Vorwürfen. Der Bischof hat offenbar rasch und entschlossen reagiert. Ganz anders als die Kirchenoberen vor zehn, 20 oder mehr Jahren, die vertuscht haben, was zu vertuschen war. Die klare Kante, die Papst Franziskus und sein Vorgänger Benedikt in jüngster Zeit vorgegeben haben, trägt Früchte.
Schwierig beim Umgang mit diesen Missbrauchs-Vorwürfen ist die Tatsache, dass die beschuldigten Kirchenleute stets leicht zu identifizieren sind. Der „Prior von …“ oder der „Pfarrer von …“ sind nun mal Personen des öffentlichen Lebens. Auch eine Anzeige, die sich nicht bewahrheitet, kann ihr Leben zerstören. Aber nach all dem, was früher zum Tabu erklärt wurde, muss dieser Preis wohl bezahlt werden. Es gibt im Zuge der Ermittlungen keine Alternative zu Amtsenthebungen und Anzeigen, und sie müssen auch öffentlich gemacht werden.
Der Missbrauch von Kindern ist natürlich kein reines Kirchenthema. Er findet vor allem in Familien, bei Nachbarn und Freunden oder in Sportvereinen statt. Auch dort dauert es häufig lange, bis die Opfer den Mut finden, die Verbrechen anzuzeigen. Dass die katholische Kirche unter besonderer Beobachtung steht, hat mit dem hohen moralischen Anspruch der Institution an sich selbst, mehr aber noch mit der Art zu tun, wie die Kirche solche Vorgänge in der Vergangenheit unter den Teppich gekehrt hat, sprich: wie sie sich an den Opfern versündigt hat.