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Niemand ist eine Insel

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So wichtig sind Beziehungen, Nähe und das Gefühl von Zugehörigkeit

Heute geht es weder um den gleichnamigen Roman von Simmel, noch um den englischen Dichter John Donne, von dem die Titelzeile stammt. Es geht um etwas, das für uns Menschen, aber offenbar auch für einige Tiere, lebensnotwendig ist: Das Zusammensein mit Anderen derselben Art. Vielleicht haben Sie schon einmal etwas von der Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow gehört. In diesem Modell gibt es verschiedene Ebenen, die die Wichtigkeit verschiedener Bedürfnisse skizzieren. Gleich nach den Grundbedürfnissen "Essen, Trinken, Schlafen" und den Sicherheitsbedürfnissen "Materielle und berufliche Sicherheit, Wohnen, Arbeit" folgen die sozialen Bedürfnisse "Freundschaft, Liebe, Gruppenzugehörigkeit". Nach dieser Idee ist es erst dann möglich, sich selbst zu verwirklichen und zu wachsen, wenn die basalen Bedürfnisse, wie oben aufgeführt, erfüllt sind. Kein Wunder also, dass alles Geld der Welt am Ende einen einsamen Menschen nicht glücklich machen kann. Was wir wollen und offenbar dringend brauchen, sind sowohl der Austausch mit anderen Menschen, als auch körperliche Nähe. Selbst Menschen, die aufgrund von traumatischen Ereignissen körperliche Nähe nicht oder nur schwer zulassen können, brauchen Anerkennung und Zuspruch, sprich emotionale Nähe, um ein gutes Leben zu führen.

Vor rund 30 Jahren gab es einen erschütternden Bericht über ein Kinderheim in Rumänien, in dem die Kinder vor sich hin vegetierten. Sie schienen mit Essen und Trinken versorgt worden zu sein, aber keine Nähe oder Zuwendung erfahren zu haben. Viele der Kinder wurden nach der Entdeckung des Kinderheims in Familien adoptiert und hatten von da an bessere Umstände, um sich zu entwickeln. Sie konnten unter guten, normalen Bedingungen weiterleben. Nun hat 2020 ein Forscherteam einige der Familien aufgesucht und die adoptierten Kinder von damals untersucht. Man wollte erforschen, ob an den heutigen Erwachsenen noch Schädigungen am Hirn und emotionale Besonderheiten nachweisbar wären, verursacht durch den totalen Entzug von Nähe und Zuwendung. Und tatsächlich fand man heraus, dass zum einen die Gehirne kleiner waren, als bei Erwachsenen, die eine gewisse Zeit in englischen Kinderheimen verbracht hatten und dann adoptiert wurden, zum anderen wiesen diese heutigen Erwachsenen einen geringeren IQ auf und hatten auch mehr Symptome von ADHS, der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Weiter stellten die Forscher auch bei vielen Betroffenen Bindungsstörungen fest. Enthemmtes soziales Engagement bedeutet (was diese Kinder häufiger zeigten, als das bei nicht institutionalisierten Kindern der Fall wäre), dass sie zum Beispiel mit völlig Fremden mitgehen würden oder dass sie bestimmte soziale Grenzen nicht wirklich wahrnehmen können, keine Unterscheidung zwischen ihren engsten Angehörigen zeigen würden oder völlig Fremden gegenüber sehr zutraulich waren. Was die damals Adoptierten heute zeigen ist, dass sie sehr viel Persönliches direkt von sich preisgeben würden, obwohl sie die Person noch gar nicht so gut kennen. Natürlich zeigt sich das nicht bei allen, aber bei vielen, und das bis heute noch. Die Studien wurden durchgeführt von Professor Dr. Edmund J. S. Sonuga-Barke und seinem Team von der Universität Southampton. Eine weitere Studie folgte, an der auch Dr. Nuria K. Mackes vom Londoner King's College und weitere Forscher beteiligt waren.

Natürlich ist das ein extremes und furchtbares Beispiel dafür, was soziale Isolation mit uns Menschen machen kann. Aber auch weniger dramatische Ereignisse oder Lebensumstände können dazu führen, dass wir vereinsamen, uns unglücklich fühlen, vielleicht an Seele oder Körper krank werden. So etwas kann tatsächlich auch auf der Sonneninsel Mallorca geschehen. So kommen viele Paare auf die Insel, um sich ihren Lebenstraum zu verwirklichen, sich eine neue Existenz aufzubauen oder ihren wohlverdienten Lebensabend zu verbringen. Aber auch hier sind wir nicht davor gefeit, dass Beziehungen auseinandergehen, mal friedlich, mal extrem anstrengend oder dass der geliebte Mensch an unserer Seite stirbt. Was dann? Weitermachen, aushalten, zurück nach Deutschland gehen?

Neben all den existentiellen Fragen kommt dann auch das Alleinsein, mit dem wir irgendwie umgehen müssen. Ich erlebe es oft, dass plötzlich Alkohol wie ein (falscher) Retter in der Not auftaucht, der alles etwas einfacher zu machen scheint. Oder es wird auf andere Drogen oder auch Tabletten zurückgegriffen. Dabei stellt sich die Frage, was das eigentliche Problem bzw. Bedürfnis ist. Oft ist es schlichtweg Einsamkeit, die die Menschen umtreibt. Je nachdem, wo man wohnt (und das nicht nur auf Mallorca), ist es eine Herausforderung, menschlichen Kontakt zu finden. Da kann es wirklich helfen, zunächst auf das Telefon oder Video-Telefonie zurückzugreifen. Aber das wird echten, menschlichen Kontakt auf Dauer nicht ersetzen, wie wir in den letzten, herausfordernden Jahren alle erleben mussten. Eine andere Möglichkeit ist es, über die sozialen Medien Gleichgesinnte zu finden, sei es, um gemeinsam zu wandern, spanisch zu lernen oder indisch zu kochen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Auch die ehrenamtliche Mitarbeit in einer gemeinnützigen Institution kann dazu beitragen, sich wieder zugehörig zu fühlen. Ganz davon abgesehen, dass es natürlich überall genug Menschen (und Tiere) in Not gibt, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.

Auch wenn mein nächster Hinweis vielleicht nicht jedem gefällt: Wir sollten uns auch wieder mehr umarmen. Halten Sie lieber für die Zeit der Umarmung die Luft an oder tragen Sie eine Maske, wenn es Ihnen sinnvoll erscheint, als auf diese Geste ganz zu verzichten. Die Familientherapeutin Virginia Satir sagt dazu: "Wir brauchen vier Umarmungen am Tag, um zu überleben, acht Umarmungen, um stabil zu bleiben und zwölf, um uns weiterentwickeln zu können." Auch wenn Ihnen diese Anzahl im Moment utopisch vorkommt, sollten Sie doch jede Chance dazu nutzen. Und besonders gut tut eine Umarmung übrigens, wenn sie länger als 20 Sekunden andauert. Bei Paaren konnte nach einer solchen Umarmung bereits ein steigender Oxytocin-Spiegel (das sogenannte Bindungshormon) nachgewiesen werden. Neueste Forschungen haben ergeben, dass auch das eigene Sich-Halten schon hilfreich ist. Das kann aber nur eine Notlösung sein und eine echte Umarmung selbstverständlich nicht ersetzen.

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