Folgen Sie uns F Y T I R

Konzertführer: Brahms und Sibelius zum Saisonabschluss

|

Es gibt Werke – und nicht einmal die besten -, die bei der Uraufführung, einem Kometen gleich, zünden und das Publikum in Ekstase versetzen, um dann in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. Beethovens bombastisches Schlachtengemälde „Wellingtons Sieg« war so ein Werk. Dann wiederum gibt es Stücke, mit denen Publikum und Kritiker sich zunächst schwertun und die, oft erst posthum, zu Klassikern im weltweiten Repertoire werden. Zwei solche Werke stehen auf dem Programm des letzten Abokonzerts der Saison, am 8.Mai im Auditorium: das Violinkonzert von Jean Sibelius und die vierte Sinfonie von Johannes Brahms.

Da auch Musikkritiker glauben, mit der Zeit gehen zu zu müssen, habe ich mir von KI, genauer gesagt von Microsofts copilot, Texte über die beiden Protagonisten des Abends, den Dirigenten Antonio Méndez und die Geigerin Alena Baeva, schreiben lassen. Herausgekommen sind reißerische Werbetexte, die es mit den Fakten nicht sonderlich genau nehmen. Da spielen dann die Balearensinfoniker „unter der Leitung von Palma de Mallorca« – welch ein Unsinn! Ich will Ihnen diese Machwerke trotzdem nicht vorenthalten und habe die Audiofassungen mit diesem Artikel verlinkt. Der allerdings ist ganz altmodisch handmade, und ich verspreche Ihnen, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.

Die beiden Werke des Abends haben, was ihre Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte betrifft, einige gemeinsam .Beide sind gewissermaßen im Urlaub entstanden: Sibelius hatte sich zur Erholung von seinem ausschweifenden Künstlerleben in Helsinki in in sein Landhaus zurückgezogen, Brahms weilte, als er seine Vierte schrieb, in der notorisch verregneten Steiermark. Beide Komponisten waren von Selbstzweifeln gequält: Sibelius schrieb sein Violinkonzert nach der durchgefallenen Uraufführung komplett um. Brahms bekam von seiner vertrauten Freundin Elisabeth von Herzogenberg bescheinigt, die Sinfonie sei sperrig, ihre Schönheit erschließe sich nur einem intellektuellen Zugang. Sibelius‘ Violinkonzert gelang auch bei der zweiten Aufführung, bei der immerhin der damalige Stardirigent Richard Strauss den Taktstock schwang, nicht der große Durchbruch. Brahms sah sich dem Spott der Musiker ausgesetzt, sie unterlegten den Anfangstakten des ersten Satzes den Schmähtext „Ihm fiel mal wieder gar nichts ein«; Komponistenkollege Hugo Wolf verriss das Werk in der für ihn typischen Bösartigkeit: Brahms „verstehe es, ähnlich wie der liebe Gott, aus nichts etwas zu machen« und sprach von hohler Nichtigkeit und Duckmäuserei.

Heute sind beide Werke längst anerkannte Klassiker und aus dem Konzertrepertoire nicht mehr wegzudenken. - Sibelius’ Violinkonzert unterscheidet sich stark von den typischen Virtuosenkonzerten der Romantik. Es ist tief emotional, aber niemals sentimental; technisch herausfordernd, doch kein reines Schaustück. Seine dunkle, nordische Atmosphäre und seine tiefgehende Expressivität haben es zu einem der am häufigsten aufgeführten Werke der Violinliteratur gemacht. Berühmte Geiger wie Jascha Heifetz, Itzhak Perlman und Anne-Sophie Mutter haben die Aufführungspraxis geprägt und in ihren Interpretationen neue Facetten dieses musikalischen Juwels offenbart. – Für die Brahms-Sinfonie hat sich schon früh Hans von Bülow eingesetzt. Seine Verehrung für den Meister trug geradezu religiöse Züge: „Ich glaube an Bach, den Vater, Beethoven, den Sohn und Brahms, den Heiligen Geist« soll er gesagt haben. Leonard Bernstein hat der „Vierten« ein Kapitel in seinem Buch „Von der unendlichen Vielfalt der Musik« gewidmet und darin energisch mit Hugo Wolf und Genossen abgerechnet.

Zu beiden Werken gibt es sehr informative Podcasts. In „Das starke Stück« erfahren Sie alles Wissenswerte über das Sibeliuskonzert. „WDR3 Meisterstücke« macht Sie auf humorvolle Weise mit Brahms und seiner Vierten vertraut. Karten wie immer auf der Website des Auditoriums.

Meistgelesen