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Mein ganz privater Klimawandel

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So erfinden Sie sich nach der Menopause neu

Es beginnt schleichend. Erst ein leichtes Frösteln, dann ein plötzlicher Hitzeschub, mitten in der Nacht. Der Körper wird zur Wetterstation. Von feuchtkalt zu Sahara in 30 Sekunden. Willkommen in der Menopause – oder wie ich es lieber nenne: mein ganz privater Klimawandel.

Früher – also wirklich früher – wurden Frauen, die die Menstruation hinter sich ließen, wahlweise für unbrauchbar, heilig oder hysterisch erklärt. In manchen Kulturen galten sie als weise Frauen, in anderen als wandelnde Trockenzonen mit Hang zur Hexerei.

Die Mythen sind zahlreich: Dass die Vagina zur Wüste wird, dass Frau nun nie mehr Lust verspürt, dass der Körper kollabiert und das Hirn von Nebel umwabert wird. Einiges davon ist wahr – manchmal, kurzzeitig, individuell. Ja, Schleimhäute werden trockener. Ja, der Schlaf kann schlechter werden. Und ja, man kann sich fühlen wie ein schlecht programmiertes Heizkissen. Aber: Es geht auch wieder vorbei. Oder lässt sich behandeln. Und zwar ohne Hexenjagd.

Denn heute stehen uns viele Möglichkeiten offen. Wer will, kann hormonell unterstützen – bioidentisch, naturidentisch, schulmedizinisch. Wer nicht will, greift zu Salbeitee, Rotklee, Yoga, Akupunktur oder einer Freundin, die schon ein Jahr weiter ist. Oder zur Therapeutin. Oder zum Humor. Nicht zu unterschätzen: der befreiende Moment, wenn man in einem Gespräch über Hitzewallungen und Libidoverlust nicht mehr rot wird, sondern lacht. Oder sich verstanden fühlt.

Auch das ist die Menopause: eine Zeit des Wandels. Eine Einladung zur Neuverhandlung mit dem eigenen Körper. Ein biologischer Schlussstrich unter das Reproduktionskapitel – und gleichzeitig ein Auftakt. Denn plötzlich darf man sich fragen: Was will ich eigentlich? Was tut mir gut? Und wie will ich den Rest meines Lebens verbringen – möglichst wach, lustvoll und nicht dauererschöpft?

Die Menopause ist kein Ende, sondern ein Übergang. Keine Krankheit, sondern ein Umbruch. Kein Defekt, sondern eine Neujustierung. Und vielleicht – wenn wir ehrlich sind – auch ein Aufatmen. Keine Tampons mehr, kein PMS, keine Angst vor ungeplanten Schwangerschaften. Dafür ein neuer Zugang zu sich selbst. Ohne das ewige hormonelle Auf und Ab, ohne den monatlichen „Könnte ich wirklich schwanger sein?«-Moment.

Ich finde: Eigentlich müsste man die Menopause feiern. Ein Fest der Reife, der Erkenntnis, der körperlichen Eigensinnigkeit. Und vielleicht stoßen wir irgendwann alle gemeinsam an – mit Salbeitee oder Prosecco, ganz nach Lust und Verträglichkeit – und sagen: „Willkommen, neue Zeit. Ich habe Dich erwartet.«

Doch zurück zu den Fakten. Denn wer denkt, das Thema sei nur eine private Angelegenheit unter Bettdecken und im Kühlregal, irrt. Rund 8 Millionen Frauen in Deutschland befinden sich aktuell in der Menopause oder sind gerade hindurchgegangen. Und viele von ihnen leiden – körperlich, seelisch, gesellschaftlich. Denn während Pubertät und Schwangerschaft ganze Regalwände in Drogerien füllen und Talkshows beschäftigen, bleibt der hormonelle Umbruch um die Lebensmitte oft unsichtbar. Tabuisiert. Verharmlost. Oder belächelt.

Dabei gäbe es heute viele Wege, diesen Übergang zu begleiten. Ein Beispiel: die Hormonersatztherapie (HRT). Lange Zeit verschrien – insbesondere nach der großen Women’s Health Initiative Studie von 2002, die auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko hinwies – erlebt sie inzwischen eine differenziertere Betrachtung. Neue Auswertungen zeigen: Für viele Frauen überwiegen die Vorteile, vor allem bei frühzeitiger Anwendung und niedriger Dosierung. Hitzewallungen, Schlafprobleme, vaginale Trockenheit und Stimmungsschwankungen lassen sich oft deutlich lindern. Auch das Risiko für Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann sinken – sofern die HRT individuell abgestimmt und ärztlich begleitet wird.

Dennoch greifen laut aktuellen Zahlen nur etwa 12 % der betroffenen Frauen in Deutschland zu dieser Möglichkeit. Warum? Angst. Mangelnde Aufklärung. Oder schlicht: das Gefühl, dass man „das eben so aushalten muss«. Wie eine Strafe für’s Altwerden. Und genau da liegt das Problem.

Denn wie mit der Menopause umgegangen wird, ist auch eine Frage der Kultur. Während Frauen in Japan die Wechseljahre fast beiläufig erleben – mit deutlich weniger Symptomen und ganz ohne Drama –, steht bei uns oft das Defizit im Vordergrund: Nicht mehr fruchtbar, nicht mehr attraktiv, nicht mehr begehrenswert. In Südamerika hingegen wird diese Zeit als Reifephase zelebriert. Frauen gelten dort ab einem gewissen Alter als mujeres sabias – weise Frauen –, deren Rat gefragt ist, deren Erfahrung zählt. Sie verlieren nicht an Bedeutung – sie gewinnen sie.

Wie anders wäre es, wenn auch wir Frauen hierzulande nicht das Gefühl hätten, uns still aus dem Rampenlicht verabschieden zu müssen, sondern sagen dürften: „Jetzt erst recht!« Wenn wir nicht durch Hitzewallungen und Selbstzweifel hecheln müssten, sondern durch Applaus und Anerkennung. Wenn „Sie ist in den Wechseljahren« nicht als halb mitleidige, halb spöttische Erklärung für jedes Unwohlsein herhalten müsste, sondern als Zeitmarke: „Sie ist auf dem Sprung zu etwas Neuem.«

Natürlich ist nicht jede Frau gleich. Nicht jede braucht Hormone, Salbeitee oder nächtliches Eismatten. Manche gleiten fast unbemerkt hindurch. Andere geraten ins Schleudern. Entscheidend ist: Niemand sollte sich dafür schämen müssen. Und niemand sollte sich alleingelassen fühlen – weder medizinisch noch emotional. Es braucht mehr Sichtbarkeit. Mehr Wissen. Mehr Mitgefühl. Und ganz ehrlich: mehr Humor.

Denn mal ehrlich – wer nachts klitschnass aufsteht, sich dreimal umzieht, alle Fenster aufreißt und am Morgen dann die Kaffeetasse mit dem Kühlakku verwechselt, der darf wenigstens über sich selbst lachen. Am besten laut. Und in guter Gesellschaft.

Wenn Sie also das nächste Mal auf dem Balkon stehen, um Luft zu schnappen – und merken, dass es gar nicht so heiß ist draußen wie drinnen –, dann denken Sie dran: Sie sind nicht verrückt. Sie sind nur mitten im Klimawandel. Ihrem ganz persönlichen. Und das ist gar nicht so schlimm. Vielleicht sogar der Beginn von etwas ziemlich Gutem. In diesem Sinne.

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