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Konzertkritik: Glanzvoller Start des OSIB in die neue Saison

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Gut gelaunt aus der Sommerpause zurück präsentierten die Sinfoniker, Pablo Mielgo und der italienische Pianist Davide Cabassi gestern Abend im Auditorium ein abwechslungsreiches Programm zum Saisonauftakt. – Im Konzert mit Davide Cabassi als prominentem Solisten (Turina – de Fallas „Noches en los jardines de España« – Debussys „Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns« und Richards Strauss‘ „Don Juan«) stand Debussy für das impressionistisch Träumerische, de Falla für den atmosphärischen Erinnerungsraum, Strauss für den dramatischen Kontrast; die Nochess zwischen Traum und Tat, zwischen Faun und Don Juan. Ein Konzept, das nicht zuletzt auch eine Steigerung der Instrumentierung von kammermusikalischer Streicherbesetzung im anfänglichen „Gebet des Toreros« von Joaquin Turina bis zum großen Strauss-Orchester bot.

In Joaquín Turinas La oración del torero (1925) begegnete uns ein Werk, das sich der Geste des Gebets verschreibt, ohne in liturgische Konventionen zu verfallen. Es ist ein musikalischer Monolog, ein innerer Dialog, ein Moment der Sammlung – geschrieben ursprünglich für Lautenquartett, später von Turina selbst für Streichquartett und Streichorchester arrangiert. Die Wahl der Besetzung ist dabei nicht nur pragmatisch, sondern dramaturgisch: Sie bestimmt die Klangfarbe des Gebets, seine Intimität, seine Spannung zwischen Körper und Transzendenz. Die famosen Streicher des OSIB musizierten klangschön, mit füllig-warmer, vibratoreicher Tongebung.

Für de Fallas „Noches« finden sich nur wenige große Pianisten, meist aus dem spanischen Sprachraum (Martha Argerich, Alicia de la Rocha) bereit, den Klavierpart zu übernehmen. Das liegt daran, dass das Stück kein effektvolles Klavierkonzert ist und es keine virtuosen Hochglanzpassagen, keine artistischen Parforce-Ritte und schon gar keine triumphale Kadenz enthält, mithin nichts, womit der Solist glänzen kann. Das Klavier ist eine Klangfarbe unter vielen, die die mediterrane Atmosphäre erzeugen. Umso erfreulicher, dass mit Davide Cabassi ein Pianist von hohen Graden (er erregte nicht zuletzt mit seiner vielgelobten Gesamteinspielung der Beethovensonaten Aufsehen) für den Abend gewonnen werden konnte. Cabassis Spiel integrierte sich – mit der notwendigen Demut gegenüber dem großen Ganzen – in Mielgos Konzept, in dessen Zentrum die impressionistische Klangfarbenpalette und die stellenweise etwas kühle Distanz zu übermäßigen emotionalen Ausbrüchen standen. Die fehlende Wärme liegt natürlich auch darin begründet, dass de Falla die tiefen Register des Flügels weitgehend ausspart, was zu einem eher kristallinen Klang führt.

Claude Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune (1894) ist ein Schlüsselwerk des musikalischen Impressionismus – ein klangliches Gedicht, das die Grenzen zwischen Musik, Literatur und Traum auflöst. Es basiert auf Stéphane Mallarmés gleichnamigem Symbolistengedicht und entfaltet eine Welt zwischen sinnlicher Erinnerung und träumerischer Verwandlung. Das Werk ist kein Programmstück im narrativen Sinn, sondern eine Klangmeditation über den Zustand des Fauns: Am Anfang steht die berühmte Flötenmelodie – ein halb erwachtes Motiv, das sich windet, dehnt, zurücksinkt. Der Faun erwacht aus dem Mittagsschlaf, erinnert sich an Begegnungen mit Nymphen. (Diese Faune, Fabelwesen halb Mensch, halb Ziegenbock, sind ziemlich Testosteron-gesteuerte Burschen. Debussys Faun lebt seine erotischen Anwandlungen eher in schwülen Träumen als in Taten aus. Er verliert sich in Erinnerung, Sehnsucht, erotischer Fantasie. Zum Schluss sinkt die Musik zurück in Stille – kein Höhepunkt, sondern Verlöschen. Der Faun schläft wieder ein, oder wird selbst zum Traum. All das gießt Debussy in die neue Klangsprache des Impressionismus, in der Mielgo und die Sinfoniker gestern Abend ihre größten Momente hatten: sie entfalteten die ganze Magie von Debussys raffinierter Partitur vor einem begeisterten Publikum.

Seinen Höhepunkt fand der Abend in der klanggewaltigen Interpretation von Strauss‘ Don Juan. Man kann Strauss als den Schöpfer des modernen Orchestersounds, dessen sich auch die Filmkomponisten im 20. Jahrhundert bedienten, bezeichnen. (Er hat die Instrumentationslehre des klanglichen Hexenmeisters Hector Berlioz ergänzt, sie dient heute noch als Lehrbuch an den Konservatorien!) Hier waren die Sinfoniker in ihrem Element. Stürmischer Applaus war der Lohn. - Das Konzert wird heute Abend im Auditorium von Manacor wiederholt. Und wer die Stücke des Abends noch einmal nacherleben will: Ich habe sie auf Spotify zu einer Playlist zusammengefügt. In den „Noches« können Sie dabei übrigens Martha Argerich hören, der Cabassi aber nicht nachsteht.

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