Strahlender Sonnenschein am Strand von Sa Coma. Die Liegen auf dem feinen Sand sind bestens belegt, die Brise fächelt die mit Stroh gedeckten Sonnenschirme, wie an kaum einer anderen Playa der Insel glitzert das Meer türkis, springen die Badenden durch die schäumende Brandung. Der Abschnitt im Inselosten ist ein wahres Urlaubsparadies. Kaum vorstellbar, dass dieses friedliche Fleckchen Erde einst von den Menschen in ein Kriegsgebiet verwandelt worden war. Mit Soldaten, Bomben, Gefechten, Tod und Sterben. Keine drei Generationen ist das erst her.
Wer heute in den umliegenden Dörfern über 80 Jahre alt ist, weiß aus frühen Kindheitstagen von den Schrecken des Krieges zu berichten. 16. August 1936: Vier Wochen nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges auf dem Festland (siehe Infokasten S. 24) werden die Kämpfe auch auf Mallorca zur blutigen Realität. Bis dahin hatte auf der Insel trügerische Ruhe geherrscht. Zwar hatte auch hier das spanische Militär unter dem Kommando putschender Generäle die Macht an sich gegrissen. Doch anders als in Barcelona, Madrid oder Andalusien waren Straßen- und Barrikadenkämpfe mit zahlreichen Toten ausgeblieben.
Das Militär unter dem Oberbefehl von General Franco, der sich im Zuge der Ereignisse zum Diktator über Spanien aufschwingen sollte, hatte sich gegen die Regierung der spanischen Republik erhoben. Unterstützt wurden die Militärs von rechtsextremen Splitterparteien wie der Falange und den erz-katholischen Karlisten, aber auch von konservativen Kreisen und der Kirche. Auf Mallorca wurden die staatlichen Repräsentanten der Republik ebenso inhaftiert wie unliebsame Linkspolitiker und Gewerkschafter, liberale Erzieher, anarchistische Arbeiterführer. Es kam auch zu Hinrichtungen.
Von Anfang an hatten die Putschisten die Insel fest im Griff. Sie selbst sahen sich als die „Retter des Vaterlandes", das angeblich unmittelbar vor einer kommunistischen Revolution stand. Jegliche Form von Widerstand war bereits am 19. Juli, dem Tag der Erhebung, im Keim erstickt worden. In den drückend heißen Tagen der Repression verbreitete sich die Nachricht von der Landung republikanischer Truppen im Inselosten wie ein Lauffeuer.
Im Morgengrauen des 16. August, einem Sonntag, gingen die Truppen des Fliegerkommandanten Albert Bayo an mehreren Stellen - von der Cala Anguila im Süden über Porto Cristo bis nach Sa Coma und Cala Sa Nau im Norden - auf einer Länge von sieben Kilometern an Land. Bayo hatte die Flottille, die ausmehreren republiktreuen Kriegsschiffen bestand, im Auftrag der katalonischen Regionalregierung zusammengestellt. Seine Expeditionsarmee war ein bunt zusammen zusammengewürfelter Haufen aus regulären Soldaten aller Waffengattungen, Milizionären diverser Linksparteien und Gewerkschaften sowie freiwilligen Abenteurern. Vor der Landung auf Mallorca hatten seine Männer Ibiza und Formentera erobert und die dortigen Franquisten erschossen.
Auf Mallorca stießen die Truppen, die mit Barkassen an den Stränden abgesetzt wurden, bei Porto Cristo bald schon auf massive Gegenwehr. Das Gros der Truppen ging jedoch unbehelligt bei Sa Coma an Land, mit Bayo - die Pistole in der Hand - als einer der Ersten, der durch das seichte Meer an den Strand watete. Unweit der Stelle, wo der Sand endet und die Felsen der Landzunge Punta d'en Amer beginnen, findet sich eine schmale Einbuchtung. Die Klippen sind flach und das Meerwasser ist tief genug, damit dort ein Schiff gefahrlos anlegen kann. Hier entluden die Milizionäre Maschinengewehre, Geschütze, diverse Autos und Lastwagen. Die Soldaten, Historiker sprechen von insgesamt bis zu 8000 Mann, bildeten eine gewaltige Übermacht gegenüber den rund 3000 militärischen Verteidigern der Insel. Der Weg nach Manacor und Palma schien frei zu sein.
Sebastià Pascual, der heutige Verwalter der Finca Sa Coma, zu der die gesamte Landzunge, das heutige Naturschutsgebiet von Punta d'en Amer zählt, hat hin und wieder Interessierte an die exakte Landungsstelle auf die Felsen geführt. Er selbst hat sie von jenen Zeitzeugen gezeigt bekommen, die die Invasion mit eigenen Augen gesehen oder sogar an ihr teilgenommen hatten. Gerne würde Pascual den Punkt markieren, etwa mit einer Plakette, auf der schlicht „16. August 1936" stehen sollte. „Aber vielleicht bekomme ich dann Ärger mit der Küstenbehörde, und darum soll das doch lieber jemand vom Rathaus machen", sagt der 84-Jährige.
Das Anwesen von Sa Coma diente Bayo als Hauptquartier und Lazarett. Es handelt sich um zwei steinerne Gebäude aus den 19. Jahrhundert, samt einem gemauerten Schlot. Von 1895 bis 1925 war dort ein Molkereibetrieb untergebracht, in dem Kondensmilch in Blechdosen abgefüllt wurde. Die erste Granate, die im Rahmen der Invasion von einem der Kriegsschiffe auf Mallorca abgefeuert wurde, schlug in die Mauer des Haupthauses ein. Das Loch wurde später verputzt, die unterschiedliche Beschaffenheit des Mörtels zeigt die Stelle bis heute an.
Bayos Invasion kam bereits in den Hügeln vor Manacor ins Stocken. Militärhistoriker glauben, dass er zu lange zuwartete und vergeblich auf die Kapitulation der Franquisten spekulierte. Zwischen Mandelhainen und Trockensteinmauern kam es zu einem blutigen Stellungskrieg mit Hunderten von Toten. Die Franquisten setzten auf Hilfe von außen. Unterstützt mit den Millionen des Finanziers Juan March erwarben sie im Italien Mussolinis drei Jagdflugzeuge samt Piloten, die vom 28. August an die Stellungen Bayos beschossen und seine sechs Wasserflugzeuge unbrauchbar machten.
In Madrid war man über die mallorquinische Expedition wenig erfreut. Man benötigte die Truppen an anderen Fronten. Das Marineministerium gab den Befehl, Mallorca zu räumen. In der Nacht vom 3. auf den 4. September dampften die Truppen von Bayo per Schiff wieder davon. Wen der Rückzugsbefehl nicht erreichte, hatte Pech. Mehr als 240 Milizionäre wurden auf Mallorca „vergessen", viele von ihnen fanden noch am Strand von Sa Coma den Tod oder wurden als Gefangene nach Manacor gebracht und dort erschossen. Mit den italienischen Piloten war zudem der berüchtigte „Conde Rossi" nach Mallorca gelangt, ein Faschistenführer, der sich in Manacor als Herr über Leben und Tod aufspielte. Er war für zahlreiche Gefangenen-Hinrichtungen verantwortlich. Sein Motto lautete: „Tutti morti per comunisti", alle erschießen, weil es Kommunisten sind.
Spanischer Bürgerkrieg
Während dreier Jahre, von 1936 bis 1939, versank Spanien in einem blutigen Bürgerkrieg. Auslöser waren zwei politische Morde, denen ein republikanischer Leutnant und kurz darauf ein Monarchistenführer zum Opfer fielen. Damit eskalierte die aufgeheizte Stimmung, die sich seit der Ausrufung der Republik 1931 gebildet hatte. Zwei politische Lager, das linke und das rechte, hatten im Vorfeld so gut wie keine konstruktiven Schritte unternommen, um Gewalt, Chaos und anarchistische Exzesse zu verhindern. In dieser Situation putschte das Militär gegen die demokratisch gewählte Regierung, eine Rebellion, die nur in etwa einem Drittel des Landes erfolgreich war. Aus dieser Situation heraus kam es zu Materialschlachten, in denen sich schließlich General Franco als Oberbefehlhaber durchsetzte und im Verlauf des Krieges eine rechte Diktatur schuf, die bis 1975 Bestand hatte. Der Bürgerkrieg hinterließ in der spanischen Gesellschaftt ein tiefes Trauma. Die Wunden sind bis zum heutigen Tag nicht vollständig verheilt. Mehrere hundertausend Tote waren zu beklagen. 500.000 Spanier flüchteten aus ihrer Heimat. In den Bürgerkrieg griffen auch ausländische Mächte, Nazi-Deutschland und das faschistische Italien ein. Auf Seiten der Republik kämpften Freiwillige aus vieler Herren Länder.