Das MM schien zum Tode verurteilt, damals, 1981. Es war kaum mehr als ein Käseblatt und dümpelte mit einer Auflage von wenigen Hundert Exemplaren und 16 Seiten wöchentlich vor sich hin. Verleger Pedro Serra wollte es mangels Rentabilität eigentlich einstellen.
Geistiger Vater der Zeitung war der Journalist Hans Reitz gewesen, der zunächst einen befreundeten Arzt, Dr. Andés Vidal, mit der Idee "infizierte". Es sei doch schade, dass es keine deutschsprachige Zeitung auf Mallorca gebe; wer sich - Deutscher, Österreicher, Schweizer - auf Mallorca einkaufe oder hier Urlaub mache, wolle sich doch in seiner Sprache über die Insel informieren.
Das leuchtete Vidal ein. Er beschloss, mit einem Freund darüber zu sprechen. Der hieß Pedro Serra, war damals 43, ein bekannter Journalist und (noch) kleiner Verleger. Ihm gehörte unter anderem bereits die englischsprachige Tageszeitung „Majorca Daily Bulletin" . Serra sah die Chance, auch in den deutschen Markt einzusteigen, und am 19. Juni 1971 erschien die erste Ausgabe des „Mallorca Magazins". „Geburtshelfer" war der damalige spanische Tourismusminister in Madrid.
Der erhoffte Erfolg stellte sich in den ersten zehn Jahren allerdings noch nicht ein. Das lag vor allem daran, dass dem Blatt ein klares journalistisches Konzept und journalistische Qualität fehlten. Zum ersten Mal hatte ich MM 1974 in der Hand gehabt. Eine der Schlagzeilen, über die ich damals schmunzeln musste, lautete: "Gäste werden unter Wasser wohnen" (es ging um die Idee, Hotels im Meer zu bauen). Wann immer ich in den nächsten Jahren nach Mallorca kam (ich besaß hier inzwischen ein Ferienhaus), kaufte ich MM. Nie kam es mir jedoch in den Sinn, dass ich eines Tages mit diesem lustigen Blättchen sozusagen verheiratet sein würde.
Das kam so: Ich war damals Chef vom Dienst der Tageszeitung „Die Welt" in Bonn. Ich kündigte, weil mein Chefredakteur Peter Boenisch von Verleger Axel Springer entlassen wurde. Des Ferienhauses wegen nahm ich ein Angebot an, auf Mallorca deutsches Radio zu machen (Vorläufer des heutigen Inselradios). 1981 siedelte ich nach Mallorca über: Für einige Monate, höchstens Jahre, glaubte ich. Nicht im Traum wäre mir eingefallen, dass es drei Jahrzehnte werden sollten.
Bald lernte ich Pedro Serra kennen, der - siehe oben - mit dem Gedanken spielte, MM einzustellen. Nachdem wir uns beschnuppert und über ein neues Konzept der Zeitung diskutiert hatten, bot mir Serra die Leitung des MM an, und ich - der leidenschaftliche Zeitungsmacher - schlug ein und gab das Radio bald in andere Hände. Der Anfang war hart. Die Redaktion, die zunächst im Wesentlichen aus einer Mitarbeiterin und mir bestand, residierte im ersten Stock einer Garage in der Altstadt von Palma; der Leiter wegen, die hinaufführte, spricht Gabriele Kunze (seit 25 Jahren in der Redaktion für die Kultur zuständig) noch heute gern vom „Hühnerstall". Gegenüber, in einem Raum von zwei mal drei Metern, saß die gesamte Anzeigen- und Vertriebsabteilung in Gestalt von José Luis Martínez.
Die in der Redaktion erstellten Texte und die Anzeigen wurden auf IBM-Kugelkopfmaschinen noch einmal abgeschrieben, die Fahnen direkt auf die Seiten geklebt, die dann in die Technik und weiter in die Rotation gingen. Richtig adrett sahen die Seiten jedoch nicht aus. Es wimmelte von Schreibfehlern, weil die Texte von deutschunkundigen Spaniern abgeschrieben wurden. Zudem verfügten die IBM-Maschinen nicht über ein deutsches Trennungsprogramm und sperrten die Zeiten gnadenlos aus.
Niedlich war die Rotation in einem Nebenraum: Die gerade mal zehn Meter lange Offset-Maschine konnte maximal 32 Seiten drucken. Ihre Kapazität war Mitte der 1980er Jahre erschöpft; seither wird MM auf den beiden mehr als 40 Meter langen Rotationen der Schwesterzeitung „Ultima Hora" gedruckt. 32 Seiten Blattumfang reichten nämlich rasch nicht mehr aus. In der Spitze - in den 1990er und 2000er Jahren - erreichte die Zeitung Umfänge von bis zu 160 Seiten. Für die Produktion nutzten wir längst modernste Computertechnik. Gleichzeitig wuchsen Redaktion und Verlag.
Zunächst bezogen wir 1992 die benachbarten Räume des „Majorca Daily Bulletin", das in den Pressepalast am Paseo Mallorca umgezogen war, 2003 siedelten wir schließlich in das neue Druckzentrum von Grupo Serra im Gewerbegebiet Son Valentí über, in dessen Souterrain uns fast 1000 qm Bürofläche zur Verfügung stehen. Spötter sprachen deshalb vom Umzug "aus dem Hühnerstall in den Keller". 1998 berief ich Bernd Jogalla, der schon einige Jahre zuvor vom „Offenburger Tageblatt" zu MM gekommen war, zum Chefredakteur und zog mich auf den Posten des Redaktionsdirektors zurück. 2009 ging ich in den (wohlverdienten?) Ruhestand.
Was war, was ist das Schöne daran, für MM zu arbeiten? Mal abgesehen vom Wetter:Auf Mallorca liegen die Themen auf der Straße oder kommen in Gestalt von interessanten oder prominenten Besuchern eingeflogen. Keine vergleichbare Zeitung in Deutschland konnte sie alle interviewen: Schauspieler, Sport- und Showstars, Wirtschaftskapitäne, Politiker aller Couleur bis hin zu Bundeskanzler und Bundespräsident. Die Arbeit hat Spaß gemacht. Bei dieser Gelegenheit, anlässlich des 40. Geburtstags unserer Zeitung, möchte ich mich bei den vielen hervorragenden Mitarbeitern in Redaktion und Verlag bedanken, ohne die der Erfolg des MM nicht denkbar gewesen wäre. Mein besonderer Dank aber gilt Pedro Serra: Ohne eine so weitsichtige Verlegerpersönlichkeit wie ihn, ohne diesen großen Journalisten und guten Freund, wäre das Mallorca Magazin nicht die erfolgreichste deutschsprachige Zeitung in Spanien geworden.
Der Autor war von 1981 bis 2009 erst Chefredakteur und dann Redaktionsdirektor dieser Zeitung.