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Auf Barcelona Bomben, auf Mallorca la dolce vita

Gerichtsverfahren in Katalonien gegen ehemalige italienische Kampfpiloten

Die historische Aufnahme dokumentiert einen Bombenabwurf auf Barcelona. | Archiv Ultima Hora

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Hochmut, Übermut, Trotz, Stolz - es liegt so viel im Blick dieser sechs Männer, die da lässig aufgereiht dem Fotografen in die Kamera blicken. Die Gruppe steht im Freien auf einem steinigen Boden mit spärlichem Graswuchs. Die Männer tragen Fliegermonturen mit den neuartigen Reißverschlüssen sowie pelzbesetzte Kragen. Sie haben die Hände in den Taschen, einer raucht eine Zigarette. Kein Zweifel, es sind Männer, die sich im Selbstverständnis sonnen, die Welt aus den Angeln heben zu können.

Das Foto ist eine der ganz seltenen überlieferten Aufnahmen von den italienischen Kampfpiloten, die auf Mallorca stationiert waren. Die Insel wurde während des Spanischen Bürgerkriegs zu ihrem "Flugzeugträger, von den Flugplätzen in Palma, Inca, Ses Salines, Pollença und Alcúdia flogen die Italiener von 1936 bis 1939 ihre Einsätze an der spanischen Ostküste, ließen Tonnen von Bomben auf Städte wie Barcelona, Valencia, Tarragona, Girona oder Granollers abregnen.

Jetzt, rund 75 Jahre nach diesen Luftangriffen, droht den Piloten und ihren Kameraden ein - zumindest posthumes - Gerichtsverfahren, denn es ist anzunehmen, dass die meisten dieser Kämpfer, die einst von Mussolini als "Freiwillige" nach Spanien entsandt worden waren, längst nicht mehr am Leben sind.

Ende Januar 2013 hatte ein katalonisches Obergericht die Klage von zwei Opfern der damaligen Bombardierungen zugelassen. Es handelt sich um Alfons Cànovas, der bei einem Angriff auf Barcelona am 19. Januar 1938 seinen Vater verlor, sowie um Anna Raya. Die betagte Frau erinnert sich: "Ich war acht Jahre alt und befand mich in der Schule im Stadtviertel Barceloneta. Eine Bombe, die aus einem der italienischen Flugzeuge abgeworfen wurde, fiel direkt auf die Schule. Und die Flugzeuge beschossen uns mit Maschinengewehrfeuer. Ich wurde am Kopf von einem Metallstück getroffen. Ein Soldat brachte mich zu einem Verbandsplatz."

Im Mittelpunkt des Justizverfahrens stehen die Bombardements von Mitte März 1938. Allein bei diesen Luftangriffen auf Barcelonas Altstadt starben 150 Menschen, unter ihnen 42 Mädchen, die sich im Keller des Schulgebäudes an der Plaça Felip Neri vergeblich in Sicherheit hatten bringen wollen.

Unterstützt werden die Kläger von der Vereinigung "Ein anderes Italien" (www.altraitaliabcn.org). Es handelt sich um eine Organisation von in Barcelona lebenden italienischen Residenten, die sich für die Aufarbeitung der historischen Ereignisse engagiert. Ihre Sprecher sehen in den Attacken der italienischen Piloten "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" - Vorwürfe, denen nun die Justiz nachgeht.

Das Besondere an dem Verfahren: Es ist nach dem Ende der Franco-Diktatur in Spanien das erste Mal, dass ein Gericht Gräueltaten aus der Zeit des Bürgerkriegs gerichtlich unter die Lupe nimmt. Es handelt sich um ein heikles Thema, das seit einigen Jahren immer intensiver diskutiert wird und auch den ehemaligen spanischen Richter Baltasar Garzón wiederholt in die Schlagzeilen brachte.

Bislang hat kein Gericht gegen spanische Beteiligte am Bürgerkrieg ermittelt. Dem stand stets das Amnestiegesetz aus dem Jahr 1977 entgegen. "Der aktuelle Fall, die Ereignisse über die Verantwortlichkeit eines Drittstaates, in diesem Fall Italien, zu untersuchen, kommt einer Sensation gleich", sagt der Spanien-Experte und Marburger Geschichtsprofessor Carlos Collado Seidel.

Sollte das Gericht zu einer Verurteilung finden, könnte dies einen Präzedenzfall schaffen; auch für Kriegsverbrechen, die von Spaniern begangen wurden. "Das könnte einem Dammbruch gleichkommen, der übrigens auch Deutschland betreffen könnte. Denken Sie nur an die Legion Condor: Für die Bombardierung der baskischen Stadt Gernika gab es von Deutschland bislang nur eine moralische Entschuldigung, aber keine materielle Entschädigung."

Javier Massot i Muntaner, der führende Geschichtsforscher zum Bürgerkrieg auf Mallorca, sieht das Gerichtsverfahren gegen die italienischen Piloten skeptisch. Für den Historiker sind die Fakten längst geklärt, eine gerichtliche Untersuchung hingegen unverständlich. "Jeder Luftangriff auf die Zivilbevölkerung in den Städten ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Warum diese Beschränkung auf diesen einen Angriff? Warum einzig gegen die Italiener? Warum nicht auch gegen die Legion Condor? Oder die US-Bomberpiloten von Hiroshima? Das hat weder Hand noch Fuß..."

Massot ist es zu verdanken, dass das Treiben der Italiener auf der Insel dokumentiert ist. "Die Kampfflieger retteten die Franquisten auf Mallorca aus einer höchst brenzligen Situation." Tatsächlich gelangten die ersten Piloten Ende August 1936 auf die Insel. Hier hatten die putschenden spanischen Generäle zunächst ganz Mallorca in ihre Gewalt gebracht. Dann landete ein republikanisches Expeditionsheer aus Katalonien bei Porto Cristo. Für einen Moment sah es so aus, als würde die spanische Regierung Mallorca zurückerobern können.

Diese Hoffnungen wurden von den italienischen Piloten, die das faschistische Regime in Rom General Franco zur Hilfe sandte, vereitelt. Sie bombardierten das Expeditionsheer im Inselosten und trieben es zum Abzug. Dann wurden die Mannschaften auf Mallorca weiter aufgestockt. Von ihren Flugbasen auf der Insel trugen die italienischen Maschinen schließlich den Tod immer weiter aufs Festland. Die "Aviazione Legionaria", die formell der spanischen Legion unterstellt war, umfasste in Spanien rund 6000 Mann. Auf Mallorca, so Massot, kommt den italienischen Verbänden eine wesentlich höhere Bedeutung zu als der kleinen Abteilung der Legion Condor in Pollença.

Mit den Italienern gelangte auch der berüchtigte "Conde Rossi" nach Mallorca. Der Faschist galt als Vertrauter Mussolinis und gab sich als "General" aus, auch wenn italienische Militärs wie Carlo Margottini im Hintergrund das eigentliche Sagen hatten, so Massot.

Der blutrünstige Rossi hetzte die spanischen Extremisten, die Falange, sowie die Franquisten auf, ihre politischen Gegner gnadenlos zu liquidieren. Vertreter und Anhänger der Linksparteien, der Gewerkschaften und der Republik wurden bei Nacht-und-Nebel-Aktionen ermordet. Die Zahl der hingerichteten Bürgerkriegsopfer auf Mallorca wurde vom Forschungsverein "Memòria" jüngst mit 2200 Fällen belegt.

Rossi und seine Kameraden erfreuten sich auf Mallorca gleichzeitig höchstem Ansehen. Den Italienern flogen Frauenherzen zu, Rossi machte im Hotel Mediterráneo die Nacht zum Tag, mit Geliebten und, falls sie ausblieben, mit Prostituierten.

Ein 85 Jahre alter Mallorquiner erinnert sich: "Die Piloten, sie erschienen den Frauen geradezu wie Helden. Sie waren flott, draufgängerisch, flogen modernste Apparate, wie man sie zuvor auf der Insel gar nicht kannte ... Die Männer wirkten wie Astronauten."

Die Italiener wurden in den besten Hotels der Insel untergebracht. In Alcúdia zerschlugen sie im Hotel Golf die Tische und Stühle im Speisesaal und machten sich damit ein Kaminfeuer, erinnert sich der Enkel des Besitzers.

Liebschaften mit jungen Frauen auf der Insel lösten familiäre Dramen aus. Es sind Fälle überliefert, in denen Mädchen aus gutem Hause sich heimlich mit den Piloten verlobten und ihnen nach Italien folgten, um dort festzustellen, dass der Angebetete bereits verheiratet war. Eine dieser Enttäuschten soll heute noch leben, auch wenn sie nicht bereit ist, über jenes Intermezzo zu sprechen. Im Volksmund kursierten damals Gedichte wie jenes "Mallorquinetes" (kleine Mallorquinerinnen). Es mahnte die Frauen zur Vorsicht. Sie würden bei Abzug der Italiener, "sobald die Tortilla sich dreht", geschwängert und alleinstehend auf der Insel zurückbleiben.

Die Italiener lebten auf Mallorca "la dolce vita", ein Zeitvertreib für Abenteurer und Haudegen zwischen den Kampfeinsätzen. Doch nicht alle überlebten Mallorca. Auf dem Friedhof von Palma erinnert ein wuchtiges Grabmal an rund 30 Gefallene. Zu Allerheiligen finden sich mitunter rote Rosen am Gitter zu der Gruft mit ihren Grabnischen.

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