Rund 2000 Menschen haben am Sonntag in Palma Solidarität gezeigt beim "Nordic Walking gegen Gewalt an Frauen". Dazu aufgerufen hatte die Stadtverwaltung, um "ein Zeichen zu setzen," so Kulturbeauftragter Fernando Gilet. Die Balearen gehören spanienweit zu den Regionen mit der höchsten Gewaltrate gegen Frauen.
Andererseits: Zahlen und Statistiken, sagt Isabell Llinàs Warthmann, Leiterin des "Instituto Balear de la Mujer" in Palma, seien die eine Seite, Fakten die andere. Bei der Problematik "Gewalt gegen Frauen" sei das nicht anders. Auch wenn 2012 spanienweit die Zahl der Anzeigen gegen Gewalttäter (128.543) im Vergleich zum Vorjahr (134.002) leicht gesunken sei, bedeute das keine Entwarnung: "Dass sich mehr Frauen scheuen, ihren Partner anzuzeigen, kann auch an der Krise liegen - die Angst vor wirtschaftlicher Not lässt viele in der Beziehung ausharren." Auf den Balearen sei die Zahl der Frauen, die Anzeige erstattet haben, sogar gestiegen: Waren es 2011 noch 4417 Frauen, sind es 2012 bereits 4765. In der ersten Jahreshälfte 2013 haben spanienweit 60.981 Frauen ihre Partner wegen "violencia" angezeigt, auf den Balearen gingen 1951 solcher "denuncias" ein.
Am 25. November, dem Internationalen Aktionstag "Nein zu Gewalt an Frauen", treten Zahlen wie diese wieder etwas in der Vordergrund - auch in Deutschland. Laut "Terre de Femmes" haben allein dort 25 Prozent aller Frauen körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch ihre Partner erlebt; etwa alle drei Minuten wird in Deutschland eine Frau vergewaltigt, nur jeder achte Täter wird verurteilt. In Spanien nimmt die Zahl der Todesopfer männlicher Gewalt weiterhin zu: Starben 2011 noch 52 Frauen durch die Hand ihres Partners, waren es 2012 schon 61 Frauen; im laufenden Jahr kamen bis zum 12. November 44 Frauen zu Tode. Auf den Balearen wurden 2012 zwei Frauen von ihren Partnern getötet, so auch 2013: am 1. Februar starb Margalida Perelló Tous (50) in Artà durch die Hand ihres Mannes, am 31. März Soledad Armez Claros (34) in Palma.
Obwohl sich Gewalt in der Partnerschaft quer durch alle Sozial- und Altersgruppen erstrecke, habe sie eine verstärkte Tendenz bei jüngeren Frauen und Mädchen - zwischen 15, 16 und 25 Jahren - feststellen müssen, sagt Isabell Llinàs-Warthmann: "Das fängt oft mit Handy-Kontrollen an, der Mann untersagt seiner Partnerin etwa Treffen mit Freundinnen, und allmählich steigert sich dieses Kontroll- oft zu gewaltbereitem Verhalten." Warum das Phänomen gerade in dieser Altersgruppe? Eine genaue Antwort darauf habe sie nicht, so die Frauenbeauftragte: "Vielleicht hat es auch mit der gesamtgesellschaftlichen Situation zu tun, die gerade für junge Leute viele Unsicherheiten birgt. So wird selbst eine rigide Partnerschaft mit ,Geborgenheit' verwechselt."
Täglich bitten im Schnitt zwei, drei Frauen im "Instituto de la Doña" in Palma um Hilfe: "Viele kommen in Begleitung einer Freundin, die sie zu dem Schritt ermutigt hat", so Llinàs-Warthmann. Überhaupt eine hoffnungsvolle Entwicklung in dem sonst so traurigen Kapitel sei die zunehmende Sensibilisierung und Verantwortungsbereitschaft in der Umgebung häuslicher Gewalt: "Vor ein paar Jahre noch verschlossen viele Augen und Ohren, nannten es ,Privatsache'." Das sei heute anders: "Auch die Polizei ist deutlich besser informiert und instruiert."
Vor Sprachproblemen im Institut müsse sich keine Frau fürchten: "Wir können, dank direkter Telefon-Übersetzung, in 58 Sprachen Hilfe anbieten." Dazu gehört nicht selten, Betroffene und ihre Kinder zumindest vorübergehend in einem Frauenhaus unterzubringen: Bis zum 19. November dieses Jahres, so die Statistik, fanden dort 27 Frauen und 38 Kinder Unterschlupf.
Das Thema "Gewalt" sei langfristig nur gesamtgesellschaftlich zu lösen, der Erziehung käme dabei eine immense Bedeutung zu: "Wenn Kinder ihre Eltern als gleichberechtigt erleben - ,Auch Mama verdient Geld, auch Papa holt uns von der Schule ab' -, ist das ein bescheidener, aber guter Anfang, um der Gewalt von vornherein den Nährboden zu entziehen."