Die Inselgeschichte hautnah erleben und maritime Impressionen auf sich einwirken lassen, das kann man neuerdings im Castell de Sant Elm an der äußersten Südwestspitze Mallorcas. Möglich macht es die Stiftung Fundació Illes Balears, die das Gebäude aus dem 13. Jahrhundert in den 90er Jahren erworben, liebevoll restauriert und für die Öffentlichkeit erschlossen hat.
"Direkt hier gegenüber auf der kleinen Insel Pantaleu landeten im Jahr 1229 die christlichen Eroberer Mallorcas unter König Jaume I.", sagt Hausverwalter Rafael Durán bei der Führung. Etwa 50 Jahre später habe sein Nachfolger Jaume II. den Kern des Gebäudes errichten lassen, das als Quarantäne-Hospital für die Internierung von Seefahrern mit verdächtigen Infektionskrankheiten diente. Der Gewölbesaal des Hospitals ist heute das Wohn- und Esszimmer eines Domizils für bis zu zwölf Gäste. Allerdings kann man nur en bloc das ganze Haus mieten.
Parallel zum Hospital ließen die Herrscher Mallorcas auch einen Wachturm errichten, der den Kanal von Dragonera kontrollieren und an einer strategisch wichtigen Stelle zwischen Algier, Palma und Barcelona Piratenüberfälle verhüten sollte. Das Castell de Sant Elm war Teil eines Netzwerks aus 71 Türmen rund um Mallorca, die der Verteidigung gegen Piraten aus Nordafrika dienten.
Die nur auf Voranmeldung für Gruppen zu besichtigende Ausstellung im Innerenzeigt, wie bei Ankunft eines feindlichen Schiffs Leuchtsignale nach Palma übermittelt wurden und setzt die Vergangenheit des Gebäudes mit Schautafeln sowie Objekten zur Geschichte der Piraterie ins Bild. Oben auf dem Dach befindet sich das eigentliche Highlight der Ausstellung: eine Kanone, die in den napoleonischen Kriegen von den Briten erbeutet wurde. Das leicht angerostete Stück trägt die Jahreszahl 1794 und das Siegel von König George V.
Nachdem das Castell de Sant Elm um das Jahr 1600 nicht mehr für Quarantäne-Zwecke benötigt wurde und auch die Piratenüberfälle nachließen, bezog auf dem Turm die Zollwache Quartier, um bis ins 19. Jahrhundert Jagd auf mallorquinische Schmuggler zu machen.
1868 erwarb schließlich Erzherzog Ludwig Salvator das Gemäuer. Offenbar hatte es ihm die Idylle zwischen den Inseln Dragonera, Pantaleu und Mallorca so sehr angetan, dass er zusätzlich zu seinem berühmten Landgut Miramar bei Deià in Sant Elm noch eine Zweitresidenz aufschlagen wollte. Ein Kupferstich im Museum zeigt sein Schiff Nixe mit dem Castell de Sant Elm im Hintergrund.
Die Ankermöglichkeiten in dem geschützten Winkel hätten vor Sant Elm eine gute Basis für die Entdeckungsfahrten der Nixe durch den gesamten Mittelmeerraum geboten, wenn sich der adlige Inselgelehrte besser mit den Anwohnern in der Nachbarschaft verstanden hätte. "Es kam zum Streit, der Erzherzog musste das Feld räumen", sagt Rafael Vadell. Erst die Erben des Erzherzogs hätten das Haus dauerhaft bewohnt und diverse Anbauten errichtet, die den architektonischen Eindruck auf der Meerseite etwas beeinträchtigen.
Dafür bieten sie den Gästen von heute diverse Schlafzimmer und Terrassen mit traumhaftem Ausblick. Die Ausstattung ist schlicht, aber modern und zweckmäßig.
(aus MM 18/2014)