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Erster Waldkindergarten auf Mallorca

Freies Spielen in freier Natur: Patricia Torrena mit den Kindern im Waldkindergarten "Ses Milanes." | Patricia Lozano

| Bunyola, Mallorca |

Es nieselt und am Himmel über Bunyola ziehen sich dunkle Wolken zusammen. Die meisten Kinder würden sich bei solchen Aussichten wahrscheinlich weigern, vor die Tür zu treten. Doch für Amar, Naia, Isabella, Zoro und Xaloc ist das bisschen Regen kein Grund, im Haus zu bleiben.

Mit Gummistiefeln an den Füßen und Regenkleidung sind sie gut gerüstet und machen sich an diesem Morgen zielstrebig mit Pädagogin Patricia Torrena auf den Weg in den Wald. Es geht durch Gehölz und dichte Büsche. Über Nässe oder den unebenen Weg klagt aber keines der Kinder, denn sie sind die frische Luft und den Waldboden gewöhnt. Seit Dezember vergangenen Jahres gehen sie in Mallorcas ersten Waldkindergarten und der hat kein Dach, nur den freien Himmel und viel Natur.

Der "Ses Milanes" wird in Eigenregie von Eltern aus dem Ort geführt. Initiatorin ist die Deutsch-Palästinenserin Yasmine Eid-Sabbagh. Die suchte vor zwei Jahren selbst einen Platz für ihre Tochter Amar und fand das Angebot an Kindergärten eher bescheiden. "Ich hatte den Eindruck, dort wurde nur geschrieen. Die Erzieher meinten zwar, die Kinder gewöhnen sich daran, aber das wollte ich gar nicht."

Die Tochter eines libanesischen Palästinensers und einer Deutschen erinnerte sich an ihre Zeit in Wiesbaden. "Dort wurde vor 40 Jahren der erste Waldkindergarten Deutschlands gegründet", sagt sie. Also schritt sie im April 2014 selbst zur Tat und gründete eine Initiative mit vier weiteren Familien.

Im Wald am Dorfrand von Bunyola fanden sie ein Stück, das einer Familie gehörte, der Gemeinde aber zur Nutzung überlassen wurde. Den Besitzern machte es nichts aus, dass eine Gruppe von Kindern dort in den Morgenstunden zwischen den Bäumen und Sträuchern spielt.

Der öffentliche Zugang hat auch Nachteile. "Patricia sammelt morgens oftmals eine Tüte Müll ein", sagt Eid-Sabbagh. Danach wird der Wald gemeinsam mit den Kindern "begrüßt" und ausgesucht, wo man sich niederlässt. "Die Kinder sollen mitentscheiden", sagt Patricia Torrena. An diesem Morgen hat sie den Platz allerdings vorgegeben: Ein kleines Zeltdach schützt die Picknickdecke vor dem Nass, Zweige und Gestrüpp halten den Wind ab.

Torrena ist ausgebildete Kinderbetreuerin und macht in Madrid eine Fortbildung, die man als "Freiluft-Erzieherin" übersetzen könnte. Pädagogisches Material wie Bücher oder Spielzeug hat sie nicht dabei, es geht vor allem um das Naturerlebnis. Auch Malen mit Stöcken auf dem Waldboden gehört dazu, ebenso wie hinzufallen. "Die Kinder sollen lernen, in einem natürlichen Umfeld zu leben", sagt Patricia Torrena. Es gehört zum Credo des Waldkindergartens: Die Aktivitäten sollen spontan und unter minimaler Anleitung entstehen.

Unter dem Zeltdach wird dann wie jeden Tag gemeinsam gefrühstückt. Die Kinder bringen das Essen selbst mit, müssen dafür aber einige Regeln befolgen. Zum Beispiel darf kein Fleisch gegessen werden, weil auch Kinder vegan lebender Eltern dabei sind. Auch Kinder veganer Eltern sind vor den Verlockungen einer frischen Fleischwurst nicht gefeit. Zoros Blick wandert dennoch in die Tupperdose von Amar: Ihr Nudelsalat sieht deutlich leckerer aus als sein Rohkost-Potpourri. Auch zuckerhaltige Nahrung wie Kekse, Schokoriegel oder Fertigessen sind nicht erlaubt. Das hat weniger ideologische als handfeste Gründe. "Wir wollen, dass die Kinder lernen, sich gesund zu ernähren", sagt Yasmine Eid-Sabbagh.

Nun sind im Waldkindergarten aber keineswegs nur Engelchen unterwegs. Da schubst ein Kind das andere in den Busch, da wird gezetert. "Wir wollen nicht vermitteln, dass im Leben alles heile Welt ist, sondern dass es auch Konflikte gibt. Die Kinder sollen ihre Meinung bilden und sagen."

Eid-Sabbagh weiß aus eigener Anschauung, dass die Welt nicht überall heile ist. Sie hat als Studentin fünf Jahre freiwillig in einem Flüchtlingslager im Libanon gelebt. Seit dieser Zeit sucht sie Geldgeber, um einigen Jugendlichen aus dem Camp ein Studium zu ermöglichen.

Geld einzusammeln gehört anscheinend zu ihrem Lebensweg. Für Ses Milanes zahlen die Eltern 150 Euro im Monat. Aber auch so reichen die Einnahmen noch nicht. Zwölf Kinder sind angepeilt, vermutlich müssen es langfristig aber mehr werden, damit sich der Verein trägt. Auch Fördermitglieder sind herzlich willkommen. "Ohne Geld geht es dann doch nicht", sagt Eid-Sabbagh. Zumindest muss man nichts fürs Mieten ausgeben, wenn es mal richtig schüttet, stellt die Gemeinde einen Raum in der Bibliothek zur Verfügung. Das passiert auf Mallorca ja nicht oft und damit die "Milane" drinnen bleiben, muss schon einiges vom Himmel kommen.

Wer den Verein unterstützten will, kann sich an Yasmine Eid-Sabbagh wenden, Telefon: + 34 688-95 42 22

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