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„Man kann auch aus Pudeln Bestien machen”

Viele Kampfhunde enden im Tierheim, weil unerfahrene Besitzer schnell mit ihnen überfordert sind. | Archiv

| Mallorca |

Ein Pitbull verbiss sich kürzlich in Palma in einen kleinen Artgenossen. Der Besitzer des Kampfhunds war hilflos. In Deutschland ist die Haltung der sogenannten Kampfhunde recht streng reglementiert. Wie aber sieht es auf Mallorca aus?

Welche Rassen gelten in Spanien als Kampfhunde?

„Perros potencialmente peligrosos” - potenziell gefährliche Hunde - heißen Kampfhunde in Spanien. Laut Königlichem Dekret 287 aus dem Jahr 2002 gehören folgende Rassen in diese Kategorie: Pit Bull Terrier, Staffordshire Bull Terrier, American Staffordshire Terrier, Rottweiler und Argentinische Doggen. Aber auch weniger bekannte Rassen wie der Fila Brasileiro, eine mit dem Bluthund verwandte brasilianische Hunderasse, sowie die japanischen Hunderassen Akita Inu, eine Spitzart, und der zu den Molossern zählende Tosa Inu stehen auf der Liste. Der Tosa Inu ist übrigens die weltweit letzte Rasse, die offiziell zu Hundekämpfen eingesetzt wird.

So sehr sich diese Hunde optisch voneinander unterscheiden, haben sie einige typische Merkmale gemeinsam: etwa ihre kräftige Statur - manche werden bis zu 65 Kilo schwer - einen breiten Brustkorb, eine Widerristhöhe von 50 bis 70 Zentimetern und einen großen, kräftigen Kiefer.

Was sind die Ursprünge der Kampfhundezucht?

Im Mittelalter wurden Hunde vom Militär als Waffen benutzt. Sie sollten dem Feind Bisswunden und tödliche Verletzungen zufügen. Dazu wurden häufig Doggen eingesetzt, die in eigene Panzerungen gesteckt wurden. Ab dem 19. Jahrhundert wurden vor allem in Großbritannien Hundekämpfe populär. Die Tiere bekämpften sich in einer Arena auf Leben und Tod, während die Zuschauer Wetten auf den Sieger abschlossen. Die Besitzer erzogen ihre Hunde zu äußerster Aggressivität anderen Tieren, nicht aber Menschen gegenüber.

Wer darf auf Mallorca Kampfhunde halten?

Kampfhundebesitzer müssen eine entsprechende Genehmigung an ihrem Wohnort beantragen, Kostenpunkt: rund 150 Euro. Diese Genehmigung muss alle fünf Jahre erneuert werden. Voraussetzung dafür sind Volljährigkeit und ein makelloses polizeiliches Führungszeugnis. Ein Arzt muss die körperliche und psychologische Eignung als Hundehalter bestätigen. Außerdem muss der Besitzer eine Bescheinigung vorlegen, dass er sich bislang keiner Vergehen bei der Kampfhundehaltung schuldig gemacht hat. Ebenfalls Pflicht ist eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 120.000 Euro. Ein Tierarzt muss zudem die Gesundheit des Tieres bestätigen. Nach Bewilligung der Haltegenehmigung muss der Besitzer sein Tier ins örtliche Kampfhunderegister eintragen lassen.

Welche Verhaltensregeln müssen Hundehalter beachten?

Sie müssen den Hund in der Öffentlichkeit permanent an der Leine führen. Für den Hund besteht Maulkorbpflicht. Der Hundehalter muss die Halteerlaubnis und den Eintrag ins Kampfhunderegister stets mit sich führen. Das Verschwinden oder einen Diebstahl des Hundes muss er innerhalb von 48 Stunden melden.

Wo liegen Probleme?

Die Zahl der Kampfhunde in Spanien hat sich laut Medienberichten seit 2013 verdoppelt, das Wissen um den Umgang mit den Tieren und potenzielle Risiken aber nicht. Laut einer Umfrage des spanischen Hundeinformationsportals „Toppercan” kennen drei von vier Hundebesitzern die gültigen Vorschriften und die Bedürfnisse ihrer Tiere nicht. Ein Grund dafür, dass viele bei ersten Problemen im Tierheim landen. Das Tierheim Son Reus in Palma ist ein Beispiel dafür. 128 Hunde stehen dort zur Adoption bereit, immerhin 28 davon sind Kampfhunde oder Kampfhundmischlinge.

Was raten Experten?

„Bei Kampfhunden kommt es sehr darauf an, wie sie aufwachsen und geprägt werden”, sagt Veterinärin Sofia Kohmann, die in der Eurotierklinik in Arenal auch tierärztliche Atteste und Wesensbeurteilungen für diese Hunde erstellt. Prinzipiell seien es ideale Familienhunde. „Aber wenn der Hund heranwächst, kann es zu Rangkämpfen kommen, in denen das Tier sein Revier absteckt”, schränkt Kohmann ein. Dann steigt das Unfallrisiko, weil der Hund einem Kind körperlich weit überlegen ist. „Und der Biss eines Kampfhundes ist mit dem anderer Rassen nicht zu vergleichen. Kampfhunde sind Hunde für Profis, die sich auskennen”, mahnt sie.

Stefan Gürtler, ehemaliger Militärhundetrainer aus der Schweiz und Inhaber einer Hundeschule in Campos, bestätigt dies. Viele würden die Tiere unüberlegt kaufen, weil sie ihnen optisch gefallen, kritisiert er. „Aber gerade diese Hundehalter kommen nicht in die Hundeschule, obwohl das besonders sinnvoll wäre”, berichtet er. Denn gerade Kampfhunde brauchen erfahrene Besitzer, die sich dem Hund klar als Rudelführer präsentieren können. Wird nämlich das Tier in diese Rolle gedrängt, kommt es zu Stress und Aggressionen. „Und die Beißhemmung ist bei einem Kampfhund niedriger”, erläutert er. Gürtler fordert zudem mehr Kontrollen von Züchtern und strengere Regeln für Kampfhundbesitzer. „Die aktuellen Tests reichen nicht aus”, sagt er. Wesenstests oder Hundeführerscheine, wie sie in einigen deutschen Bundesländern üblich sind, sind hierzulande freiwillig. Gegen negative Verallgemeinerungen wehrt sich der Hunde-Experte allerdings ebenso. „Bei richtiger Haltung sind es kinderliebe Tiere. Und ich kann auch in wenigen Wochen aus Pudeln Bestien machen.”

(aus MM 34/208)

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