Veganer sein - in einem Land, in dem Fisch und Fleisch seit Jahrhunderten zur kulinarischen Tradition gehören? Vegane Lebensweise wird von vielen Vorurteilen begleitet. Die beliebtesten: zu kompliziert, zu teuer. Um diesem Klischee entgegenzutreten, finden mehrmals jährlich auf Mallorca vegane Festivals unter dem Motto „Vegan Day Out” statt.
„Vegane Ernährung ist grundsätzlich überhaupt nicht kompliziert”, sagt Patrick Schell. Der deutsche Auswanderer lebt seit 1999 auf Mallorca und hat sich vor fünf Jahren dazu entschieden, komplett auf tierische Produkte zu verzichten. „Die Möglichkeiten dazu hat jeder. Jeder hat in der Nähe einen Obst- und Gemüseladen. Jeder hat die Möglichkeit, Reis, Nudeln und Kartoffeln oder Getreidesorten wie Amaranth zu bekommen.” Menschen seien Schell nach eben oft unbeweglich oder wollten sich nicht an einen anderen Geschmack gewöhnen.
Das vegane Angebot auf Mallorca sei vor fünf Jahren noch überschaubar gewesen. „In einem großen Supermarkt gab es einen einzigen Tofu, der geschmeckt hat wie eine Schuhsohle”, sagt der gebürtige Koblenzer scherzhaft. 2013 eröffnete er deshalb mit seiner damaligen Frau den ersten veganen Supermarkt Mallorcas, den „Lovegano”, der heute in Palmas Stadtteil Santa Catalina zu finden ist. „Unser Einkaufszettel ist ein Stimmzettel. Wir bestimmen damit jeden Tag, was in der Welt passiert”, sagt Schell. Auf Mallorca habe die Nachfrage nach veganen Produkten vor etwa zweieinhalb Jahren einen echten Aufschwung erlebt. „Das haben wir auch deutlich an unseren Umsatzzahlen gemerkt”, so der Unternehmer.
Positiv empfindet er, dass auch immer mehr Mallorquiner den Fleischkonsum hinterfragen. Laut aktuellem „Fleischatlas” der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung liegt Spanien europaweit beim Fleischverbrauch vorn. „Aber auch hier gibt es irgendwann mal eine Gegenbewegung”, sagt Schell. Dass zu starker Fleischkonsum Industriekrankheiten begünstige, sei wissenschaftlich belegt. Deshalb entschieden sich auch immer mehr ältere Menschen für vegane Lebensmittel, wie er in seinem Laden feststellt.
Dass das Ernährungskonzept auf Mallorca gerade erst ankommt, weiß auch Scott Adams, der Organisator des Festivals. Der Brite lebt seit vier Jahren auf Mallorca und ist auf der Insel vom Vegetarier zum Veganer geworden. „Hier sprechen wir bei Veganern von etwa einem halben Prozent der Bevölkerung - kein Vergleich zu Großbritannien. Aber der Unterschied ist, dass man hier veganes Essen nicht nur in Großstädten bekommt, denkt man an all die frischen Früchte und das Gemüse auf den Märkten und Farmen Mallorcas. Jeden Monat eröffnen hier neue vegane Läden - etwa in Palma, Alcúdia oder Pollença”, sagt Adams.
„Mit diesem Festival bieten wir wie bei einem Musikfestival für Bands eben für alle interessierten Veganer die Möglichkeit, zusammenzukommen", sagt der Auswanderer. Sein Heimatland ist auch das Geburtsland der veganen Bewegung. Die erste Vegane Gesellschaft wurde 1944 im Vereinigten Königreich gegründet. Seit 1994 wird am 1. November durch sie zudem ein „Weltvegantag” mit zahlreichen Aktionen weltweit veranlasst.
„Das größte Problem für Veganer ist, dass Nicht-Veganer diese Lebenseinstellung attackieren, anstatt erst mal zuzuhören und etwas mitzunehmen”, sagt Stephanie Kindermann. Die deutsche Schauspielerin ist bereits seit 35 Jahren Veganerin, lebt heute auf Mallorca und gibt Tipps zu Nachhaltigkeit und Tierschutz. Veganismus werde viel zu oft mit Radikalität gleichgesetzt. Und viel zu oft mit „Bio” verwechselt. Dass Essen immer billiger und zur Nebensache wird, sehe sie kritisch: „Vor ein paar Jahren haben die Menschen noch rund 50 Prozent ihres Einkommens für Essen ausgegeben”, sagt die Tierschützerin. „Heute sind es nur noch etwa zehn Prozent.” Kindermann weiß: „Wir nehmen zu viel Zucker, zu viel Salz und zu viel Weißmehl zu uns - und das sieht man!”