Betrachtet man die Mathematik, die dahinter steckt, ist es wahrscheinlicher, als Linkshänder beim Benutzen eines Produkts für Rechtshänder zu sterben. Ebenfalls ist die Chance größer, heiliggesprochen oder vom Blitz erschlagen zu werden, als den Lotto-Jackpot zu knacken. Dennoch tippen jede Woche Millionen von Menschen ihre Glückszahlen. Bei der Mittwochsziehung 6 aus 49 beträgt die Gewinnchance für einen Sechser mit Zusatzzahl rund 1:140 Millionen. Was bedeutet, dass es 140.000.000 mögliche Zahlenkombinationen gibt, von denen nur eine einzige das ganz große Geld verspricht. Der Blitz trifft in Deutschland jährlich im Schnitt 110 Menschen. Mit einer Chance von 1:200.000 ist dieses Ereignis also sehr viel wahrscheinlicher, wenn auch natürlich nicht wünschenswert.
Heike Maurer sitzt in einem Café auf der Plaça de la Constitució in Sóller. Die Sonne ist bereits so hoch über die Dächer gestiegen, dass sie an der majestätischen Sant-Bartolomeu-Kirche vorbei Teile des Platzes und die immer wieder vorbei tuckernde historische Bahn in ein herbstliches Licht taucht. Die TV-Moderatorin nippt an ihrem Café con leche und überlegt: „Ich glaube 84 Euro war das meiste, das ich mal im Lotto gewonnen habe.“ Das Ganze sei nicht so das ihre, ergänzt sie. „Gegen ein gelegentliches Zahlen tippen ist nichts einzuwenden. Aber wenn das System und Regelmäßigkeit bekommt, muss man auf sich achtgeben. Auch dieses Glücksspiel kann süchtig machen.“ Obwohl den Zahlen und Wahrscheinlichkeiten selbst nicht so verfallen, haben die Lottozahlen bereits seit Anfang der 90er-Jahre ihr Leben bestimmt. Zunächst als Lottozahlen-Ansagerin moderiert sie anschließend von 2000 bis 2013 allwöchentlich die Mittwochsziehung im ZDF und hat so dabei geholfen, einige Kugelschreiber-Kreuze auf Papier in bares Geld zu verwandeln. Geplant sei dieser Karriereschritt jedoch nie gewesen.
„Ich habe als Foto- und Produktmodell gearbeitet und wollte ursprünglich Radio-Sprecherin werden.“ Damals habe man dafür einige sprachliche Eignungstests über sich ergehen lassen müssen. „Das lief alles ganz gut und solche Zungenbrecher wie die ‚nicaraguanische Regierung’ habe ich in den Probetexten gemeistert. Dann habe ich allerdings den Namen des griechischen Philosophen Homer auf der falschen Silbe betont und damit war ich durchgefallen“, schmunzelt die Frau aus Castrop-Rauxel und ergänzt, „Ein halbes Jahr später hätte ich erneut antreten können, aber da kam dann das Fernsehen dazwischen.” Mit 33 Jahren besticht sie bei einem Casting des hessischen Rundfunks mit ihrem Auftritt und bekommt so ihr erstes TV-Engagement als Wetterfee. „Zirka fünf Jahre später bin ich dann zum ZDF gewechselt.” Im Zweiten arbeitet sie damals unter anderem als Ansagerin. „Das kennt man heute gar nicht mehr, aber wir haben sozusagen die Sendeelemente miteinander verbunden. War beispielsweise eine Unterhaltungssendung zu Ende, haben wir als Programmansager auf den kommenden Spielfilm übergeleitet.”
Obwohl Heike Maurer in ihrer Laufbahn als Moderatorin Silvestershows oder auch den ZDF-Wintergarten moderiert, habe sie sich immer etwas mehr Tiefgang gewünscht. „Ich wollte seriöse Talkshows im Abendprogramm machen“, erklärt sie und fügt mit einem Achselzucken hinzu, „Aber da standen mir wahrscheinlich meine blonden Haare und blauen Augen im Weg.”
Nachdem die mittwöchliche Lottoziehung 2013 im Abendprogramm ihr Ende findet, wird es ruhiger um die TV-Moderatorin. Ende 2019 verkauft Heike Maurer zusammen mit ihrem damaligen Ehemann alles Hab und Gut in Deutschland, um nach Mallorca auszuwandern. „Für uns war das damals wirklich der Traum vom ruhigen Zusammensein auf dieser wunderschönen Insel.“ Aufgrund des Krankheitsbildes ihres Mannes platzt dieser Traum jedoch und Maurer trennt sich nicht nur von Deutschland, sondern auch von der Liebe ihres Lebens. „Es war eine unheimlich schwere Zeit. Ich weiß, es klingt komisch, aber wir haben uns aus Liebe zueinander scheiden lassen.“
Auf der Insel muss sie sich erst einmal neu sortieren und auch die Corona-Krise erschwert die Ankunft im neuen Zuhause. „Das einzige schöne daran war, dass ich im Lockdown meinem Auftrag als Oma gerecht werden konnte. Meine Tochter lebt seit zehn Jahren auf Mallorca und ist ebenfalls Mutter.“ In dieser Zeit habe die ausgebildete Gymnastiklehrerin ihrem Enkelkind unter anderem den Purzelbaum beigebracht. „Wir haben ganze Hindernisparcours zu Hause aufgebaut. Das hat Spaß gemacht.“
Heute habe sie das Gefühl, endlich angekommen zu sein. „Ich habe zwei Jahre gebraucht, um mich hier sozial einzuleben. Und dabei habe ich festgestellt, wie toll die Spanier und Mallorquiner sind.“ Die Menschen hier seien nachsichtiger mit einem und würden andere weniger bevormunden. „Fehler sind hier erlaubt und die Leute weisen einen nicht nur unheimlich freundlich darauf hin, sie zeigen dir danach auch noch, wie es richtig geht.“ Nach fast drei Jahren Inselabenteuer sei sie sich sicher, den Rest ihres Lebens hier verbringen zu wollen. „Ich bin gekommen, um zu bleiben, so viel steht fest.“
Nicht nur die Familie sei hier ein Anker für die 69-Jährige, auch spannende Projekte würden sie zusehends mit Mallorca verwurzeln. „Ich habe 1998 ein Buch herausgebracht und dachte, jetzt ist die Zeit für ein Zweites gekommen. Daran arbeite ich gerade.“ In der Geschichte gehe es ganz grob umrissen um die Liebe und die vielen Erfahrungen, die Maurer in vier Ehen damit gemacht habe. „Es wird keine Autobiografie, sondern eher eine fiktionale Geschichte, die an mein Leben angelehnt ist.“ Mit dem Glücksspiel habe die ehemalige Lottofee beruflich und privat weitestgehend abgeschlossen. „Ich denke, ein Lottogewinn ist in meinem Leben einfach nicht vorgesehen. Aber wer weiß, bei der spanischen Weihnachtslotterie ‚El Gordo’ würde ich mein Glück vielleicht doch noch einmal versuchen.“