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Ratgeberkolumne: Das Leben ist (meistens) 
ein langer, ruhiger Fluss

Dem Leben mit Leichtigkeit zu begegnen, ist eine hohe Kunst. Die kleinen Fallschirme des Löwenzahn lassen sich vom Wind durch die Luft tragen und sorgen so für das Überleben der Art. In der Natur sind es oft die Pflanzen mit der größten Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, die den stärksten Stürmen trotzen, Unwetter oder Feuer überstehen. | T. C. O.

| Palma, Mallorca |

Der folgende Text ist der MM-Kolumne "Unter vier Augen" von Talia Christa Oberbacher entnommen. Die Autorin ist Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic auf Mallorca.

Auch auf Mallorca kann der Winter kalt, grau und verregnet sein. Manchmal schneit es sogar in den Bergen. Ich mag diese doch recht überschaubare Zeit und verbringe sie gerne mal auf dem Sofa, mit einem heißen Kakao oder Tee und der wohligen Wärme meines kleinen Kamins. Am vergangenen Wochenende hatte ich endlich einmal Zeit, um über die vergangenen Jahre zu reflektieren. Vieles war schwer und herausfordernd, Anderes hat mir geholfen, zu wachsen, mich weiterzuentwickeln. Und das sowohl im Arbeitskontext als auch in persönlicher Hinsicht.

Der dänische Philosoph Søren Aabye Kierkegaard (1813-1855) prägte einmal den Satz: „Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden.” Dem stimme ich absolut zu. Trotzdem wünschte ich mir manchmal, ich könnte vorübergehend die Uhr des Lebens ein wenig verstellen, um bereits heute den Sinn der Herausforderungen zu erkennen, die mir das Leben gerade wieder präsentiert, und müsste nicht darauf warten, erst irgendwann später zu verstehen, wozu diese Erfahrung wichtig war. Dabei weiß ich als Therapeutin natürlich, dass meistens nicht die Themen selbst das Problem sind, sondern unser Widerstand dagegen.

Der Widerstand lässt uns leiden, uns kämpfen und ist so anstrengend. Beispielsweise denken wir: Warum tappe ich immer wieder in dieselbe Falle? Warum reagiere ich immer wieder auf dieselben Menschen oder Situationen? Wieso habe ich immer noch nichts dazu gelernt? Ich sollte/müsste doch schon verstanden haben, wie es geht. Diese Gedanken sind aber keineswegs hilfreich, sondern sorgen dafür, dass wir uns zusätzlich zu den bereits vorhandenen Herausforderungen auch noch selbst verurteilen und entwerten. Wenn wir den Widerstand aufgäben, könnten wir uns dem Leben hingeben. Wir könnten „im Fluss sein” –ein Konzept, das uns daran erinnert, gegenwärtig und zentriert zu bleiben. Es geht darum, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und nicht von Ängsten und Sorgen über die Zukunft oder Reue über die Vergangenheit abgelenkt zu werden. Schafften wir es, im Fluss zu sein, fühlten wir uns frei, energiegeladen und produktiv. Wir könnten unsere Aufgaben und Aktivitäten mühelos und ohne große Anstrengung abschließen. Es wäre, als ob alles einfach zusammenpasste und wir in einer Art harmonischem Rhythmus lebten.

Um das zu erreichen, ist es wichtig, sich wirklich auf das zu konzentrieren, was man gerade tut, anstatt abgelenkt zu sein oder sich Gedanken über andere Dinge zu machen. Dies kann bedeuten, dass man sich von sozialen Medien, E-Mails und anderen Ablenkungen fernhält, während man arbeitet, oder dass man sich Zeit nimmt, um sich vor einer wichtigen Aufgabe zu sammeln und zu konzentrieren. Es kann auch hilfreich sein, regelmäßig Pausen einzulegen und Zeit im Freien zu verbringen, um sich zu entspannen und zu erfrischen. In der Freizeit kann es genauso wichtig sein, die Abgrenzung zur Arbeit zu wahren, um sich wirklich zu erholen, den Kopf wieder freizubekommen. Meditation und Yoga können ebenfalls helfen, im Fluss zu bleiben, indem sie uns unterstützen, uns auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und unseren Geist zu beruhigen. Auch Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung sind hilfreiche Techniken, die man erlernen und selbsttätig durchführen kann.

Wenn wir im Fluss sind, fühlen wir uns nicht nur produktiver und glücklicher, sondern wir sind auch in der Lage, schwierigere Aufgaben zu meistern und Herausforderungen zu überwinden. Also, versuchen wir doch, uns darauf zu konzentrieren und das Beste aus jedem Moment zu machen! Zusammenfassend kann man sagen, dass „im Fluss sein” ein Konzept ist, das uns hilft, gegenwärtig und konzentriert zu bleiben, um produktiver und glücklicher zu sein. Indem wir uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren und Ablenkungen vermeiden, können wir mit dem fließen, was ist, und das Beste aus jedem Moment machen.

Nicht umsonst wird diese Fähigkeit, dieser Zustand in den Schriften vieler Mystiker beschrieben. So sagte beispielsweise Lao Tzu: „Wenn du im Fluss bist, dann fließt alles mühelos”. Die Frauenzeitschrift „Brigitte” schreibt dazu 2018 in einem Artikel über „Fünf buddhistische Grundsätze”: „Sich (zu viele) Sorgen zu machen, bringt uns nichts. Wenn Sie sich über eine Sache, die Sie nicht lösen können, immer und immer wieder aufregen, wird das etwas an Ihrer Situation ändern? In der Regel nicht, außer, dass Sie viel zu viel Energie darauf verschwenden. Wenn Sie eine Sache in Ihrem Leben also nicht ändern können, lernen Sie, sich nicht darüber aufzuregen, sondern sie so zu akzeptieren, wie sie ist. Konzentrieren Sie sich dagegen lieber auf das Hier und Jetzt und auf das, was Ihnen guttut.”

Weiter liest man da: „Wenn wir glücklich sein wollen, müssen wir die Realität anerkennen. Wer glücklich sein will, sollte der Realität ins Auge blicken und sich nicht zu sehr mit Gedankenspielen beschäftigen. Das Leben bringt gute und schlechte Dinge mit sich und die Lösung ist nicht, sich nur an das Positive zu klammern. […]”

Und schließlich: „Wir müssen Veränderung aktiv annehmen. Nach den Grundsätzen des Buddhismus ist im Leben alles im Fluss und alles ändert sich stetig. Wer Veränderung annimmt und sogar willkommen heißt, erhält die Energie, das Leben zu leben, das er sich wünscht. So lässt sich die Veränderung sogar steuern, sodass man ein Leben leben kann, das den eigenen Vorstellungen entspricht.”

Der nicht unumstrittene indische Philosoph (und Begründer der Bhagwan-Bewegung) Osho schreibt dazu auf seiner Internetseite: „ Hingabe bedeutet, so zu leben, wie ein guter Schwimmer im Fluss. Das Leben ist ein Fluss. Du kannst kämpfen oder du kannst dich treiben lassen, du kannst den Fluss anschieben und versuchen, gegen die Strömung zu schwimmen, oder du kannst mit dem Fluss fließen und dahin gehen, wohin der Fluss dich führt. Hingabe […] ist einfach eine Lebensweise.”

Schließen möchte ich heute mit den Worten eines Menschen, den ich trotz langen Recherchierens nicht ausfindig machen konnte: „Wer die Gegenwart genießt, hat in Zukunft eine wundervolle Vergangenheit.” In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine ebensolche.

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