Das kalte, graue und hektische Berlin gegen wärmere, längere und sonnigere Tage auf Mallorca einzutauschen, war eine gute Entscheidung für die Familie. „In den vergangenen zwei Wintern gab es kaum eine Woche, in der wir nicht alle zeitgleich krank waren”, erzählt Sebastian Tigges. Bis Ende Februar wird der Autor und Influencer – zusammen mit seiner Frau, dem Model Maria Nasemann, und den beiden gemeinsamen Kindern – auf einer Finca im Osten Mallorcas überwintern.
Der 40-Jährige ist eigentlich Anwalt für Insolvenzrecht, auf Social Media ist er aber vor einigen Jahren als „Walking Dad” bekannt geworden. Einen Kinderwagen schiebend sprach der zweifache Vater über moderne Elternschaft, gleichberechtigte Erziehung und die Rolle des modernen Mannes. Seitdem ist er Influencer, hat eine Kolumne im Magazin "Stern" und mit seiner Frau den Podcast „Family Feelings”, in dem das Paar ungeschönt über sein Familienleben spricht.
Mitte Oktober ist Sebastian Tigges mit vollgepacktem Auto von Berlin per Fähre auf Mallorca angekommen. Seine Frau war mit den Kindern einige Tage zuvor geflogen. Für viereinhalb Monate nennen sie die Insel ihr Zuhause. Weniger Termine, weniger Stress, "weniger Grundrauschen" gibt es auf dem Land im Gegensatz zu Berlin. „Wir gehen mit den Kindern jetzt nachmittags Ziegen füttern, anstatt uns durch die volle Tram zu kämpfen. Die Ruhe tut mir sehr gut”, so der Autor.
Wie kinderfreundlich die Insel ist, darüber staunt der Vater fast täglich. Bei einem Mittagessen in Llucmajor zauberte der Wirt Paw-Patrol-Geschirr und einen kleinen Tisch samt Stühlen für den fünfjährigen Sohn und die dreijährige Tochter her. „In Berlin komme ich mir eher vor wie ein Monster, wenn ich mit meinen Kindern ins Restaurant gehen will”, kommentiert Tigges mit einem Lachen. Auf Mallorca sei das ganz anders: „Es gibt so viele Cafés an Spielplätzen. Kinder sind hier ganz anders in die Gesellschaft und das alltägliche Leben integriert. Sie werden als vollwertige Menschen betrachtet.”
Während seiner Winter-Auszeit arbeitet der 40-Jährige an seinem ersten Buch. Zwar steht der Titel noch nicht fest, aber es geht in jedem Fall um „sein” Thema: wie die neue Rolle von Männern als moderne Väter aussehen kann. Das Werk wird zwar kein Ratgeber, dennoch will der Autor die Seiten füllen mit „was ich gerne gewusst hätte, bevor meine Kinder auf die Welt gekommen sind.” In den ersten Wochen auf der Insel fuhr er zum Arbeiten nach Palma de Mallorca. „Weil ich dachte, ich brauche die Großstadt.” Doch rasch wurde ihm klar: Den Lärm vermisst er nicht. Stattdessen setzt er sich jetzt mit seinem Notebook auf die kleine Plaça im nächstgelegenen Ort und genießt die Ruhe beim Schreiben.
Seit Oktober teilt das Influencer-Paar Tigges-Nasemann regelmäßig Mallorca-Content in Social Media. Die Eheleute zeigen sich bei gemeinsamen Ausflügen am Strand, beim Kaffeetrinken, Treffen mit Freunden, laden Fotos und Videos hoch. Ihren Followern gefällt das – doch auch kritische Stimmen finden sich unter den Kommentaren: „Es ist schrecklich, die Mallorquiner finden in ihrer Heimat keine Wohnung, weil so viele Deutsche sich dort niederlassen. Und dann meinen sie, sie wären so nachhaltig und umweltbewusst”, schreibt eine Userin bei Instagram. Ähnliche Kritik hagelt es für seine Partnerin Marie Nasemann, die sich für Nachhaltigkeit einsetzt, das Paar aber dennoch für berufliche Termine zwischen der Insel und der Bundesrepublik pendelt. Sebastian Tigges nickt. „Ich weiß, dass ich Teil des Problems bin. Das ist mir bewusst.” Schließlich haben sie die Finca zu einem monatlichen Preis gemietet, die sich ein Otto-Normal-Verbraucher auf der Insel wohl kaum leisten kann. „Das ist berechtigte Kritik. Es war eine egoistische Entscheidung.”
Ob aus dem Wintertraum der Familie auf Mallorca eines Tages eine Auswanderung werden könnte, lässt Sebastian Tigges offen. Dennoch haben sich seine Frau und er schon über das Inselleben informiert und beispielsweise mögliche Schulen für die Kinder besichtigt. „Wir fragen uns gerade, wie wir in der Zukunft leben wollen – auf dem Land oder in der Stadt. Wir überdenken unsere Möglichkeiten.” Auch betont er: „Uns geht es hier besser, und für den Moment ist es toll”, und schwärmt von den vielen Faktoren, die dazu beitragen: „Das Licht, das Wetter, die Menschen, die Freundlichkeit.” Eine Entscheidung hat der 40-Jährige aber jetzt schon für sich getroffen. „Was ich aus dieser Zeit hier für mich mitnehme, ist, dass ich nicht mehr dauerhaft in Berlin leben kann.”