Den Alltag unter der Sonne verbringen, nach Feierabend ins Meer springen und jeden Tag Tapas und Wein genießen - für viele Menschen ist auf Mallorca zu leben nach wie vor ein großer Traum. Nicht nur für Deutsche ist und bleibt die Insel ein Sehnsuchtsort. Der mediterrane Lifestyle, die hohe Lebensqualität - gepaart mit einer guten Verbindung nach Deutschland - macht die Insel für viele attraktiver denn je.
Allerdings ist die aktuelle Lage ein zweischneidiges Schwert: Denn auf der einen Seite wandelt sich das Eiland zur Luxusdestination, wo Wohnraum immer weniger erschwinglich wird. Deshalb spielen nicht wenige deutsche und spanische Residenten mit dem Gedanken, zurück nach Deutschland zu gehen oder sich auf dem Festland ein neues Leben aufzubauen. Auf der anderen Seite haben Recherchen des Mallorca Magazins ergeben, dass sich nach wie vor viele Bundesbürger, unter ihnen auch zahlreiche junge und gut situierte Menschen, auf der Insel ansiedeln.
Die Insel boomt
„Mallorca boomt!”, bestätigt Karolina Parys von der Spedition Wurzer. In den vergangenen Jahren habe sich die Klientel verändert. „Die klassischen Auswanderer gibt es nicht mehr.” Stattdessen siedelten sich „immer mehr gut Betuchte und weniger Risikofreudige” auf der Insel an, allesamt hätten „einen Plan”, meint Parys. „Unter ihnen sind auch viele Berater und Angestellte, die remote arbeiten.” Auch viele Immobilieneigentümer seien unter den Kunden der Spedition, die seit 30 Jahren zwischen der Bundesrepublik und der Insel verkehrt. „Die meisten kaufen ein Objekt eher, als es zu mieten und kernsanieren es. Wir liefern dann die Möbel hinterher.”
Dass die Lust auf Mallorca weiterhin ungebrochen ist, bekräftigt ebenfalls die Gründerin und Leiterin der Deutschen Schule an der Playa de Palma, Gabriele Fritsch. „Immer mehr deutschsprachige Muttersprachler verlassen ihre Heimat. Der Zuzug ist seit 2021 gestiegen und die Tendenz ist noch immer steigend.” In einigen Klassen sei man am Eurocampus kurz davor, Wartelisten einzuführen, um dem Ansturm gerecht zu werden. „Die Eltern unserer Schüler können oft von überall aus arbeiten, spätestens seit Corona ist viel Homeoffice möglich. Nicht wenige von ihnen haben Firmen in Deutschland, die sie behalten, aber die Familien leben auf der Insel. Unter ihnen sind auch viele Pendler”, erzählt die Leiterin.
Erstmal auf Probe auswandern
Aktuell sind am Eurocampus rund 240 Schüler angemeldet, unter anderem aus der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz. Die meisten von ihnen stammen aus „jungen Familien”, sagt Fritsch. Einige von ihnen kämen erst einmal für einen Gastaufenthalt von drei bis zwölf Monaten. „Manche nehmen sich eine Auszeit auf Mallorca, um zu schauen, ob eine dauerhafte Auswanderung für sie denkbar ist." Die Leiterin der deutschen Schule ergänzt: „Grundsätzlich gilt: Wenn es Deutschland nicht so gut geht, geht es hier bergauf. Wir profitieren wirklich von den Fehlern, die die Bundesregierung macht.” Diese Wechselwirkung ließe sich schon seit vielen Jahren beobachten, so Fritsch.
Über eine wahrhafte Flut von Menschen, die auf Mallorca leben, oder sich ein Standbein vor Ort aufbauen wollen, weiß auch Doris Kirch zu berichten. Sie ist seit rund 20 Jahren Dienstleisterin und Auswanderungsberaterin, indem sie für ihre Klienten unter anderem die NIE-Nummer und Residencia beantragt. „Dieser Januar war der beste Monat ever”, erklärt sie ihre Auftragslage und wundert sich dabei: „Ich frage mich: Wo kommen die alle her? Und wo wollen die alle hin?” Unter ihren Klienten seien „sehr viele sehr wohlhabende Leute”, sagt Kirch, aber auch „Auswanderer aller Altersstufen” wie etwa „junge Leute, Familien, Rentner oder Immobilienkäufer”. Zudem beobachte sie den Zuwachs aus allen EU-Ländern, nicht nur aus Deutschland. Ihre Kunden kämen aus den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Polen und Schweden.
Die offiziellen Zuwanderungszahlen zeigen zumindest unter den Deutschen eine steigende Tendenz. Für diese ist das spanische Statistikamt INE zuständig. Aktuell kann man nur die Zahlen bis zum Jahr 2022 einsehen. Insgesamt lebten auf den Balearen 18.979 registrierte Bundesbürger, im Jahr zuvor waren es noch 18.222 gewesen. Erfahrungsgemäß dürfte die Dunkelziffer weitaus höher liegen. Denn nicht alle Deutschen halten sich an die 183-Tage-Regel und umgehen so einen Residentenstatus. Diese besagt, dass sich jeder Ausländer, der sich mehr als 183 Tage im Jahr auf den Balearen aufhält, als Resident melden muss und damit steuerpflichtig wird.
Flucht aus dem kalten Deutschland
Auch der Trend zum Überwintern auf Mallorca dürfte dabei einen erheblichen Teil leisten. Immer mehr Deutsche, darunter auch Promis wie Model Marie Nasemann gemeinsam mit ihrer Familie, zieht es in den Wintermonaten auf die Insel, um dem kalten Deutschland zu entfliehen. Fälle wie diese werden nirgendwo erfasst, die Beteiligten sind nicht einmal in Besitz einer NIE-Nummer.
Ähnlich wie Doris Kirch bestätigt auch Dienstleisterin Jutta Upmann eine „immer noch steigende Tendenz” von deutschen Auswanderern auf Mallorca. Wie ihre Kollegin Kirch bietet auch sie seit 2017 Hilfe bei Behördengängen jeder Art an. „In den Gesprächen höre ich heraus, dass es gut betuchte Menschen sind”, beschreibt sie ihre Klienten. „Die meisten fliehen vor dem Klima in Deutschland” und erhofften sich auf der Insel „bessere Lebensumstände”, meint Upmann.
Genau diese zeigen zahlreiche Mallorca-Influencer auf Plattformen wie Instagram und TikTok. Wirft man einen Blick auf deren Profile, sieht man die fast immergleichen Bilder und Kurzvideos: türkisfarbenes Wasser, strahlender Sonnenschein, mit Blüten dekorierte Sushi-Platten und Brunchteller, perfekt gestylte Menschen, die an malerischen Buchten durch den Sand laufen, sich zuprosten oder pittoreske Dörfer wie etwa Valldemossa besuchen.
Unter ihnen ist auch Louisa Kastner, die seit drei Jahren Content-Createrin ist und gemeinsam mit ihrer Familie in der Nähe von Ses Salines lebt. Alleine auf Instagram hat sie als „Louisa Lou”, laut eigener Aussage, in den vergangenen 30 Tagen 3,3 Millionen Aufrufe eingefahren und damit knapp 1,4 Millionen Konten erreicht. Unter ihren Followern seien viele „Mallorca-Liebhaber”, sagt sie gegenüber MM. „Viele von ihnen begleitet das Thema Auswandern schon sehr lange.” Dementsprechend viele Nachfragen bekäme die Deutsche auch: „Die Leute wollen wissen, wo man bezahlbare Mietwohnungen findet, wie unser Alltag auf der Insel aussieht und wie genau wir ausgewandert sind.” Die 30-jährige Kastner betrachtet ihre Auftritte in den sozialen Netzwerken durchweg positiv: „Durch die Arbeit von Content-Creatern wird die Vielseitigkeit der Insel gezeigt.”
Ähnliche Inhalte präsentiert die deutsche Auswanderin Lea Ollhorn bei Instagram: Unter dem Namen „Lea Lifestyle” zeigt die Influencerin seit anderthalb Jahren „die schönen Seiten von Mallorca”. Mit ihren Beiträgen erreicht sie laut eigener Aussage im Schnitt rund 500.000 Menschen, die meisten von ihnen sind Frauen zwischen 20 und 35 Jahren. „Ich zeige mein tägliches Insel-Leben, Restaurants, Strände, Fashion und Lifestyle”, sagt Lea Ollhorn im Gespräch mit dem Mallorca Magazin. Die 31-Jährige stammt aus Hamburg und hat kürzlich in Palma de Mallorca einen Friseursalon eröffnet, bald werde sie den Residentenstatus erhalten. In Videos liefert sie ihren Followern auch Tipps für die Wohnungssuche auf Mallorca und beantwortet zum Beispiel die Frage, wie viel Geld man auf der Insel verdient.
Die Reaktionen auf ihren Mallorca-Content seien zwiegespalten, erzählt Ollhorn. „Die Hälfte meiner Follower fühlt sich motiviert und inspiriert von meinen Inhalten, oft bitten sie auch um meine Einschätzung bezüglich ihrer Auswanderung. Neulich fragte mich jemand, was ich von der Idee halte, dass sie vor Ort eine Arztpraxis eröffnen will.” Auf der anderen Seite erreichen die Frau auch „Hasskommentare”: „Deinetwegen ist die Insel so voll!”. Sie ergänzt: „Es gibt viele Orte auf der Welt, die voll sind, die Frage ist eher, wie man das dann regelt. Deshalb begrüße ich Maßnahmen auf der Insel.” Ihre Rolle als Influencerin nehme die Hamburgerin ernst: „Ich merke, dass ich Einfluss auf Menschen habe.” Ob „Lea Lifestyle” meint, dass Influencer zum „Insel-Boom” beitragen? „Auf jeden Fall! So hat Mallorca die Chance, von dem Ballermann-Klischee wegzukommen. Wir machen Lust auf das echte Mallorca: viel Lebensfreude und eine hohe Lebensqualität.”